Neuer Leiter für Katholisches Bildungswerk Bonn/Rhein-Sieg

Katholische Bildung als Zukunftsmodell

Das Katholische Bildungswerk Bonn/Rhein-Sieg-Kreis hat einen neuen Leiter: Manuel Hetzinger soll Bildungswerk und Familienbildungsstätte zusammenführen. Wie kann das gehen und in welche Richtung soll das Bildungswerk gelenkt werden?

Symbolbild Workshop, Ausbildung junger Menschen / © Matej Kastelic (shutterstock)
Symbolbild Workshop, Ausbildung junger Menschen / © Matej Kastelic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie haben heute Ihren ersten Tag im neuen Amt. Was steht für Sie persönlich jetzt an vorderster Stelle?

Manuel Hetzinger (Erzbistum Köln)

Manuel Hetzinger (Leiter des katholischen Bildungswerks Bonn): Natürlich möchte ich erst mal die Bildungsarbeit kennenlernen, wie die Kolleginnen und Kollegen sie hier seit vielen Jahren professionell und gut machen. Es wird darum gehen, in die Netzwerke hineinzukommen, mich vorzustellen, die Menschen und das Team kennenzulernen und zu schauen, wie wir uns da für gute Kooperationen in Zukunft aufstellen. Wichtig wird auch der Kontakt zum Stadtdekanat und zum Stadtdechanten sein, um der katholischen Bildungsarbeit auch gemeinsam eine Stimme zu verleihen und zu schauen, was es für relevante Themen gibt, die wir aufgreifen können. Und natürlich muss ich mich einarbeiten und schauen, was hier los ist.

DOMRADIO.DE: Ein inhaltlicher Schwerpunkt Ihrer Arbeit wird auch auch die Zusammenführung des katholischen Bildungswerks und der katholischen Familienbildungsstätte sein. Was sind die Gründe für diese Fusion?

Hetzinger: Grundsätzlich macht es inhaltlich Sinn, die Kompetenzen zu bündeln. Wir haben in beiden Einrichtungen, die eine eigene Tradition haben, Pädagoginnen und Pädagogen, die Profis in einzelnen Fachbereichen sind. Und trotzdem gibt es viele Überschneidungen, wo wir ähnliche Felder beackern. Und da müssen wir immer gucken, wie wir uns da aufstellen, wer von den Partnern das jetzt in die Hand nimmt. Ich sehe perspektivisch einen großen Vorteil darin, wenn wir zukünftig als gemeinsame Einrichtung Bonn und den Bonn-Sieg-Kreis mit möglichst konzentrierten Angeboten bedienen können. Natürlich ist auch dieser Tage das Geld immer eine Frage. Auch wir in den Bildungswerken müssen sparen. Aber das ist aus meiner Sicht nicht der Hauptgrund für so eine Zusammenlegung. Es geht darum, Synergien zu entwickeln und gemeinsam Erwachsenen- und Familienbildung zu betreiben.

DOMRADIO.DE: Was werden dabei die größten Herausforderungen sein?

Hetzinger: Natürlich ist es erstmal eine große Herausforderung, dass diese zwei Einrichtungen schon immer eine eigene Tradition und eine leicht unterschiedliche Arbeitsweise hatten. Die größte Herausforderung wird die Zusammenführung der beiden Teams sein. Wir müssen die Synergieeffekte greifbar machen, schauen, wer künftig für welches Themenfeld der Ansprechpartner sein wird, wer welche Veranstaltungen planen wird. Wir wollen deutlich machen, dass diese strukturelle Veränderung ein Gewinn für alle sein kann und eben kein Verlust für einzelne Personen.

DOMRADIO.DE: Werden sie dann auch gemeinsam in ein Bürogebäude ziehen?

Hetzinger: Das wäre schön, wenn wir eine gemeinsame Immobilie hätten, aber beide Bildungsstätten sind große Einrichtungen. Die Familienbildungsstätte in der Lennéstraße ist zwar ein großes Haus, aber wenn das komplette Bildungswerk da einzieht, haben wir keine Kursräume mehr. Das wird eine unserer Hausaufgaben für die nächsten zwölf, 14 oder 16 Monate sein, zu schauen, wie das gut funktionieren kann. Und auch zu schauen, dass wir räumlich ein bisschen näher zusammenrücken. Aber eine Lösung haben wir dafür noch nicht. Klar ist aber, dass wir in der Familienbildungsstätte bleiben. Das ist unser Gebäude. Das Haus ist bekannt und es wurde auch gebaut und ausgerichtet für Familienbildungsangebote.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, dass es auch darum geht, Kosten zu sparen. Wissen Sie schon etwas über die Mitarbeitersituation? Werden Sie die alle halten können?

Manuel Hetzinger

"Stand heute haben wir kein Sparmodell, was das Personal angeht."

Hetzinger: Bisher ist es so, dass wir alle Mitarbeitenden halten. Es geht nicht darum, viel Personal einzusparen. Die Stellen, die frei werden, werden auch wieder besetzt. Wir können aber natürlich nicht in die Zukunft schauen. Die sinkenden Kirchensteuereinnahmen treffen uns als Träger, der einen Zuschuss vom Erzbistum bekommt, auch. Aber Stand heute haben wir kein Sparmodell, was das Personal angeht.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns mal mal grundsätzlich auf Ihre Arbeit schauen. Sie bieten beispielsweise Gitarrenunterricht für Großeltern an, Eltern-Kind-Lego-Kurse, aber auch Vorträge über die "Sphären der Macht von Pseudo-Männlichkeit". Wo bleibt da das spezifisch Katholische?

Hetzinger: Natürlich haben wir als Träger ein Profil, nach dem wir unsere Veranstaltungen ausrichten. Spezifisch katholisch sind wir dadurch, dass wir solche Themen von einer katholischen Seite oder mit christlichen Werten beleuchten und solche Themen auch in der Stadtgesellschaft platzieren und ins Gespräch bringen. Ich glaube spezifisch katholisch ist es auch, offen zu sein und sich auch in weltlichen Themen zu zeigen. Wir sind keine spezifisch theologische Einrichtung, die nur theologische Angebote hat, wir sind nicht nur mit frommen und eindeutig identifizierbaren Themen unterwegs, sondern versuchen, relevante Themen aufzugreifen und dadurch unser Profil zu zeigen. Das gemeinsame Legobauen beispielsweise ist ein relevantes Thema für Menschen in allen Lebensaltern und so wird die Kirche für die Menschen zum Gesprächspartner und auch wahrnehmbar.

Manuel Hetzinger

"Es ist ein ehrliches Angebot, das wir den Menschen in deren Sinne machen wollen."

DOMRADIO.DE: Was kann Ihrer Meinung nach Bildung mit christlichem Hintergrund besser als Bildung mit weltlichem Hintergrund?

Hetzinger: Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob wir was besser können. Ich glaube, Bildung ist für den Menschen da, um sich zu dem Menschen zu entwickeln, der in einem steckt. Wir bilden aus der christlichen Perspektive heraus. Ich weiß nicht, ob das besser oder schlechter ist. Aber eine große Stärke von uns ist: Wir sind ein sehr, sehr professioneller und erfahrener Bildungsträger und das gilt auch für unsere Mitarbeitenden. Unser vorrangiges Ziel ist es, den Menschen eine gute Bildung anzubieten, möglichst breit, möglichst diskursiv, ohne dass wir uns an der Stelle in den Mittelpunkt rücken müssen, oder dass wir damit Geld verdienen müssen. Es ist ein ehrliches Angebot, das wir den Menschen in deren Sinne machen wollen.

Die Art und Weise, wie wir Veranstaltungen planen und wie wir in diesen Veranstaltungen mit den Menschen umgehen, haben, glaube ich, schon ein Spezifikum. Das kriegen wir auch gespiegelt, sowohl von unseren Teilnehmenden als auch von den Referentinnen und Referenten, die für uns arbeiten. Die sagen immer mal wieder: 'Bei euch fühlt sich das irgendwie anders an!' Und dann kann selbst ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderter Sprachkurs, den es auch bei jedem anderen Träger gibt, irgendwie spezifisch katholisch sein, weil die Menschen sich gut aufgehoben und angenommen fühlen bei uns.

DOMRADIO.DE: Ihr Angebot wird offenbar sehr gerne angenommen. Woran liegt das?

Hetzinger: Ich glaube, es liegt daran, dass die Menschen merken, dass wir mit ihnen im Gespräch sind und nicht diejenigen, die sich einen Leuchtturm in die Mitte stellen zu dem alle kommen sollen, weil wir die Wahrheit oder die beste Bildung im Angebot haben. Unsere Logik ist eine andere. Wir sind mit den Menschen unterwegs. Wir setzen die Themen nicht, wir greifen sie mit ganz vielen Kooperationspartnern auf.

Manuel Hetzinger

"Ich glaube, dass Bildung, auch katholische Bildung, ein Zukunftsmodell für die katholische Kirche sein kann."

Das ist auch wichtig für uns in der Zukunft. Auf der einen Seite gibt es Themen, für die die katholische Kirche die Stimme erheben und wahrnehmbar sein muss, aber wenn es um Bildung geht, dann müssen wir vor allem Hörende sein. Wenn andere sagen, was gerade gebraucht wird, müssen wir hinhören. Dann wissen wir, welche Themen wir aufgreifen sollten. Das geht natürlich nur mit Partnern. Egal, ob das jetzt große Kooperationspartner, Institute oder Museen sind oder eine Kirchengemeinde ist. Unser Netzwerk ist natürlich auch ein Grund, weshalb das gut funktioniert. Da sind wir nicht kommerziell ausgerichtet. Das machen wir aus anderen Beweggründen.

DOMRADIO.DE: Während Ihre Bildungsangebote so beliebt sind, laufen der Kirche die Menschen weg. Wie bringen Sie das zusammen?

Hetzinger: Das ist eine spannende Frage. Ich glaube, dass Bildung, auch katholische Bildung, ein Zukunftsmodell für die katholische Kirche sein kann. Weil wir Relevanz für das tägliche Leben von Menschen haben, für deren spirituelles Leben, aber auch für deren berufliches Leben. In der Bildung haben wir einen festen Platz, an dem wir wahrhaftig, offen und echt vor ihnen stehen und nahbar sind. Ich glaube, dass viele Menschen, die jetzt der Kirche fernbleiben oder sich abwenden, Enttäuschungen erfahren haben und Kirche nicht mehr als nahbar erleben.

Und da ist mir ganz wichtig zu zeigen, dass wir auch Teil dieser verfassten Kirche sind und ein Bild zeichnen, auf das man setzen kann, auf das man vertrauen kann. Interessanterweise sind die Zahlen, gerade in unseren explizit theologischen Veranstaltungen, gar nicht rückläufig, sondern eher konstant oder steigend. Und das ist, wenn man bedenkt, dass immer weniger Leute Kirchenmitglieder bleiben, ein markantes Phänomen, dass die Menschen trotz dieser rückläufigen Zahlen zu diesen theologischen Themen kommen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Fragen nach dem Sinn, nach dem, wo wir herkommen, wo wir hingehen, was richtig und wichtig ist, die Frage nach dem Göttlichen, bleiben und nicht verschwunden sind. Die Menschen suchen nach Antworten. Und es ist wichtig, dass wir uns gemeinsam mit ihnen auf die Suche begeben.

Manuel Hetzinger

"Wir dürfen nicht nur in die katholische Welt blicken, sondern auch in die Gesellschaft."

DOMRADIO.DE: Sie sind davon überzeugt, dass die rückläufigen Mitgliedszahlen nichts mit einem rückläufigen Bedürfnis nach Spiritualität zu tun haben?

Hetzinger: Ich glaube, es ist zutiefst menschlich, ein spirituelles Wesen zu sein und Fragen zu stellen. Und ich glaube, es ist gut, gemeinsam mit den Menschen auf dem Weg zu sein und gemeinsam eine Antwort zu suchen. Sich verschiedene Perspektiven anzuschauen. Gleichzeitig gibt es auf dem Markt der Sinnanbieter eine ganz große Konkurrenz. Ernährungs-, Bewegungs-, Modeangebote gibt es noch und nöcher und die Menschen springen darauf an. Wenn man da aber ein bisschen länger hinschaut, merkt man auch, dass manches Angebot doch eher dünn aufgestellt ist. Ich glaube, der Mensch hat nicht aufgehört, ein spirituell suchendes Wesen zu sein. Aber wir müssen vielleicht unsere Pädagogik und Didaktik mehr daran ausrichten, was für die Menschen anschlussfähig ist für deren Leben.

DOMRADIO.DE: Wo würden Sie sagen, liegen die größten Herausforderungen für katholische Bildung in der Zukunft?

Hetzinger: Es gibt sicher einige: Relevant zu bleiben, Themen zu identifizieren, wo wir was zu sagen und Stärken haben. Nicht auf jeden Trend mit aufzuspringen. Aber auch, mit Blick auf den ganz bestimmt steigenden finanziellen Druck, zu gucken, wo wir gut Angebote platzieren können, in einer Welt, die diese Angebote braucht und wahrnimmt.

Wir müssen gut mit unseren Partnern zusammenarbeiten, mit den katholischen Kirchengemeinden, den Verbänden, den Trägern, aber auch und das ist wichtig: Wir dürfen nicht nur in die katholische Welt blicken, sondern auch in die Gesellschaft. Auch mit anderen Trägern und Kooperationspartnern werden wir schauen müssen, mit wem man gemeinsam unterwegs sein kann, so dass wir auch in Zukunft gute Angebote auf den Weg bringen.

Das Interview führte Clemens Sarholz.

Quelle:
DR