Warum Erzbischof Schick für das Bischofshaus einkaufen geht

Nicht ins Hamsterrad zurückfallen

Ein völlig neues Miteinander entwickelt sich in der Corona-Zeit: Menschen sind für einander da, leben die Nächstenliebe. Das müssen wir nach der Krise beibehalten, sagt Erzbischof Schick. Außerdem: Warum er für das ganze Bischofshaus einkaufen geht.

Erzbischof Schick mit Einkaufstaschen (Erzbistum Bamberg)

DOMRADIO.DE: In unserem Podcast "Himmelklar – Fürchtet euch nicht!" wollen wir an dieser Stelle nach Bamberg schauen, zu Erzbischof Ludwig Schick, den die Corona-Situation genauso betrifft wie uns alle. Wir wollen mal schauen, wie es dort aussieht. Grüß Gott.

Ludwig Schick (Erzbischof des Erzbistums Bamberg): Grüß Gott Ihnen und allen Hörerinnen und Hörern.

DOMRADIO.DE: Es ist ja im Moment so, dass wir eine leichte Entspannung im Land haben. Also die Nachrichten sagen, dass es weniger Corona-Infektionsfälle gibt. Der Staat denkt zunehmend darüber nach, die Geschäfte mehr und mehr zu öffnen. Wie ist bei Ihnen die Lage im Bistum?

Schick: Ja, ich spüre auch, dass die Leute sich über die Erleichterungen freuen. Aber wir müssen auch vorsichtig sein und dürfen jetzt nicht übermütig werden, sondern die Maßnahmen weiter durchhalten, damit wirklich bald wieder Entspannung eintritt und wir in einen anderen Lebensmodus hineinfinden.

DOMRADIO.DE: Jetzt nicht übermütig werden, quasi?

Schick: Das darf nicht sein. Der Übermut ist immer schädlich.

DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn bei Ihnen im Alltag aus? Also ich habe zum Beispiel ein Foto gesehen, dass Sie selber beim Einkaufen zeigt. Wie läuft ein normaler Tag bei Ihnen jetzt ab?

Schick: Der Grund des Tages ist eigentlich gleich. Ich stehe immer um fünf Uhr auf, mache auch jeden Tag meine Joggingrunden und dann beten wir hier im Haus und halten die Eucharistiefeier, wenn ich nicht im Dom bin. Da streamen wir auch die Gottesdienste in ganz kleiner Zahl. Dann arbeite ich viel im Büro und mache hauptsächlich Facebook und Instagram und verkünde dort meine Messages. Ich telefoniere auch sehr viel. Das Büro ist vollbesetzt und eigentlich läuft alles ziemlich normal, außer dass persönliche Begegnungen, Gottesdienste, Firmungen oder Trauungen nicht stattfinden. Aber sonst ist der Tag gut gefüllt.

DOMRADIO.DE: Ich habe das Einkaufen gerade erwähnt. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen?

Schick: Wir sind hier eine kleine Kommunität und ich bin in der Kommunität eigentlich der Fitteste. Deshalb kaufe ich jetzt ein, was ich aber auch früher schon gemacht habe.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie es denn zum Beispiel im Supermarkt? Also ich finde das mit dem Abstand und den Sicherheitsscheiben ist eine bedrückende Situation.

Schick: Ja, ich empfinde das auch so, aber da mich viele Leute kennen, nicken sie mir freundlich zu und es kommt auch mal zu einem Plausch mit dem nötigen Abstand. Also eigentlich finde ich es entspannt, jedenfalls da wo ich zum Einkaufen hingehe.

DOMRADIO.DE: Das ist die richtige Einstellung. Lassen Sie uns einmal auf das Osterfest zurückblicken. Vergangene Woche war das ja für uns alle eine sehr ungewöhnliche Situation, dass man die Ostergottesdienste nicht in Person erleben konnte. Wie ist das bei Ihnen abgelaufen?

Schick: Eigentlich wie jedes Jahr, nur ohne das übliche große Publikum und die Mitfeiernden im Dom. Wir haben alle Gottesdienste, also die Chrisam-Messe, die heilige Messe von letzten Abendmahl, die Karfreitagsliturgie, die Osternacht und am Osterfeiertag so feierlich es eben ging, in der Nagelkapelle in unserem Dom gefeiert. Wir haben das gestreamt und hatten sehr viele Zuschauerinnen und Zuschauer. Es gab sehr viele positive Rückmeldungen. Das haben wir alles gemacht wie immer, auch zur gleichen Zeit, und das ist eigentlich gut angekommen. So konnten wir Ostern feiern – nicht wie üblich, aber es ist nicht ausgefallen. Nur einige Feierlichkeiten konnten nicht stattfinden oder wurden in einer anderen Weise vollzogen.

DOMRADIO.DE: Aber es ist doch bestimmt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man den wichtigsten Gottesdienst des Jahres feiert und man steht in einer leeren Kirche?

Schick: Das ist auch eigenartig und man muss sich wirklich daran gewöhnen. Als ich am Sonntagnachmittag einmal draußen war habe ich eine Familie getroffen, die haben gesagt "Wir haben Sie heute Nacht gesehen, Herr Erzbischof, aber ist das nicht komisch, wenn Sie da immer in ein schwarzes Kästchen schauen?“ Da habe ich gesagt "Ja, das ist schon eigenartig und auch sehr schwer gewöhnungsbedürftig, aber ich habe mir hinter dem Kästchen die vielen Menschen vorgestellt. Dann ging es doch einigermaßen.“

DOMRADIO.DE: Wir übertragen ja regelmäßig Gottesdienste im Internet. Hat sich denn jetzt irgendetwas an dem Ansatz geändert? Wir sind ja jetzt schon einen Monat in der Situation. Sprechen Sie mit den Leuten, die nicht da sind anders als es vielleicht am Anfang war?

Schick: Ja, ich versuche mich immer auf die Leute einzustellen und ihnen etwas Gutes zu sagen, wenn sie zu Hause sitzen und den Gottesdienst mitfeiern. Mir ist es wichtig, dass sie Hoffnung schöpfen aus dieser Zeit, dass sie sich jetzt in den Familien gut annehmen und Verständnis füreinander haben, dass sie etwas miteinander unternehmen, damit ihnen nicht die Decke auf den Kopf fällt. Ich versuche, auf die Situation einzugehen und das gelingt mir auch besser von Tag zu Tag, denke ich wenigstens.

DOMRADIO.DE: Ein Gedanke, der mir in der Osternacht gekommen war ist, dass das ja jetzt eine völlig neue Art von Gemeinde und Gemeinschaft ist, die wir da erleben. Wir sind nicht zusammen, aber trotzdem weiß ich, dass alle Menschen, die mitfeiern, gerade in der gleichen Situation sind wie ich. Wie ist es denn, wenn Sie mit den Leuten in den Gemeinden sprechen, wie stehen die zur aktuellen Situation?

Schick: Die finden das gut, dass wir streamen und uns auf diese Weise begegnen, aber sie wollen auch wieder richtig zusammenkommen und ich finde das auch normal. Wir dürfen uns nicht auf die virtuelle Gemeinschaft jetzt einlassen und beschränken. Es gehört zum Leben, dass wir uns begegnen, anschauen, miteinander beten und singen, uns freuen und lachen, auch weinen und uns trösten, aber das muss von Mensch zu Mensch geschehen. Deshalb sind diese Formen für Notsituationen gut, ja sogar sehr gut, aber dürfen nicht zum Normalfall werden. Das normale im menschlichen und christlichen Leben ist Begegnung, soziales Miteinander, sich von Mensch zu Mensch begegnen und miteinander das tun, was wichtig ist für uns.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat ja im Prinzip das Gleiche gesagt. Er hat auch davor gewarnt, dass wir als Christen uns nicht nur digital begegnen sollen. Es ist jetzt schwierig zu spekulieren, aber man muss sich ja Gedanken machen wie es weitergehen wird, wenn sich die Gesellschaft mehr und mehr öffnet. Ich kann es mir zum Beispiel schwierig vorstellen, dass wir im Gottesdienst wieder Kommunion machen können. Alleine aus Hygienegründen. Gibt es da denn schon Überlegungen, wie so etwas passieren kann?

Schick: Wir sind dabei zu überlegen, auch hier mit den Bayerischen Bischöfen, wie wir das handhaben können. Wir haben das angesprochen, aber haben noch keine wirklich validen Ergebnisse. Wir müssen darüber noch weiter sprechen, aber irgendeine Möglichkeit werden wir finden.

DOMRADIO.DE: Haben Sie sonst schon Vorbereitungen für die erneute Öffnung der Kirchen getroffen?

Schick: Ja, wir warten jetzt, was unsere Landesregierung entscheidet und wir hoffen, dass wir bald Gottesdienste feiern können. Das wird sicher in kleineren Zahlen stattfinden, zum Beispiel mit denen, die die Messe bestellt haben für ihre Verstorbenen oder für ihre Anliegen. Die könnten dann dazu kommen und dann auch stellvertretend für alle anderen mitfeiern. Es werden Möglichkeiten gefunden, da bin ich ziemlich sicher. Aber wir wollen, dass auch unbeschränkt und unbegrenzt alle kommen können und jetzt müssen wir diese Zeit durchstehen und alles auf uns nehmen, damit es dann wieder in Freiheit weitergehen kann.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben wir auch den Weißen Sonntag, der ansteht am jetzigen Sonntag. Kommunion ist ja auch eine wichtige Frage und ist in diesem Jahr nicht so richtig möglich. Wie gehen Sie im Bistum damit um?

Schick: Die Kommunionfeiern sind jetzt alle abgesagt bzw. verlegt, aber wir wissen ja noch nicht, wann wir sie halten können. Ich werde am Sonntag im Dom über den Livestream die Kommunionkinder grüßen und sie auch ein wenig trösten und ihnen sagen, dass sie das jetzt mit ihren Familien annehmen sollen und müssen. Vielleicht auch noch einmal die Zeit nutzen, um das Eigentliche und Wesentliche der Kommunion zu entdecken, nämlich, dass sie Jesus Christus  begegnen, dass er auch der ist, der ihr Lebenspartner oder Lebensfreund werden will. Wenn das noch etwas tiefer in die Kommunionkinder eingeht, dann hat vielleicht auch diese Zeit jetzt und der Verzicht am Weißen Sonntag einen Sinn und einen Wert.

DOMRADIO.DE: Das ist ja sowieso ein Gedanke, den man immer mehr hört. Man soll nicht nur die Krise sehen, sondern auch die Chance für ein neues Miteinander, die darin steckt.

Schick: Genau, das sehe ich auch so und es hat sich ja schon einiges getan. Es gibt auf einmal Hilfsbereitschaft, die wir vorher nicht kannten, das Interesse der Nachbarn füreinander und die Solidarität. Man hat zusammen Spaß, in dem man von Balkon zu Balkon miteinander musiziert und sich Geschichten erzählt. Das ist etwas, das wir jetzt entdecken und was wir hoffentlich dann, wenn es mal wieder weitergeht und anders weitergeht, dass wir das dann auch behalten. Es wäre ja schlimm, wenn sich das Hamsterrad wieder voll dreht. Jetzt haben wir die Chance das Leben anders zu gestalten. Das sollten wir nutzen und dann mitnehmen in die Zeit.

DOMRADIO.DE: Herr Erzbischof, die Frage, die ich jedem zum Schluss stellen möchte ist eine ganz simple: Was erleben Sie im Moment in Ihrem Alltag, das Ihnen Hoffnung bringt?

Schick: Also Hoffnung bringt mir vor allen Dingen auch die Begegnung mit den anderen Menschen und ihre Nachdenklichkeit. Am Telefon höre ich das immer wieder, Menschen sind nachdenklich geworden. Was ist der Sinn des Lebens? Wofür lohnt es sich, sich einzusetzen? Auf was kann ich verzichten? Wo kann ich auch genügsamer leben? Wie kann ich mein leben gestalten und mehr Gemeinschaft pflegen? Also diese Nachdenklichkeit und das, was dabei herauskommt, das macht mich hoffnungsvoll.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Hinweis:

Das Interview ist Teil des Podcasts Himmelklar – ein überdiözesanes Podcast-Projekt koordiniert von der MD GmbH in Zusammenarbeit mit katholisch.de und DOMRADIO.DE. Unterstützt vom Katholischen Medienhaus in Bonn und der APG mbH. Moderiert von Renardo Schlegelmilch.

 


Podcast: Himmelklar - Fürchtet Euch nicht (MDG)
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