Die Bomben forderten drei Menschenleben. "Nur ein paar Meter vom Tod entfernt" - so beschreiben die Journalisten das Erlebte auf ihrer Homepage. In Nigeria ist seit Monaten kein Tag mehr vergangen, an die Terroristen nicht für irgendwelche Schlagzeilen sorgten. Mal waren es Bombenanschläge in Kano oder Maiduguri, mal geplante Verhandlungen zwischen der Gruppe und der nigerianischen Regierung. Letztere sind ohne große Überraschungen im Sande verlaufen. Die Attentate fanden Verurteilung in den nigerianischen Medien; diese erinnerten die Regierung aber auch daran, dass sie in der Verantwortung stehe und Boko Haram nicht länger ignorieren dürfe.
Nun richtet sich der Zorn von Boko Haram gegen die Medien. Der "Premium Times" - einer bislang eher unbekannten Online-Zeitung - soll Boko-Haram-Sprecher Abul Qaqa in einem Interview erklärt haben, weshalb auch die Medienhäuser ins Visier geraten sind: "Wir haben Journalisten darauf hingewiesen, dass sie objektiv sein sollen. Das ist ein Krieg zwischen uns und der Regierung."
Boko Haram vergisst nicht
Dass sich die Gruppe ausgerechnet für "This Day" als Anschlagsziel entschieden hat, könnte noch einen weiteren Grund haben: Qaqa wird mit den Worten zitiert, die Zeitung habe einst "den Propheten Mohammed beleidigt". Das habe Boko Haram ihr nicht vergessen. Die Aussage ist nebulös; wahrscheinlich spielt sie auf die blutigen Ausschreitungen 2002 an. Damals sollte in Nigeria die Wahl zur "Miss World" stattfinden - ausgerechnet, so empfanden es viele Muslime, im Fastenmonat Ramadan, in dem Sex tabu ist.
"This Day" veröffentlichte damals den Beitrag einer jungen Journalistin; sie schrieb, vielleicht hätte sogar Mohammed eine der Kandidatinnen zur Frau gewählt. Nach der Veröffentlichung kam es zu tagelangen Ausschreitungen. Besonders betroffen war die Stadt Kaduna. Mehr als 100 Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Die Journalistin wurde gemäß der Scharia, die in den nördlichen Bundesstaaten um 2000 eingeführt wurde, zum Tod durch Steinigung verurteilt. Sie konnte aus Nigeria fliehen.
Wenn sich die Anspielung tatsächlich darauf bezieht, zeigt das: Boko Haram vergisst nicht. Auch viele Jahre später ist die Gruppe noch bereit, Rache zu üben. Und das könnte vielleicht auch andere Medienhäuser treffen. Abul Qaqa will das nicht ausschließen. Allerdings lässt sich kaum erhärten, ob angebliche Boko-Haram-Sprecher tatsächlich zu dieser Organisation gehören.
Immer mehr Guerillagruppe
Dieses Problem stellt sich Journalisten ebenso wie Polizisten. Auch der Joint Task Force (JTF), jener Spezialeinheit, die im Kampf gegen die Terroristen helfen soll. Immer wieder erhalten sie Anrufe mit unterdrückten Telefonnummern von Personen, die sich als Vertreter von Boko Haram ausgeben. Nie ist klar, ob das stimmt. Experten rechnen mit einer hohen Zahl von Trittbrettfahrern.
Diese überfallen etwa als angebliche Boko-Haram-Mitglieder Banken - obwohl sie mit der Gruppe nichts zu tun haben. Mitunter ist es aber auch die echte Boko Haram, die sich auf diesem Weg Mittel beschafft. Abdul Hussaini, Leiter der Hilfsorganisation "ActionAid" in Nigeria, sieht darin ein Zeichen, dass sich Boko Haram immer mehr zu einer Guerillagruppe entwickelt; dass sich die Gewaltspirale immer weiter dreht. Boko Haram, sagt Hussaini, "ist eine Gruppe, die extrem nach Aufmerksamkeit sucht". Und die wird sie wohl tatsächlich weiterhin erhalten.
In Nigeria greift Boko Haram nun auch Presseunternehmen an
Im Namen des Koran gegen die Medien
Nach Polizeistationen, militärischen Einrichtungen, Kirchen und dem UN-Hauptquartier hat es in Nigeria Anschläge auf die Redaktionen der Tageszeitung "This Day" gegeben. Boko Haram bekannte sich dazu. Der Vorgang zeigt, wie unberechenbar die islamistische Terrorgruppe geworden ist.
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