Der Weg zum Nikolaus führt tief in den hintersten Zipfel des Saarlands bis kurz vor Frankreich. Das Dorf St. Nikolaus, umringt von Wald und Wiesen, verwandelt sich ab Mitte November zu einem Festspielort für seinen Namenspatron. Aus aller Welt kommen Briefe an den Nikolaus an - und werden von etwa 45 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern beantwortet.
"Der erste Brief läutet für mich immer die Vorweihnachtszeit ein", sagt Michelle Tabellion (25). Seit vier Jahren liest und beantwortet sie Briefe von Kindern an den Nikolaus. Manche Kinder malten dazu ein Bild, andere legten ihrem Brief ein Foto oder einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann bei, wieder andere etwas Gebasteltes oder ein kleines Geschenk. "Erstaunlich oft liegt ein Teebeutel im Umschlag", sagt Tabellion.
Jeder Brief wird beantwortet
"Schön ist auch, wenn man das Kuvert öffnet und sich Glitzer im ganzen Raum verteilt", lacht sie. Bis Weihnachten sitze sie mindestens zwei Stunden pro Tag an den Antworten; zwischen 50 und 100 Briefen gingen dann täglich über ihren Schreibtisch. Tabellion und die anderen Helfer lesen die Briefe, wählen ein Antwortschreiben auf eigens gestaltetem Briefpapier aus und adressieren die Briefe. Im Postamt erhalten sie dann den Nikolaus-Sonderstempel und werden verschickt.
Rund um das Nikolauspostamt stehen die Zeichen auf Weihnachten: rot gestrichene Holzbuden rahmen den Platz ein, dazu schmücken zahlreiche Lichterketten, Tannenzweige und Kugeln den Platz und das Postamt. Ein meterhoher, mit goldenen Kugeln und roten Schleifen verzierter Tannenbaum zieht die Blicke auf sich. An der Tür des Nikolauspostamts zählt ein Countdown die Sekunden, Minuten, Stunden und Tage bis zur Öffnung des Postamtes am 5. Dezember runter.
Mehr als 30.000 Briefe werden erwartet
Im Postamt stapeln sich bereits gelbe Postkisten mit unzähligen Briefen. Auf einigen Kuverts klebt ein Aufkleber mit weihnachtlichem Motiv, andere ziert eine Zeichnung. Etwa 10.000 Briefe trudelten in diesem Jahr bereits in St. Nikolaus ein. "Bis Weihnachten werden es wohl deutlich mehr als 30.000 Briefe sein", meint die Leiterin der Kinderbriefaktion, Sabine Gerecke.
Wer möchte, kann seinen Brief auch vor Ort schreiben. Hin und wieder ist auch der Nikolaus im Postamt anzutreffen. Zehn Minuten braucht Rudolf Langer, um in sein Kostüm zu schlüpfen: weißes Untergewand mit goldener Kordel um die Hüfte, langer lilafarbener Umhang, spitze Mitra, bis zur Brust wallender weißer Lockenbart, dazu ein goldfarbener Nikolausstab. "Ich bin ein sehr freundlicher Nikolaus", meint er. Und oft ein sitzender: Denn mit Mitra auf dem Kopf überragt er die Kinder um Längen und sei wohl auch etwas einschüchternd.
Zuschriften aus der ganzen Welt
Bereits 1966 tauchten in St. Nikolaus nach Angaben der Deutschen Post erste Nikolaus-Briefe auf. 2005 wurde dort offiziell das Nikolauspostamt eingerichtet; deutschlandweit gibt es sechs weitere ähnliche Postämter. St. Nikolaus ist auf internationale Briefe eingestellt: Antworten gibt es außer auf Deutsch auch auf Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Mandarin, Polnisch, Russisch, Ukrainisch und in Brailleschrift für Menschen mit Sehbehinderung. Neu ist in diesem Jahr ein QR-Code im Brief, mit dem sich Kinder die Antwort des Nikolaus und die Nikolaus-Geschichte auch vorgelesen lassen können.
Für viele Kinder sei ein Brief im Briefkasten ein Highlight, meint Briefaktion-Helferin Bianca Weber. "Sonst kommt ja das meiste per E-Mail." Die Kinder selbst schrieben vor allem darüber, was sie sich zu Weihnachten wünschen und was sie im Alltag erleben.
Fragen an den Nikolaus
Zuweilen erzählten sie auch von traurigen Ereignissen und Schicksalsschlägen. Etwa, dass sie ihren Papa im Himmel vermissen oder dass die Oma sehr krank sei. Kummer-Briefe nennen sie diese Schreiben im Postamt; sie werden handschriftlich von drei Frauen mit viel Erfahrung beantwortet.
Oft stellten Kinder auch Fragen an den Nikolaus. Hoch im Kurs etwa: Hast du eigentlich eine Frau? Was machst du im Sommer? Und: Kennst du den Weihnachtsmann persönlich? Angekommen seien in diesem Jahr bereits auch einige Briefe von mutmaßlich geflüchteten Kindern aus der Ukraine. "Da steht dann, dass sie ihren Papa in der Ukraine vermissen oder dass sie sich Frieden wünschen", berichtet Weber.