Es ist die stillste Karnevalszeit, an die ich mich als Kölner erinnern kann. Sonst tobt rings um das Bischofshaus der Karneval, die fünfte Jahreszeit. Sie könnten meine Worte akustisch vor lauter Feiern kaum verstehen. Aber dieses Jahr? Dass Karneval wegen einer Pandemie ausfallen könnte, das wäre letztes Jahr noch undenkbar gewesen.
Wir hätten das Feiern, den Spaß, die Gemeinschaft gut gebrauchen können. Endlich mal wieder normal. Endlich mal wieder sechs Tage lang das Leben feiern.
Und jetzt beginnt am kommenden Mittwoch schon die Österliche Bußzeit. Einfach so. Als wenn nicht das ganze letzte Jahr so etwas wie eine Bußzeit gewesen wäre – eine Zeit der Besinnung – erzwungen durch die Pandemie. Ein Jahr, eine lange Zeit, in der wir darüber nachsinnen mussten, wie wir nicht krank werden. Wie wir die soziale Distanz aushalten. Was uns wichtig ist und war im Leben. Und: Wo wir unser Leben ändern müssen, wenn wir Gott wieder näherkommen wollen. Trotz aller guten Gedanken –Das Schwierigste daran ist, dass wir nicht wissen, wie lange noch. Das kann entmutigen. Und es hat auch bei mir Spuren hinterlassen. Ich habe mir für die Fastenzeit vorgenommen, mir darüber Gedanken zu machen, wie wir in Zukunft miteinander reden können. Wie wir in Gemeinschaft bleiben, auch wenn wir gegensätzlicher Meinung sind. Ich möchte Menschen noch mehr zuhören. Also, wenn es nach mir ginge: Lassen Sie die Fastenzeit nicht ausfallen. Denn da haben wir ein Ziel vor Augen: Ostern. Unsere Erlösung durch Christus. Die Auferstehung. Die Verheißung, dass alles ein gutes Ende finden kann. Da haben wir etwas, worauf wir uns freuen können. Der Kölner würde sagen: nix bliev wie et wor.
Deswegen: lassen Sie auch Karneval nicht ausfallen. Gönnen Sie sich etwas, bevor die Fastenzeit beginnt. Natürlich keine Corona-Party, aber tun Sie sich was Gutes. Gutes Essen, pflegen Sie sich selbst und Ihre Seele. Zelebrieren Sie das. Das mag kein Ersatz für Karneval sein, aber es kann zumindest guttun in dieser Zeit.
Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln