Es ist schon ein Kreuz mit dem Gesetz von 1905. Eigentlich sollten Kirche und Staat 111 Jahre nach ihrer Trennung besser zusammenarbeiten, zumindest zum 11.11. Doch der Teufel ist ein Eichhörnchen. Und so veranstaltet die Erzdiözese Tours zum Höhepunkt des Martinsjahres am Donnerstagabend vor der Kathedrale Saint-Gatien einen traditionellen Laternenzug der Kinder, in Anlehnung an die alte Martinstradition in Deutschland.
Und zeitgleich sind die Bürger von den Stadtoberen aufgefordert, sich zur zentralen Brücke Pont Wilson am Loire-Ufer einzufinden: Dort trifft (symbolisch) der heilige Martin ein, Bischof von Tours im 4. Jahrhundert.
Symbolische Überführung
Seit Mittwochmorgen sind eine Martinsstatue und ein halber Mantel von Candes aus auf dem Weg gewesen, an Bord mehrerer Holzboote einer Schifferbruderschaft, die eine historische Szene nachstellten. Am 8. November 396/97 war der heilige Bischof bei einem Pfarreibesuch gestorben - und die Bürger von Tours mussten schon auf Entführung des Leichnams zurückgreifen, um ihren begehrten Heiligen zurückzubekommen. Auf der Loire wurde er damals vorsichtig zurückgetreidelt, um dann, drei Tage später und 50 Kilometer weiter, in seiner Bischofsstadt beigesetzt zu werden.
Die Rückkehr der Statue ist nun ihrerseits symbolisch. Von einem Künstler aus Tours 1996, zum 1.600. Todestag geschaffen, stand sie 20 Jahre lang in der Basilika von Candes. Die Idee ist nun, dass sie die nächsten 20 Jahre in der Martinsbasilika von Tours verbringt, als Zeichen historischer Verbundenheit.
Illumination der Statue
Schon kurz nach der Schiffsparade am Loire-Ufer stand vor der Basilika der nächste Höhepunkt des Gedenkjahres zum 1.700. Geburtstag Martins an: die feierliche Illumination der restaurierten Statue auf der Kuppel der Basilika, in Anwesenheit von Erzbischof Bernard-Nicolas Aubertin und Bürgermeister Serge Babary. Anfang 2014 hatte ein Sturm die Verankerung der Martinsstatue auf der Kuppel der Basilika beschädigt. Sie wurde entfernt und erhielt im Zuge der Renovierung einen neuen Sockel und einen neuen Anstrich. Vor wenigen Tagen wurde sie zurück auf die Spitze der Kuppel gesetzt.
Die Martinskirche von Tours ist der Nachfolgebau einer großen mittelalterlichen Basilika, die über Jahrhunderte eine zentrale Station auf dem Jakobsweg und eines der wichtigsten Pilgerziele Europas war. Nach den Religionskriegen verfiel der romanische Bau und wurde nach der Französischen Revolution fast komplett abgerissen.
Nach langen, sogar handgreiflichen Auseinandersetzungen in den laizistischen 1880er Jahren entschied man nach der Wiederauffindung der Martinsreliquien, eine neue Basilika zu errichten. Sie entstand zwischen 1886 und 1924.
Staatlicher Feiertag in Frankreich
Warum der Martinstag (11. November) inzwischen von einem ganz anderen Ereignis überdeckt ist, kann man in der Krypta der Basilika entdecken, ganz nahe beim Grab des Heiligen. Dort ließ der Oberkommandierende der Westalliierten, Marschall Ferdinand Foch, eine Danktafel für den Sieg im Ersten Weltkrieg anbringen. Sie trägt das Datum der Unterzeichnung des Waffenstillstands: den 11. November 1918. Experten schließen nicht aus, dass der tief katholische Südfranzose Foch den Tag der deutschen Kapitulation ganz bewusst auf Martini legte - hatte er doch kurz zuvor noch in einer Martinskirche dafür gebetet.
Seitdem ist der 11. November in Frankreich staatlicher Feiertag: "Armistice" (Tag des Waffenstillstands). So ist das mit Staat und Kirche in Frankreich. Und so ist auch der erste Gottesdienst am Freitagmorgen in der Martinsbasilika - eine Soldatenmesse mit allen Pauken und Trompeten. Aber schließlich war der heilige Martin am Anfang auch mal ein Soldat, bis er seinen Mantel mit einem anderen teilte.