Norbert Blüm kritisiert die Familienpolitik seiner Partei CDU

"Wir müssen bei Ehe immer Familie mitdenken"

Das Ehegattensplitting soll nun auch für homosexuelle Paare gelten, die Ehe wird kaum noch besonders gefördert. Der ehemalige Sozial-und Arbeitsminister Norbert Blüm kritisiert im domradio.de-Interview die Familienpolitik seiner Partei CDU.

Norbert Blüm (KNA)
Norbert Blüm / ( KNA )

domradio.de: Was genau läuft denn für Sie falsch, wenn Sie sich die Familienpolitik Ihrer Partei anschauen?

Blüm: Also, Ehe und Familie, das sind die letzten Stabilisatoren in einer wild gewordenen Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der Verlässlichkeit immer mehr schwindet, in der wir in einer Turbulenz der Veränderung leben, da muss es Orientierungspunkte geben, Verlässlichkeit. Und wenn die Ehe ein Zweierbündnis ist wie viele andere auch, dann verliert sie diesen Orientierungsgrad und das ist nicht nur so eine akademische Frage. Beispielsweise Ehegattensplitting: Da wird also das Einkommen der beiden Ehepartner gemeinsam versteuert und nicht jedem einzeln zugerechnet. Dahinter steht ja mehr als nur eine steuertechnische Frage. Dahinter steht die Idee, der ich mich verpflichtet fühle, die Ehe ist eine Gemeinschaft, da geht es nicht um "mein" und "dein", da geht es um "unser". Beispielsweise das Geld, das ich verdient habe, hat meine Frau immer mitverdient. Ich hatte nie die Idee, dass ich der Verdiener bin, wir haben das zusammen organisiert. Und meine Mutter, die hatte nie die Idee, dass sie auf Kosten meines Vaters lebt, das war eine Gemeinschaftskasse. Wenn das alles auseinander genommen wird und zwei sich nur zur Maximierung ihrer Einkommensverhältnisse zusammentun, dann ist die Ehe nur noch so eine Wirtschaftsgemeinschaft. Insofern geht es mehr als nur um Geld, es geht darum: ist Ehe und Familie etwas anderes als eine Aktiengesellschaft. Und was jetzt den Vergleich mit der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft angeht - ich habe großen Respekt vor gleichgeschlechtlichen Partnern, die sich wechselseitig unterstützen, die Treue halten und manchmal mehr Solidarität für und miteinander entwickeln als in vielen Ehen - trotzdem sind sie keine Ehe und Familie, weil Ehe und Familie ist vom Sinn dieser Einrichtung auf das Weiterleben der Gesellschaft orientiert. Das ist der finale Grund der Ehe. Und das kann eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft der Natur halber schon nicht. Also, wir müssen bei Ehe immer auch Familie mitdenken. Immer, dass sie auf Kinder gerichtet ist, und Kinder, das sind die großen Vergessenen, in einer Gesellschaft, in der es nur ums Geld geht.

domradio.de: Sie kritisieren ja auch das Bundesverfassungsgericht für seine Entscheidung zum Ehegattensplitting. Welche Möglichkeiten gäbe es denn für Ihre Partei nach diesem richterlichen Spruch, die heterosexuelle Ehe, aus der in der Regel eben mehr Kinder entstehen als aus einer homosexuellen Ehe, besonders zu fördern?

Blüm: Zunächst mal würde ich das Thema nicht nur auf Geld beschränken. Geld allein heilt das Problem nicht. Wenn Geld die Rettung wäre, dann müssten ja die einkommenshöheren Ehen sehr stabil sein, sind sie aber nicht. Also, von der Einkommenshöhe hängt noch nicht die Stabilität der Familie ab, da hätte ich umgekehrte Beispiele. Dennoch muss man auch aus Gerechtigkeitsgründen die Frage stellen - das ist dann nicht nur ehespezifisch, sondern auf Kinder gerichtet - wer sorgt für das Überleben der Gesellschaft? Das sind die Eltern. Und das ist eine Leistung, die sie erbringen nicht nur für sich, sondern für alle, beispielsweise die Rentenversicherung, davon verstehe ich etwas. Ohne Kinder ist die übermorgen zahlungsunfähig. Da können Sie organisieren, wie Sie wollen. Immer bezahlen die Jungen für die Alten. Keine Reform kann das verändern. Und da müsste es einen stärkeren Lastenausgleich geben, das haben wir begonnen, da bin ich auch ganz stolz drauf, dass wir Kindererziehungszeiten zum ersten Mal eingeführt haben, damit Erziehung in der Rente überhaupt gewertet haben. Trotzdem ist es ungenügend. Deswegen wiederhole ich meinen Vorschlag, den ich schon `97 gemacht habe und der auch nicht bei mir gewachsen ist, nämlich den Vorschlag, dass wir der Rentenkasse eine Familienkasse gegenüberstellen. Das war die Idee von Oswald von Nell-Breuning und Schreiber, Bund katholischer Unternehmer, schon `57, der Alterskasse eine Kinderkasse gegenüberzustellen, mit der Plausibilität, es sind immer drei Generationen, die den Generationenvertrag bilden. Und in diese Kinderkasse zahlen dann diejenigen, die keine Kinder haben, mehr ein als die, die Kinder haben. Denn die, die Kinder haben, sorgen ja dafür, dass die, die keine Kinder haben, übermorgen überhaupt noch Rente bekommen. Also, eine stärkere Systematik und ich würde damit verbinden auch eine stärkere Übersichtlichkeit. Mit diesen ganzen familienpolitischen Häkchen, dort ne Ermäßigung und dort ne Vergünstigung und dort ne Steuer, das überschaut ja kein Mensch mehr. Ganz plausibel die Bündelung. Wie die Eltern mit ihrem Geld umgehen, da sind wir doch nicht dauernd der Vormund der Eltern, das sollen die machen. Aber einen stärkeren Gerechtigkeitsausgleich zwischen Alt und Jung, zwischen denen, die Kinder haben und denen, die keine Kinder haben.

domradio.de: Auf welche Reaktionen stoßen Sie denn mit Ihren Vorschlägen in Ihrer Partei?

Blüm: `97 hat das die Rentenkommission der CDU, die ich geleitet habe, beschlossen. Der Vorstand war anderer Meinung. Sie sehen, ich bin hartnäckig, ich wiederhole etwas und will ausdrücklich nochmal sagen, dass es gar nicht aus meiner Quelle stammt, sondern aus den grundlegenden Reformen `57, Oswald von Nell-Breuning und Schreiber, Rentenreform auf drei Generationen gestützt. Da hat der alte Adenauer gesagt, an Kinder brauchen wir nicht zu denken, Kinder gibts immer. Das hat zwar für die damalige Zeit noch einigermaßen gestimmt, das stimmt heute nicht mehr. Also fordere ich einen systematischen Generationenausgleich, und zwar nicht auf tausend Töpfchen und Vorschriften beschränkt, sondern der Alterskasse Rente eine Kinderkasse für die Jungen gegenüberzustellen und in diese Kinderkasse zahlen die ein, die keine Kinder haben.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR