Norwegischer Lutheraner Olav Fykse Tveit steht künftig an der Spitze des Weltkirchenrates

Europäer folgt auf Afrikaner

Ein Lutheraner aus Norwegen steht in Zukunft an der Spitze des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Der 48-jährige Olav Fykse Tveit folgt dem Kenianer Sam Kobia (62) in dem höchsten Amt, das die weltweite Ökumene zu vergeben hat. Tveit setzte sich am Donnerstag auf der Tagung des Zentralausschusses in Genf gegen den 1948 geborenen Park Seong Won von der reformierten Presbyterianischen Kirche von Korea durch. Er ist ein Mann des Ausgleichs.

Autor/in:
Stephan Cezanne
Ein Mann des Ausgleichs: Olav Fykse Tveit (epd)
Ein Mann des Ausgleichs: Olav Fykse Tveit / ( epd )

Der neue Generalsekretär des Weltkirchenrates, der rund 560 Millionen Christen weltweit repräsentiert, tritt sein Amt voraussichtlich Anfang 2010 an. Die Amtszeit beträgt in der Regel fünf Jahre.

«Tveit hat genau die Qualifikationen, die der Weltkirchenrat jetzt braucht», urteilt Pfarrerin Stephanie Dietrich von der Kirche von Norwegen. Die aus Deutschland stammende Theologin ist stellvertretende Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Sie lebt und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in dem nordeuropäischen Königreich.

Der designierte ÖRK-Generalsekretär Tveit sei nicht nur ein freundlicher und ausgeglichener Mensch - «Ich kenne niemanden, der mit ihm im Streit liegt» -, sondern auch ein erfahrener Kirchendiplomat und ein durch eine Promotion über das Thema Glaube und Kirchenverfassung ausgewiesener Theologe. Er könne seine Position deutlich vertreten, ohne zu polarisieren. Dietrich: «Ich denke, Tveit kann durch seine Leitungserfahrung klar dazu beitragen, dass der Weltkirchenrat gut funktioniert.»

Gerade was Effizienz und Leistungsfähigkeit angeht, hatte der ÖRK in der Vergangenheit einen schlechten Ruf. Zu langsam und zu schwerfällig sei die vor rund 60 Jahren gegründete Organisation, wird beklagt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Ansätze zu Reformen. Dennoch warnen Kenner eindringlich vor einem weiteren Bedeutungsverlust des Weltbundes, der in den 70er und 80er Jahren mit wichtigen Impulsen für die Umwelt- und Friedensbewegung sowie dem Kampf gegen Rassismus vor allem in Südafrika seine wohl einflussreichste Zeit hatte.
Tveit, verheirateter Vater von drei Kindern, soll der nach wie vor wichtigsten Organisation der nicht-katholischen Christenheit wieder zu mehr Ansehen verhelfen. Dazu bringt der dynamisch wirkende Skandinavier mit dem jungenhaften Gesicht gute Voraussetzungen mit. Seit 2002 ist er Generalsekretär des Rates für ökumenische und internationale Beziehungen der lutherischen Kirche von Norwegen. Zuletzt engagierte er sich für Versöhnung und Frieden im Nahen Osten.

Der Lutheraner verfügt trotz seines relativ jungen Alters über vielfältige ökumenische Erfahrungen und war mehrfach Mitglied von Delegationen des Weltkirchenrates. Nach dem deutschen Theologieprofessor Konrad Raiser, der von 1993 bis 2003 ÖRK-Generalsekretär war, rückt nun erneut ein Europäer auf den Spitzenposten des Zusammenschlusses von rund 350 Kirchen aus über 110 Ländern.

Tveit bringt aus seiner Kirche eine besondere Arbeitskultur mit. «Hier gibt es flacherere Hierarchien und mehr Partizipation, anders als in vielen anderen zentral- und südeuropäischen Ländern», bemerkt Stephanie Dietrich. Obwohl fast 90 Prozent der Norweger der lutherischen Kirche angehören, die vor kurzem noch eine Staatskirche mit dem König als Oberhaupt war, gebe es eine große Sensibilität für den Dialog mit Minderheitenkirchen und auch anderen Religionen wie dem Islam, betont Dietrich.

Dietrich beschreibt Tveit, der in seiner Kirchenkarriere vom
Gemeinde- bis zum Militärpfarrer viele Stationen durchlief, als «gut lutherisch», das heißt konservativ und zugleich weltoffen. Mit diesem Hintergrund könnte er auch im Weltkirchenrat vermitteln, in dem sich orthodoxe und liberale protestantische Kirchen in theologischen und ethischen Fragen - vor allem in der Sexualethik - häufig unversöhnlich gegenüberstehen.

Ein Zukunftsthema für den ÖRK sieht Tveit im Dialog mit dem Islam. Der Rat «darf die Kirchen in mehrheitlich muslimischen Ländern in ihrem Zusammenleben mit Muslimen nicht allein lassen», sagte er der Wochenzeitung «Rheinischer Merkur». Für Kirchen etwa im Nahen Osten sei es wichtig, im Umgang mit den Muslimen die Unterstützung der weltweiten Kirchen zu haben. «Aber wir dürfen nicht durch unbedachte Äußerungen Spannungen verstärken.»