domradio.de: Flächendeckender Islamunterricht an den Schulen in NRW - wieso ist der Ihrer Meinung nach wichtig?
Sylvia Löhrmann (NRW-Schulministerin): Das ist insofern wichtig, als zugewanderte Kinder mit muslimischem Hintergrund schon seit Jahrzehnten in NRW zur drittgrößten Glaubensgemeinschaft gehören. Da wir in NRW den Religionsunterricht mit Verfassungsrang schon für die christlichen, jüdischen und die alevitischen Gläubigen haben, ist es nur folgerichtig, dass wir Religionsunterricht natürlich auch für die muslimisch gläubigen Schülerinnen und Schüler anbieten müssen. Ich bin sehr froh, dass wir dafür mit CDU, SPD und den Grünen auch eine gesetzliche Grundlage geschaffen haben.
domradio.de: Ein Stück gelebte Integration also. Klingt gut, aber gibt's denn dafür Lehrer und Lehrerinnen?
Löhrmann: Die Frage ist natürlich berechtigt. Aber was wäre, wenn ich erstmal ganz viele Lehrer ausgebildet hätte und dann keine gesetzliche Grundlage gehabt hätte, um das Fach in die Schule und den Unterricht zu bringen? Also mussten wir erst die Verständigung und das Gesetz haben. Jetzt gehen wir schrittweise vor. Die Lehrkräfte, die bisher im Modellversuch und im Fach Islamkunde gearbeitet haben, bekommen jetzt über den Beirat ihre Lehrbefähigung und mit ihnen arbeiten wir. Es ist auch gut, dass wir, auch Dank damaliger Absprachen mit Ministerin Schavan, noch den Lehrstuhl in Münster-Osnabrück haben, wo grundständig Lehrer und Lehrerinnen für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden: In deutscher Sprache und nach unseren Lehrplänen, die auch im Beitrat entwickelt worden sind.
domradio.de: Wenn Sie schrittweise sagen, wann wird sich da was tun?
Löhrmann: 2017 kommen die ersten Referendarinnen und Referendare aus der ersten Phase der Lehrerausbildung. Das wird schon eine deutliche Verstärkung sein, die haben ja auch noch ein anderes Fach. Die sollen ganz normale Lehrerinnen und Lehrer werden. Wir bauen jetzt Schritt für Schritt das Angebot aus und haben schon einige tausend Schülerinnen und Schüler, die das Fach belegen können. Die Erfahrungen, die ich in den Schulen erlebe, sind sehr ermutigend. Es ist ein Zeichen der Anerkennung nach dem Motto: "Ihr habt auch Religionsunterricht wie die anderen Kinder mit einem anderen Bekenntnis." Es ist aber auch ein großes Zeichen der Integration. Eine Schulleiterin in Duisburg hat erzählt, dass ihr die Eltern rückmelden: "Wir können zum ersten Mal durch unsere Kinder in der deutschen Sprache mit unseren Nachbarn über unsere Religion sprechen". Darin liegt auch die große Bedeutung für den interreligiösen Dialog, für das Verstehen und das friedliche Miteinander der Religionen.
domradio.de: Sie saßen mit Vertretern mehrerer Glaubensrichtungen zusammen und haben eine Erklärung zum Thema unterschrieben. Was steht da sonst noch drin - wie wird sich der Religionsunterricht insgesamt entwickeln in NRW?
Löhrmann: Wir haben grundsätzlich einen modernen Religionsunterricht. Wir haben den Grundsatz, auch wenn jemand einem Bekenntnis angehört, soll er oder sie natürlich etwas über andere Religionen lernen. Das habe ich übrigens in meinem eigenen Religionsunterricht an einer katholischen Schule auch selber schon so positiv erfahren. Man soll sich dann mit anderen Religionen auseinandersetzen, soll Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten erkennen. Das ist gerade bei den abrahamitischen Religionen der Fall. Darüber zu sprechen, das zu vertiefen, ist ein Wesensmerkmal eines guten kompetenzorientierten Religionsunterrichts. Da ist es natürlich sehr toll, dass wir bundesweit einmalig hier in dieser Woche im Parlament in Düsseldorf mit allen Glaubens- und Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Erklärung zu diesem Ansatz des Religionsunterrichtes erarbeitet und feierlich unterzeichnet haben. Das ist ein starkes Zeichen für Integration, Vielfalt und für Zusammenhalt. Und ein Zeichen gegen so viel Hass, der leider bezüglich der Religion im Moment in unserer Gesellschaft eine Rolle spielt.
domradio.de: Dazu gibt es auch die Gegenbewegung: Nämlich zu sagen, wir unterrichten alle Kinder nicht-konfessionsgebunden im Fach Ethik. Das ist für Sie keine Möglichkeit?
Löhrmann: Aufgrund der Erklärung habe ich jetzt auch schon Schreiben bekommen, dass es selbstverständlich keinen Zwang zum Religionsunterricht gibt. Nichts anderes sieht unsere Verfassung auch vor. Humanistisch geprägte Menschen oder junge Erwachsene können, wenn sie religionsmündig sind, frei entscheiden. Wir wollen, dass alle Kinder nicht nur im Religionsunterricht einen ethisch werteorientierten Unterricht erfahren. Selbstverständlich haben Eltern und junge Menschen das Recht dazu.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.