Das Foto aus der Kirche im süditalienischen Villammare lässt die Diskussion über Touristen nun auch in Italien aufwallen. Im Eingangsbereich der Kirche Madonna di Portosalvo stehen eine Frau und ein Mann: sie im Bikini und Flipflops, er in Badehose.
Der Schnappschuss einer Passantin verbreitete sich in den vergangenen Tagen rasant. "Um die Kirchen zu füllen, werden jetzt auch fast Nackte akzeptiert", kommentiert ein Gabriele Bojano. Es sei eines von Hunderten Fotos touristischen Fehlverhaltens auf Facebook, schreibt die Zeitung "Corriere della Sera".
In den vergangenen Wochen hatte es auf der Balearen-Insel Mallorca und in Katalonien teils kampagnenartige Proteste gegen Touristen gegeben. Der Schlachtruf extremer Tourismusgegner lautet: "All tourists are bastards." Am vergangenen Wochenende bildeten Demonstranten am Strand von Barcelona eine Menschenkette und blockierten so den Zugang zum Meer. "Wir sind nicht gegen Touristen überhaupt", erklärte eine Einwohnerin der Stadt. Was sie nerve, seien Koma-Säufer und finanzstarke Touristen, die Wohnungen anmieten, statt Hotelzimmer zu buchen, und so die Mieten hochtreiben.
"Barcelona ist nicht zu verkaufen"
Viele Demonstranten trugen gelbe T-Shirts mit der Aufschrift: "Barcelona ist nicht zu verkaufen." Durch den Tourismus verursachte, teils heftige Preissteigerungen stoßen auch in einigen italienischen Städten wie Venedig auf heftige Kritik. Dort demonstrierten Anfang Juli Hunderte Venezianer gegen die - wie sie es empfinden - "Überflutung" ihrer Stadt durch rund 20 Millionen Touristen pro Jahr.
Die aktuelle Empörung, die nun in Italien hochkocht, entzündet sich aber an eklatantem Fehlverhalten einzelner Touristen. "Kopfsprünge in Venedig oder Badeanzug in der Kirche - ist das der rüpelhafteste Sommer aller Zeiten?", fragt der "Corriere della Sera». Es mangele nicht an meteorologischen, ästhetischen, sozialen und theologischen Indizien, die ein solches Urteil nahelegen, kommentiert die Zeitung und führt diverse Vorkommnisse aus Italiens Urlaubsregionen an.
Nicht nur ausländische Touristen in Visier
Kritik und Empörung richten sich gegen italienische wie ausländische Touristen, die in Venedig von Brücken in die Lagune tauchen, in öffentlichen Brunnen duschen, halbnackt durch Kirchen spazieren oder sich am Strand allzu erotischen Unternehmungen hingeben. Verschlimmert werden solche oft der Sommerhitze geschuldeten Nacktheiten und Wallungen dadurch, dass entsprechende Bilder in Sozialen Netzwerken verbreitet werden.
Auch die politische Klasse leiste ihren Beitrag zu derartiger Dekadenz, klagt der Kommentator des "Corriere", Luca Mastrantonio. So wurde der Bürgermeister von Viareggio nahe Lucca mit Bermudashorts in einem Lokal gesichtet. Kritikern hielt er entgegen, die Shorts seien sehr teuer gewesen. - "Als wenn Stil eine Frage des Preises wäre", kontert der Kommentator.
Streit um angemessene Kleidung
Normalerweise sollen Besucher in Italiens Kirchen Schultern und Knie bedeckt halten. Angesichts der Hitze habe man für gewisse Ausnahmen von dieser Regel ja Verständnis, schreibt ein Kommentator. Aber Bikini und Badehose zeugten entweder von völliger Unkenntnis oder bewusster Übertretung religiöser Normen wie eines guten Geschmacks.
Andere sehen es gelassener: "Regt euch ab, es warm, der Strand in der Nähe. Kommt schon, wichtiger als die Kleider ist das Verhalten", kommentiert ein anderer das Bild auf Facebook.