Obama-Biograph resümiert Präsidentschaft

Positives bleibt

Der eine kommt, der andere geht: Donald Trump wurde an diesem Freitag als US-Präsident vereidigt und damit Nachfolger von Barack Obama. Der Theologe und Obama-Biograph Markus Voss ist gespannt auf die Zukunftsgestaltung der Obamas.

Tief durchatmen: Barack Obama / © Carolyn Kaster (dpa)
Tief durchatmen: Barack Obama / © Carolyn Kaster ( dpa )

domradio.de: Sie haben sich intensiv mit der Präsidentschaft von Barack Obama befasst. Wenn wir in 100 Jahren in die Geschichtsbücher blicken, was wird bleiben von seiner Präsidentschaft?

Markus Voss (Evangelischer Theologe, USA-Experte und Obama-Biograph): Ich denke, da kann man einiges sagen. Im Augenblick stehen noch viele geo-politische Fragen im Raum: das Zurückfahren der Kriege im Nahen Osten, der Rückgang der Foltermethoden und dergleichen. Die Krankenversicherung ist ein Thema, das momentan noch sehr präsent ist. Aber ich glaube, je mehr wir uns von den aktuellen Geschehnissen entfernen und in 100 Jahren zurückblicken, werden wir, in positivem Sinne zu schätzen wissen, was Obama und seine Administration eigentlich geleistet haben: die Wirtschaft zurückzuholen, die Wallstreet-Regulation einzuführen oder die Autoindustrie zumindest vorrübergehend gerettet zu haben. Das haben wir meiner Ansicht nach so noch nicht auf dem Schirm.

domradio.de: Wie wird es denn mit den Obamas weiter gehen? Man weiß schon, dass sie erst einmal in Washington bleiben werden, bis die Kinder aus der Schule kommen. Aber was macht Barack Obama?

Voss: Das ist in der Tat eine sehr gute Frage, die Barack Obama auch eindeutig noch nicht beantwortet hat. Erst einmal geht es auf unbestimmte Zeit in den Urlaub ins warme Kalifornien. Den Rückflug müssen sie allerdings als Privatpersonen selber bezahlen. Dann werden sie sich vorrübergehend in das Haus eines ehemaligen Diplomaten unweit des Weißen Hauses aus schulischen Gründen für die jüngste Tochter einmieten.

Obama selbst hat noch nicht sehr viel darüber preisgegeben, was er tun wird. Die bisherigen Aussagen deuten darauf hin, dass er sich mehr Zeit dem Lesen und Schreiben widmen will. Manche sagen, er will eine neue Autobiographie über seine Präsidentschaft schreiben. Das sehe ich noch nicht ganz so kommen. Wahrscheinlich wird es zunächst eine Art semi-fiktives Buch werden. Er wird sicherlich weiter öffentlich aktiv sein. Spannend wird in der Tat der Spagat, inwieweit er seine eigenen Meinungen und seine mitunter doch sehr klare Welt artikulieren wird, ohne dem jetzigen Präsidenten reinzugrätschen. Denn das ist definitiv nicht erwünscht und im Protokoll vorgesehen.

domradio.de: Wahrscheinlich wird man immer darauf schielen, was Obama zur aktuellen Präsidentschaft sagt. Sie sind ja Obama-Biograph. Wie sieht denn Ihr Tipp aus, was er machen soll?

Voss: Ich glaube, die Präsidentschaft hat ihn schon ziemlich stark belastet. Ich denke, es wird eine Menge an Situationen gegeben haben, in denen er von sich selbst überfordert gewesen ist und von sich selbst auch "genervt" gewesen ist. Ein so introvertierter Mensch wie Obama braucht sicherlich erst einmal eine Auszeit, etwas Abstand, ein bisschen Ruhe. Ob ihn das innerlich loslassen wird, auch die ganzen Krisen seiner Amtszeit, die Amokläufe, die Drohnenangriffe, die Anfeindungen auch persönlicher Natur, die er vom Kongress und nicht zuletzt auch vom jetzigen Präsidenten erfahren hat, glaube ich nicht. Da beginnt jetzt erst einmal ein großer Bewältigungs- und Bearbeitungsprozess.

domradio.de: Jetzt ist die Stimmung in den USA relativ aufgeheizt. Obama sagt: Wenn Trump Erfolg hat, hat auch das Land Erfolg. Zwischen den Zeilen kann man aber auch so ein bisschen heraushören, was er von seinem Nachfolger denkt, oder?

Voss: Nicht nur zwischen den Zeilen. Er hat sich ja vor der Wahl überdeutlich für seine Wunschkandidatin Hilary Clinton, aber auch gegen Trump geäußert. Er hat in unzweideutigen Worten klargemacht, dass er Trump überhaupt nicht im Ansatz geeignet hält, weder als Mensch, noch fachlich, noch als Politiker. Jetzt ist er gewählt. Natürlich wäre es hanebüchen, sich gegen den gewählten Präsidenten zu stellen. Natürlich kann man ihm nur alles Gute wünschen. Was würde es denn aussagen, wenn man einem Präsidenten wünscht, dass er scheitert.

Ich glaube, die Sache wird hochkritisch gesehen. Es soll wohl sogar so sein, dass Obama seine private Telefonnummer, die fast niemand auf der Welt kennt, an Trump weitergegeben haben soll, um in Krisenzeiten als Berater zur Verfügung zu stehen. Man darf gespannt sein, was da tatsächlich kommt. Ich denke, wir haben jetzt eine Situation, wo jemand, der - und das meine ich nicht abwertend - überhaupt nicht in militärischer noch in politischer Hinsicht für dieses Amt geeignet ist, an eine so große Machtposition eingeführt wird, der auf jeden Rat angewiesen sein wird, den er bekommen kann. Wir können nur hoffen, dass er diese auch annehmen wird.

domradio.de: Im Wahlkampf gab es immer wieder Stimmen, die versucht haben First-Lady Michelle Obama davon zu überzeugen, im Jahr 2020 für die Präsidentschaft anzutreten. Ist das denn eine realistische Option?

Voss: Nein. Michelle Obamas Beliebtheitswerte gehen in der Tat durchs Dach. Das ist unzweifelhaft. Sie ist auch im Laufe der Jahre - zu Anfang unfreiwillig, dann Schritt für Schritt - in eine Position als Fürsprecherin großer Teile der Bevölkerung, vor allem der weiblichen Bevölkerung, hineingewachsen. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist sie im Kern aber ein relativ unpolitisches Wesen. Ich sehe im Augenblick wenig Chancen oder Möglichkeiten, dass sie jemals für ein Amt kandidieren sollte.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR