Oberammergau ist neben der Passion bekannt für die Schnitzkunst

Gesucht ist das Besondere

Die Tradition des alle zehn Jahre aufgeführten Passionsspiels hat Oberammergau weltweit bekanntgemacht. Berühmt ist der Ort aber auch für seine Schnitzkunst. Schon seit dem Mittelalter wird dieses Handwerk dort gepflegt.

Autor/in:
Barbara Just
 (DR)

Die Handelsstraße zwischen Italien und Bayern, die durch das Graswangtal führte, mag dazu beigetragen haben, dass die Kaufleute den Einheimischen die neuesten Trends vermittelten und selbst Ware kauften. So ist von 1520 der Reisebericht eines Florentiners überliefert, der die Feinheit der Oberammergauer Schnitzerei lobt.

Auch das nahe gelegene Kloster Ettal sorgte für den Aufschwung dieser Kunst, als der Abt 1563 den hiesigen Schnitzern eine eigene Handwerksordnung gab. Spätestens mit dem Volksstück «Der Herrgottschnitzer von Ammergau» aus der Feder des Heimatdichters Ludwig Ganghofer war der Nimbus 1880 endgültig besiegelt. Heute gibt es in der mehr als 5.000 Einwohner zählenden Gemeinde etwa 60 Holzschnitzer.

Einer von ihnen ist Tobias Haseidl, Absolvent der Oberammergauer Schnitzschule. Der 45-Jährige engagiert sich wie die meisten seiner Zunft im örtlichen Sankt Lukas-Verein, der derzeit seine Werke im Pilatushaus präsentiert. Ursprünglich war der nach dem Evangelisten Lukas benannte Zusammenschluss, dem Schutzpatron der Maler und Schnitzer, 1836 gegründet worden, um sich gegenseitig im Krankheitsfall zu helfen. Inzwischen ist das Ziel, das Schnitzhandwerk im Ort zu fördern und zu erhalten.

Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren hätten die Oberammergauer Künstler von der Schnitzerei gut leben können, sagt Haseidl.
Inzwischen sei das anders - eine Entwicklung, zu der auch die industrielle Fertigung beigetragen habe. Doch wer das Besondere suche, wende sich noch heute an einen Schnitzer seines Vertrauens.
Grundsätzlich ist Haseidl für alle Aufträge offen. Ihm mache es Freude einen Kunden zu beraten und mit ihm etwas zu entwickeln. So fertigt er immer wieder Krippenfiguren nach den Wünschen seiner Auftraggeber, aber auch Film- und Fernsehproduktionen kommen häufig auf ihn zu.

Als etwa der US-Künstler Robert Wilson für die 2006 neu konzipierte Dauerausstellung im Geburtshaus von Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg einen Babykopf brauchte, kam Haseidl zum Zug. Auch die Patrona Bavariae, die im September 2006 der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber Papst Benedikt XVI. bei dessen Bayernbesuch überreichte, entstand im Atelier des Oberammergauer Künstlers. «Der Beruf gibt einem viel zurück», betont Haseidl. Bei seiner Arbeit rede ihm niemand drein.

Ein besonderes Stück von ihm ist die ungewöhnliche Darstellung des Gekreuzigten, zu dem ein Theologieprofessor die Ausgangsidee hatte.
Als Kreuz diente dabei ein Ast in V-Form. Das Ungewöhnliche daran ist, dass Jesus sich bereits vom Kreuz löst und somit zum Auferstehenden wird. Trennt er sich schwer von seinen fertigen Kunstwerken? Eigentlich nicht, meint Haseidl. Nur einmal habe es ihm um einen Totentanz leid getan, den er im Auftrag für ein Museum schuf.

Ansonsten weiß aber auch der Schnitzer, dass die Nachfrage etwa nach Heiligenfiguren über die Jahre zurückgegangen ist. In Wohnungen, die mehrheitlich dem IKEA-Stil frönen, passen eben solche Kunstgegenstände nicht mehr. Und doch schöpft man in Oberammergau derzeit wieder Mut. So langsam scheint der ein oder andere wieder das Individuelle zu suchen.

Hinweis: Im Pilatushaus gibt es vom 15. Mai bis 27. Oktober jeweils von Dienstag bis Samstag von 13.00 bis 18.00 Uhr eine lebendige Werkstatt, in der die Besucher Handwerkern bei der Arbeit zusehen können.