"Ich sehe auch die vielen, die gerade in dieser Zeit hungern nach einer Begegnung, nach einem Gottesdienst, nach der Feier der Eucharistie", sagte Marx dem "Münchner Merkur" (Donnerstag). Man dürfe nicht unterschätzen, dass das eine Quelle der Hoffnung und des Trostes für viele Menschen sei.
Die Pfarrgemeinden bereiteten seit vielen Wochen die Gottesdienste intensiv vor und setzten die Auflagen angesichts der Pandemie mit großem Engagement um, erinnerte der Kardinal. "Wir sind in einer anderen Situation als an Ostern, als wir nichts wussten über die Krankheit und auch noch keine überzeugenden Hygienekonzepte hatten." Jetzt an Weihnachten sei das anders. Man könne aber nicht generalisieren und müsse auf neue Entwicklungen reagieren, räumte Marx ein. Das könne letztlich in gravierenden Situationen auch immer vor Ort entschieden werden in Absprache mit den Gesundheitsämtern, den Landräten und der Regierung.
Weihnachtsgottesdienste in Bayern
Zugleich verteidigte Marx den Versuch der bayerischen Bischöfe, für die Christmetten eine Sonderregelung innerhalb der geltenden Ausgangssperre ab 21 Uhr zu erwirken. "Wir waren dafür, den Ablauf des Heiligabends zeitlich zu entzerren, indem mehrere Gottesdienste auf den Abend verteilt gefeiert werden."
So sollte möglichst vielen Menschen ermöglicht werden, zu einem Weihnachtsgottesdienst zu gehen. Gerade in Oberbayern habe die Christmette eine sehr große Bedeutung. "Aber wir können in dieser besonderen Situation damit leben, und wir werden in Freude auch unter diesen Bedingungen Weihnachten feiern."
Gottesdienste und Religionsfreiheit
Man habe über die Monate Erfahrungen sammeln können, so Marx. Doch letztlich müsse beides möglich sein: "Wir werden Präsenzgottesdienste haben und wir werden per Livestream alle mitnehmen, die zuhause sind und dort mitfeiern möchten." Zudem seien die Seelsorgerinnen und Seelsorger besonders bei den Kranken und Schwachen.
Die Religionsfreiheit gehöre zu den zentralen Grundrechten, aber auch sie habe dort Grenzen, wo Menschenleben gefährdet würden. Der Staat habe da eine Abwägung zu treffen. Er sei der Meinung, so Marx, dass der demokratische Rechtsstaat das "ganz gut hinbekommen hat" - das politische System Deutschlands habe sich auch in der Krise bewährt.
Resignation könne nicht die Antwort sein
Man dürfe die Krise in der katholischen Kirche nicht schönreden und beiseiteschieben - "auch nicht an Weihnachten!". Die Kirche müsse sich diesen dunklen Seiten stellen, so Marx. "Ich werde nicht müde, das persönlich und in meinem Amt als Erzbischof zu tun." Verdrängung sei keine Strategie, das gelte für alle Katastrophen und Krisen.
"Wir sollten aber auch deutlich machen, dass Resignation nicht die Antwort sein kann, sondern tatkräftige Neuorientierung", erklärte der Kardinal. Das gehe aber nur, wenn die Hoffnung größer sei als die Angst. Der Grund der Hoffnung sei der Mensch gewordene Gott, "den wir vor aller Welt bezeugen wollen". Das darf und müsse gefeiert werden. Ohne Feste gebe es keine Hoffnung.
Auch Marx feiert im kleinen Kreis
Der Erzbischof selbst wird Weihnachten coronakonform im kleinen Kreis verbringen. "Leider kann ich nicht, wie üblich, am Heiligabend und am ersten Weihnachtstag Gäste einladen", sagte Marx. Er werde deshalb im kleinen Kreis mit den beiden Schwestern, die ihm den Haushalt führten, und dem Kaplan feiern. "Auch das kann eine schöne Feier werden." Ansonsten freue er sich auf die Gottesdienste.
Für das neue Jahr wünscht sich der Kardinal, dass die Menschheit die Pandemie besiegen möge. "Impfstoffe sind gefunden, man sieht Licht am Ende des Tunnels!" Viele Menschen seien zusammengerückt in der Krise, erinnerte Marx. Deshalb sollte man nicht nur auf das schauen, was nicht funktioniert habe. "Schauen wir auf die Solidarität und das Engagement in Heimen, Krankenhäusern, in der Nachbarschaft, in den Familien!" All dies, gelte es, mit in die Zukunft zu nehmen. Es gebe eine Hoffnung, die unzerstörbar sei und die sich im Leben der Menschen zeige. Auch 2021 sei ein Jahr des Herrn. Das Licht sei stärker als die Nacht, so der Kardinal.