DOMRADIO.DE: Wie begegnen Ihnen als Ordensschwester denn die Kirche und die Priester im Alltag allgemein?
Schwester Barbara Offermann OP (Dominikanerin von Bethanien aus Bergisch Gladbach): Ich muss vorweg sagen, dass ich in der deutschen Kirche von Priestern und anderen Mitgliedern der Gemeinde eigentlich immer sehr freundlich und respektvoll behandelt werde. Das ist eine Begegnung auf Augenhöhe.
Da kann ich eigentlich von Deutschland nur Gutes berichten. Ich habe zwar auch schon andere Erfahrungen gemacht, aber in meiner jetzigen Situation gibt es nur Positives zu berichten.
DOMRADIO.DE: Da kann man raushören, dass es in anderen Teilen der Welt anders aussieht, oder?
Schwester Barbara: Ich habe einmal ein paar Jahre im Baltikum gelebt. Da sieht das Bild der Ordensfrau ganz anders aus. Die Gläubigen in der katholischen Kirche haben dort großen Respekt vor Ordensfrauen, aber die Priester nicht.
DOMRADIO.DE: Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" hat den Text von verschiedenen Ordensschwestern veröffentlicht, die unter Pseudonym darüber gesprochen haben, dass sie ausgenutzt werden und unter schlechten Arbeitsbedingungen leben mussten. Es wurde quasi als Zwangsarbeit bezeichnet. Ist das etwas, was Ihnen schon zu Ohren gekommen ist und womit man sich auseinandersetzen muss?
Schwester Barbara: Was da berichtet wird, ist in der Tat skandalös. Das kenne ich so nicht. Ich habe einmal in Italien erlebt, dass ich als Ordensfrau auf eine sehr merkwürdige Weise behandelt wurde. Ich konnte das damals gar nicht richtig einordnen. Ich habe das als italienischen Chauvinismus abgetan. Es passt zu dem, was die Frauen berichten. Ich glaube das sofort.
DOMRADIO.DE: Haben Sie ein konkretes Beispiel für das, was Sie erlebt haben?
Schwester Barbara: Man konnte eine völlige Missachtung von Ordensfrauen spüren. Diese Haltung wurde beispielsweise dadurch deutlich, dass man der Ansicht war, Ordensfrauen seien das Allerletzte. Die setzt man in der Kirche in die letzte Ecke. Ordensfrauen haben einfach keine Ansprüche zu haben. Das war mir natürlich sehr fremd. Das kenne ich so nicht.
Das habe ich in Deutschland so noch nicht erlebt. Ich kenne in Deutschland auch junge Priester, die sich für etwas Besseres halten, aber eine solche Haltung würden die sich dennoch nicht herausnehmen.
DOMRADIO.DE: Das Dienen spielt in der Kirche eine große Rolle – bei Priestern und Ordensleuten. Aber es geht nicht um ein Problem mit dem Thema Dienen, sondern darum, dass die Achtung fehlt?
Schwester Barbara: Das Ideal des Dienens gilt ja für alle. Auch der Priester soll ein Dienender sein. Wenn das so wäre und wenn sich alle in der Kirche als Dienende verstehen würden, dann wäre ja alles gut. Das biblische Ideal ist, dass die Kirche eine Gemeinschaft der Gläubigen ist, in der alle gleich sind.
Es gibt nicht mehr Männer und Frauen, Sklaven und Freie, sondern alle sind eins in Christus. Alle sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Aufgaben. Aber alle sind gleich viel wert. Wenn das so wäre, wäre alles prima.
Aber genau das passiert in diesem Fall nicht. Die einen fühlen sich besser als die anderen und üben Macht über die anderen aus. Das ist natürlich vollkommen dem entgegengesetzt, was Jesus gewollt hätte und was im Christentum sein darf.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan veranstaltet nun eine Konferenz zur Rolle der Frau. Es gibt auch einen Aufruf an Papst Franziskus, der selbst schon die Rolle der Frau in der Kirche bemängelt hat. Was würden Sie sich von ihm und vom Vatikan wünschen?
Schwester Barbara: Eine solche Frage zielt natürlich auch auf das Weiheamt ab. Ich bin keine Verfechterin der Frauenordination, aber es geht natürlich heutzutage nicht mehr, dass das eine Geschlecht über das andere herrscht. Das ist für mich auch völlig unerträglich.
In meinen Augen müsste die Kirche die Machtpositionen vom priesterlichen Weiheamt trennen, um wirklich zu klären, was die Aufgaben sind, die mit der Weihe verbunden sind und was die Positionen sind, in denen Entscheidungen getroffen werden und Macht ausgeübt wird.
Macht muss gerecht zwischen Männern und Frauen verteilt werden. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit dem Priesteramt zu tun. Das ist meiner Ansicht nach etwas, das in der Kirche falsch läuft, dass wir die Machtpositionen mit dem Priesteramt verknüpfen. Das ist eigentlich gar nicht nötig.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.