Bundestagsdebatte - Kirchen gegen Widerspruchslösung

Organspende: Für und wider der Widerspruchslösung

Sollte jeder automatisch Organspender werden, wenn er nicht widerspricht? An diesem Mittwoch wird darüber im Bundestag diskutiert. Die Kirchen sind gegen die Widerspruchslösung, so wie der katholische Krankenhausverband. 

Die Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises / © Marie Reichenbach (dpa)
Die Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises / © Marie Reichenbach ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die katholische und die evangelische Kirche haben erhebliche rechtliche und ethische Bedenken bei der Organspende-Widerspruchslösung. Der katholische Krankenhausverband sieht das ähnlich. 80 Prozent der Deutschen sehen es aber anders und sagen: Theoretisch wären wir bereit Organe zu spenden. Wo liegt das Problem?

Herbert Möller (Katholischer Krankenhausverband): Naja, Sie haben es gerade selber gesagt: Sie sagen "theoretisch" wären wir bereit Organe zu spenden, aber wenn es um die Frage geht, ob Sie jetzt einen Organspendeausweis ausfüllen oder in ihre Patientenverfügung reinschreiben "ja, ich bin Organspender", dann sieht die Zahl ganz anders aus. Dann sprechen wir nämlich nur noch von 40 Prozent der Menschen, die das praktisch tun. Und dann ist die Frage, welchen Weg man geht - ob man sagt "okay, wir entscheiden jetzt quasi für euch, dass ihr jetzt Organspender sein werdet, wenn ihr nicht widersprecht". Oder wir gehen den Weg, die Menschen für die Organspende zu überzeugen und mitzunehmen. Und das ist auch der Weg, den wir bevorzugen.

DOMRADIO.DE: Aber die große Debatte oder das große Problem ist ja eigentlich etwas anderes. Es geht ja um die Frage, dass man konkret Leben retten kann und dass dem nicht so ist, wenn man das ohne Widerspruchslösung macht.

Möller: Ja, die Debatte wird gerade ein bisschen in diese Richtung geführt. Und die Widerspruchslösung wird dabei als Allheilmittel vorgeführt. Guckt man sich ein Beispiel an, das immer wieder genannt wird, nämlich Spanien - auch ein katholisches Land, das als Musterland gilt - dann stimmt es natürlich, dass in Spanien eine Widerspruchs Regelung gilt. Es stimmt aber auch, dass es nicht diese gesetzliche Regelung ist, die den Erfolg in Spanien ausgemacht hat, sondern, dass man das komplette Transplantationssystem organisatorisch neu aufgestellt und neu strukturiert hat. Ab diesem Zeitpunkt sind die Zahlen der Organspenden in Spanien nach oben gegangen. Und ganz wichtig: Faktisch wird diese Widerspruchslösung in Spanien nicht angewendet. Denn die Organisatoren sagen: Wichtig ist, mit den Familien, mit den Angehörigen zu sprechen.

DOMRADIO.DE: Das ist ein ganz wichtiger Punkt und Sie kommen ja auch aus der Praxis. Ihr Verband hat mit den Familien, mit den Spendern, mit den Angehörigen zu tun. Wie gehen Sie denn konkret in diesen Fällen mit den Menschen um?

Möller: Die jetzige Regelung sagt, dass man - wenn eine Organspende infrage käme - zu den Angehörigen geht und vier Fragen stellt. 1. Gibt es eine schriftliche Erklärung des Patienten oder des Angehörigen? 2. Wenn nicht, gibt es eine mündliche Erklärung? 3. Wenn das auch nicht der Fall ist, gibt es einen mutmaßlichen Willen? Und wenn das auch nicht der Fall ist, dann entscheiden heute die Angehörigen. In diesem Gesetzentwurf, der nun auf dem Tisch liegt, soll das anders funktionieren. Der Arzt soll nur noch fragen: Kennen Sie eine schriftliche Erklärung oder eine mündliche Erklärung? Wenn der Angehörige beides verneint, soll die Antwort sein "Okay, dann ist der Patient, der Angehörige, jetzt Organspender, ob Sie das wollen oder nicht". Eine ähnliche Regelung gibt es in Österreich. Dort sagen Ihnen die Praktiker: "Wir wenden das überhaupt nicht an, weil es nicht geht. Wir können nicht gegen den Willen von Angehörigen einen Menschen zum Organspender erklären".

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns über Alternativen sprechen. Ich zitiere Papst Franziskus, der gesagt hat: "Jede Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe. Muss es auch bleiben, aber es ist auch Christenpflicht, sich zumindest mit dem Ja oder Nein auseinanderzusetzen." Es gibt ja auch die Idee, bei Behördengängen die Frage nach der Organspende zu stellen, wäre das eine Alternative?

Möller: Das ist eine gute Alternative, die wir auch unterstützen, die ja auch die beiden Kirchen in ihrer Erklärung unterstützt haben. Denn es ist schon wichtig, dass sich die Menschen mit diesem Thema auseinandersetzen. Gerade wenn man es, wie wir das auch tun, als Akt der Nächstenliebe versteht, dass man sich damit auseinandersetzt und sich überlegt: "Wie will ich mich dazu entscheiden?". Ganz wichtig ist im Übrigen auch für alle, die sich dazu entscheiden: Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen, denn wenn die Situation mal eintritt, dann wird das auch für die Angehörigen eine schwierige Situation aber auch eine wichtige Situation sein, dann damit gut umgehen zu können.


Quelle:
DR