Seit beinahe zwei Jahrzehnten leitet der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker eines der mitglieder- und finanzstärksten Bistümer Deutschlands. Nun hat er Papst Franziskus aus Altersgründen seinen Rücktritt angeboten. "Ich spüre, dass der Zeitpunkt einer verantwortungsvollen Übergabe meines Amtes gekommen ist", teilte Becker am Freitag mit. Vergangenen Mittwoch wurde er 74. Katholische Bischöfe sind angehalten, in ihrem 75. Lebensjahr den Amtsverzicht anzubieten. Die Entscheidung liegt nun beim Papst.
Priester erst auf Umwegen
Becker kam am 8. Juni 1948 im sauerländischen Belecke als Sohn eines Eisenbahners zur Welt. Als Kind träumte er davon, Lokführer zu werden. Seine Eltern beschrieb der Geistliche einmal als "einfache, ehrliche Menschen", die ihm eine geborgene Kindheit in einem katholischen Milieu ermöglichten. Dazu gehörten selbstverständlich der Kirchgang am Sonntag, das Tischgebet, Messdienerdienste oder die jährliche Wallfahrt zur Werler Madonna.
Der Ortspfarrer sah in ihm schon einen angehenden Geistlichen. Doch der Abiturient Becker legte zunächst ein Studium zum Grund- und Hauptschullehrer hin, was ihn für seine Zusatz-Aufgabe als Schulbischof prädestinierte. Erst während des Pädagogikstudiums freundete sich der Viola-Spieler mit dem Gedanken an, Priester zu werden - nicht zuletzt durch die Beschäftigung mit der Musik Anton Bruckners und den Schriften Martin Bubers.
Nach seiner Priesterweihe 1977 und Kaplansjahren arbeitete Becker gut 15 Jahre lang als Pfarrer und Dechant in Lippstadt. Der Geistliche, der zu der von Charles de Foucauld geprägten Priestergemeinschaft Jesus Caritas gehört, spricht rückblickend von einer erfüllten Zeit. Nicht jeder Bischof kann eine solch lange Arbeit an der Seelsorgebasis vorweisen.
Volksnaher Erzbischof
Die Nähe zum Volk hat sich Becker auch als Erzbischof bewahrt. Gelegenheit dazu bietet etwa Paderborns fünfte Jahreszeit: das traditionelle Liborifest, eine Mischung aus Kirche, Kirmes, Kultur. Als 2020 das Volksfest wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste, fanden zumindest die kirchlichen Feierlichkeiten statt - unter Auflagen.
Das Gemeindeleben ließ Becker hinter sich, als ihn der frühere Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt 1995 zum Personalchef machte. Fünf Jahre später wurde er Weihbischof in Paderborn. 2003 folgte er dem ein Jahr zuvor verstorbenen Kardinal Degenhardt an die Spitze des Erzbistums, dem heute rund 1,44 Millionen Katholikinnen und Katholiken angehören. Damit zählt Paderborn zu den mitgliederstärksten deutschen Diözesen.
Zudem ist es das finanzstärkste Bistum. Sein Vermögen belief sich 2020 auf rund 4,66 Milliarden Euro. Hinzu kommt Vermögen des Erzbischöflichen Stuhls sowie sechs weiterer Stiftungen, so dass sich ein Gesamtkapital von etwa 7,36 Milliarden Euro ergibt.
Zukunft und Reformen
Aber: Auch im Erzbistum Paderborn sinken perspektivisch die Mitglieder- und Priesterzahlen sowie die Kirchensteuereinnahmen. Wie andere Diözesen startete es daher ein Reformprojekt mit dem Namen "Diözesaner Weg 2030+". Auch mit Blick auf den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg, zeigte sich Becker zuversichtlich, dass nun jüngere Generationen "mutig vorangehen und unserer Kirche starke Führung geben können".
Was Reformen angeht, setzt der Erzbischof schon seit längerem auf eine stärkere Zusammenarbeit mit den Laien. Beispielhaft dafür ist ein von ihm erlassenes Diözesangesetz von 2017: Um die örtlichen Kirchenstrukturen zu erhalten, können Gemeinden seitdem sonntags zu Wort-Gottes-Feiern ohne Priester einladen. Dabei bringen Kommunionhelfer geweihte Hostien aus einer Messfeier, die ein Geistlicher zeitnah in der Umgebung feiert - damals ein bundesweit einzigartiges Modell nach philippinischem Vorbild.
Immer wieder packt Becker aktuelle kirchenpolitische Debatten auf der Ebene seines Erzbistums an, etwa was den Umgang mit sexuellen Minderheiten angeht. Seit Januar gibt es in der Erzdiözese einen Arbeitskreis für "queersensible Pastoral". Was Becker mit diesem Schritt erreichen will: eine "zugewandte" Seelsorge.