DOMRADIO.DE: Unter anderem steht der Klimawandel sehr weit oben auf der Liste. Spüren Sie auch bei den Jugendlichen in Bonn, dass das Thema brennt?
Kaplan Dr. Christian Jasper (Stadtjugendseelsorger in Bonn): Das Thema Klimawandel ist natürlich hochpolitisch und das beschäftigt auch viele junge Menschen bei uns in Bonn. Und zwar sind die erstens bereit und gerne dabei, sich zu engagieren, wenn es darum geht, politisch zu demonstrieren. Und überhaupt erlebe ich das so, dass es ein sehr politischer Zugang zu diesem Thema ist. Viele erwarten von der Politik die großen Entscheidungen, beispielsweise zum Thema Kohlekraft und in diesen Bereichen. Und gleichzeitig versuchen es junge Menschen auch, persönlich ihren Teil dazu beizutragen, indem sie beispielsweise auf Fleisch verzichten - das ist ein Thema, das im Moment sehr angesagt ist - und so ihren eigenen Beitrag dazu leisten, den Klimawandel zu stoppen.
DOMRADIO.DE: Wir schauen mal auf das Thema Corona. 40 Prozent der Befragten klagen immer noch über Beeinträchtigungen ihrer psychischen Befindlichkeit. Wie erleben Sie das bei den jungen Menschen in Bonn, wo wir jetzt in dieser vierten Welle stecken?
Jasper: Zunächst muss man natürlich sagen: DIE Jugend gibt es nicht. So wie auch sonst überall in der Gesellschaft die Gruppenbildung voranschreitet, die Individualisierung, vielleicht auch die Polarisierung, da ist es eben auch bei jungen Menschen so, dass die Antworten da sehr unterschiedlich sind. Und gerade bei jungen Menschen führt das zu einer großen Verunsicherung. Die brauchen eben den Kontakt zu Gleichaltrigen. Und je stärker der eingeschränkt ist, desto größer wird die Unsicherheit auch im eigenen Leben und Erleben.
DOMRADIO.DE: Auch bei Ihnen in Bonn gibt es Jugendliche, die sich aus verschiedensten Gründen eben nicht impfen lassen können. Mit welchen Konsequenzen für Ihre Arbeit?
Jasper: Das ist ein Thema, das bei uns im Moment sehr heiß diskutiert wird. Die große Mehrheit der jungen Menschen, mit denen wir Kontakt haben, ist geimpft, auch aus Überzeugung. Aber es gibt in vielen Gruppen auch einzelne, die sich entweder nicht impfen lassen können oder es nicht wollen, weil sie den politischen Druck als übergriffig erleben. Und da stehen junge Menschen natürlich vor einem Dilemma: Einerseits sollen alle an den Angeboten gleichberechtigt teilnehmen können, niemand soll diskriminiert werden. Und gleichzeitig spüren auch junge Menschen die Verantwortung, die sie mit der Impfung für andere tragen, sodass im Moment wirklich heiß gestritten wird, wie man damit umgeht, wenn jetzt zwei 2G-Regeln neu eingeführt werden.
DOMRADIO.DE: Wie ist die Stimmung bei den Jugendlichen? Wie emotional aufgeladen ist das dann?
Jasper: Das ist schon sehr heiß aufgeladen, zumal es aufgrund dieser Vereinzelung und Gruppenbildung, von der ich sprach, ja auch gar nicht so viele Orte gibt, wo man in einem guten Rahmen darüber reden kann. Sonst wird es schnell persönlich, weil das eben ein sehr existenziell bewegendes Thema ist.
DOMRADIO.DE: Geben Sie da selbst auch mal einen kleinen Anstoß? Denn es ist ja eigentlich klar, dass uns nur das Impfen hilft, um dieses Virus zu bekämpfen.
Jasper: Ja. Erstens versuche ich Orte zu schaffen, wo man gut miteinander sprechen kann, denn letztlich sind es sehr viele Dinge, die wir als Gesellschaft miteinander aushandeln müssen, auch die jungen Menschen. Und selbstverständlich versuche ich auch durch mein eigenes Vorbild und indem ich für das Impfen werbe, Anstöße zu geben. Aber letztlich muss sich natürlich jeder Einzelne entscheiden.
DOMRADIO.DE: Wieviel Verständnis ist denn bei den jungen Menschen da, wenn Sie auf sie zugehen?
Jasper: Oft sind sie am Ende doch dankbar, wenn überhaupt mal jemand da ist, der sich die Sorgen und Bedenken anhört und dann womöglich auch Wege findet, wo und wie man Kompromisse finden kann. Selbst jemand, der sich nicht impfen lassen kann oder nicht impfen lassen will, der soll ja auch nicht gebrandmarkt und bloßgestellt werden, sondern da muss man schauen, ob es Möglichkeiten gibt, wie man trotzdem im Kontakt mit diesen Menschen bleiben kann.
Das Interview führte Carsten Döpp.