"Und das Meer trägt meine Gedanken etwas weiter weg: Nach Istanbul", so Papst Franziskus am Sonntag nach dem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Zuvor hatte er über anlässlich eines Gedenktags die Seeleute gegrüßt.
"Ich denke an die Heilige Sofia und es schmerzt mich sehr“, so Franziskus. Er wich damit spontan vom Redemanuskript ab. Mehr zu der international umstrittenen Entscheidung sagte das Kirchenoberhaupt nicht.
Die Haltung des Vatikans dürfte für Ankara nicht unwichtig sein. Die Türkei übt Geschäfte auch über vatikanische Institutionen, wie die Vatikanbank, aus.
Die Causa "Hagia Sophia"
Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hatte am Freitag den Status des berühmten Bauwerks als Museum aufgehoben. Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee.
Die Hagia Sophia ("Göttliche Weisheit") wurde 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal "Atatürk" machte sie 1934 zum Museum.
"Schlag für die Weltorthodoxie"
Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Griechenlands, Erzbischof Hieronymos, sprach von einer "Instrumentalisierung der Religion" für parteipolitische Zwecke. Die Umwandlung bezeichnete er laut der griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA als "Beleidigung" nicht nur für die gesamte Christenheit, sondern die "ganze zivilisierte Menschheit, für jeden denkenden Menschen unabhängig von seiner Religion."
Der russisch-orthodoxe Außenamtschef, Metropolit Hilarion, nannte den Schritt einen "Schlag für die Weltorthodoxie, denn für alle orthodoxen Christen auf der ganzen Welt ist die Hagia Sophia so ein Symbol wie der Petersdom in Rom für Katholiken". Die türkische Staatsführung habe gezeigt, dass sie keine Kompromisse eingehen wolle, sagte er im russischen Fernsehen. Der Ökumenische
Weltkirchenrat in Genf äußerte in einem Brief an Erdogan die Sorge, dass die Entscheidung erneut zu Konflikten führen könne.
Die Deutsche Bischofskonferenz zeigte sich besorgt und warb für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärke, statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen.
Gemeinsam beten?
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, schrieb auf Twitter: "Dass man in der Hagia Sophia beten darf, ist richtig, sie ist kein Museum, der Säkularismus Atatürks war gegen jede Religion. Könnte diese großartige Kirche nicht ihre 900 christliche und 500 Jahre islamische Geschichte dadurch spiegeln, dass Muslime und Christen darin beten?", regte er eine gemeinsame Nutzung an.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek: "Können nicht Muslime und Christen im großen Gotteshaus jeweils ihren Gottesdienst beten?", schrieb er auf Twitter. Dies könne ein einzigartiges Zeichen des gegenseitigen Respektes und eine Geste tiefen Religionsverständnisses sein. Im Hinblick auf den Dialog der Religionen und Völker könne Erdogans Entscheidung problematisch sein. Zugleich betonte er, die Hagia Sophia, wo über ein Jahrtausend gebetet wurde, sei kein Museum.