Papst äußert vor Diplomaten Sorgen und Erwartungen an die Welt

Religionsfreiheit und Friedenserziehung

Mit Spannung wird jedes Jahr die politische Grundsatzrede des Papstes beim traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps erwartet. Vor den Botschaftern der beim Heiligen Stuhl vertretenen 179 Staaten betrachtet er die Weltlage aus vatikanischer Sicht.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Er äußert Sorge und Erwartungen an die internationale Staatengemeinschaft, setzt besondere Akzente und streicht heraus, was für den Vatikan und seine Diplomatie aktuell und dringlich ist. Diesmal sind es die Themen Religionsfreiheit und Friedenserziehung, die Benedikt XVI. heranzieht, um auf die Krisen und Katastrophen der Welt einzugehen. Religionsfreiheit sei ein grundlegendes Menschenrecht - und es werde immer wieder aus unterschiedlichen Gründen verletzt, bemängelt der Papst. Nicht selten würden Christen die grundlegenden Rechte verweigert.



Benedikt XVI. registriert Intoleranz und beklagt, dass religiös motivierter Terrorismus auch 2011 Opfer gefordert habe. Zwar nennt er den katholischen pakistanischen Minister Shahbaz Bhatti und erwähnt die jüngsten Angriffe auf Kirchen in Nigeria. Aber vorsichtiger als bei seiner Diplomatenrede im Vorjahr vermeidet er jede Anklage oder Schuldzuweisung. Damals hatte Ägypten den Eindruck, der Papst mache die Regierung mitverantwortlich für Attentate auf Kirchen in Alexandria - und beorderte die Botschafterin zurück.



Auch Fortschritte

Benedikt XVI. sieht aber auch Fortschritte für die Religionsfreiheit. Georgien habe für religiöse Minderheiten im letzten Jahr ein eigenes Gesetz erlassen. Beim Weltfriedenstreffen in Assisi im Herbst hätten die Führer aller großen Religionen ihre Verpflichtung zu Respekt und Toleranz bekundet. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe im Streit um Kruzifixe in Italiens Schulen positiv entschieden. Und ohnehin bestehe in Italien, das 2011 sein 150-jähriges Einigungsjubiläum feierte, nach anfänglichen Zerwürfnissen heute ein vorbildliches Staat-Kirche-Verhältnis. Lob gibt es auch für die Väter des deutschen Grundgesetzes sowie für die der europäischen Einigung, die sich maßgeblich vom christlichen Menschenbild hätten leiten lassen.



Natürlich geht der Papst auf die Krisenherde der Welt ein. Konkret äußert er sich zu Syrien - wo er ein rasches Ende des Blutvergießens und einen fruchtbaren Dialog erhofft, unterstützt durch die Anwesenheit unabhängiger Beobachter. Konkret lobt er auch die jordanische Initiative für eine neue israelisch-palästinensische Dialogrunde. Er ermuntert die Akteure zu mutigen und weitsichtigen Entscheidungen für einen dauerhaften Frieden, der dem Recht beider Völker auf ein sicheres Leben in souveränen Staaten und international anerkannten Grenzen Rechnung trägt.



Nur stichwortartig nennt er die Attentate im Irak, den Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste, die Dauer-Instabilität am Horn von Afrika. Generell mahnt er für Afrika eine engere Zusammenarbeit von christlichen Kirchen und Regierungen für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung an. Ausführlicher fordert er internationale Unterstützung für die Völker des "Arabischen Frühlings", vor allem für die Jugendlichen. Nachdem der erste Optimismus infolge der Übergangsprobleme rasch verflogen sei, komme es auf klare Rechtsgrundlagen an, bei denen die Menschenwürde im Mittelpunkt stehe.



Wirtschaft- und Finanzkrise

Ein wichtiges Thema ist auch für den Papst die internationale Wirtschaft- und Finanzkrise. Gefragt seien "neue Formen des Einsatzes" und "neue Regeln, die allen die Möglichkeit zu einem würdigen Leben bieten". Dabei müssten ethische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen, hebt er hervor. Und auch den Umwelt- und Klimaschutz macht Benedikt XVI. zum Thema: Nach der Konferenz im südafrikanischen Durban müsse die Welt als "Familie von Nationen" Solidarität und Verantwortung für heutige wie künftige Generation wahrnehmen.



Ethische Kriterien benennt der Papst auch in den Bereichen Lebensschutz, Familienförderung und Medizin. Er kritisiert Gesetzgebungen, die Abtreibung nicht nur erlauben, sondern sogar begünstigen. Zugleich sieht er aber auch positive Signale. Der Europäische Gerichtshof habe die Patentierung von Forschungsergebnissen mit menschlichen Stammzellen untersagt. Und die Parlamentarische Versammlung des Europarates habe sich gegen eine vorgeburtliche Selektion aufgrund des Geschlechts gewandt.



In einem Ausblick auf 2012 verweist Benedikt XVI. die Diplomaten auf seine Reise nach Mexiko und Kuba im März. Er nennt aber auch die 50-Jahrfeiern der Eröffnung des Zweiten Vatikanums (1962-65). Mit diesem Konzil hatte die Kirche den Dialog mit der Welt eingeleitet und - wie er jetzt wiederholt - "der Menschheit die aufrichtige Mitarbeit der Kirche zur Errichtung einer brüderlicheren Gemeinschaft aller" angeboten.