An seinem letzten Besuchstag in Chile hat Papst Franziskus das Land erneut zu Einheit aufgerufen. Zudem forderte er in einer Predigt nahe der nordchilenischen Stadt Iquique am Donnerstag zu Gastfreundschaft gegenüber Migranten auf. Ebenso warb er für mehr Aufmerksamkeit angesichts von Ausbeutung, unsicheren Arbeitsplätzen oder fehlendem Wohnraum. Christen sollten "keine Angst haben mitanzupacken", damit Solidarität und Gerechtigkeit allen zugutekämen.
Weniger Gottesdienstteilnehmer als erwartet
Zu dem Gottesdienst auf dem Strandgelände "Playa Lobito" kamen rund 50.000 Teilnehmer, deutlich weniger als erwartet. Zum Abschluss des Gottesdienstes verabschiedete sich Papst Franziskus von den Chilenen. Bei einem anschließenden Mittagessen wollte Franziskus zur Stunde noch zwei Opfer der Militärdiktatur (1973-1990) unter Augusto Pinochet. Am Nachmittag (Ortszeit) fliegt er nach Peru weiter. In der Hauptstadt Lima wird er für 23.20 Uhr deutscher Zeit erwartet.
Im Flieger von Santiago nach Iquique leitete der Papst selbst eine Blitztrauung: Zwei Besatzungsmitglieder nutzten die Gelegenheit, ihre kirchliche Trauung nachzuholen. Paula Podest (39) und Carlos Ciuffardi (41) aus Chile gaben sich am Donnerstag vor Franziskus noch einmal ihr Ja-Wort, nachdem sie seit acht Jahren zivil verheiratet sind. Die beiden haben bereits zwei Kinder.
Päpstliche Trauung über den Wolken
Es war ein Vorschlag des Papstes, als sich die Besatzung während des Flugs bei ihm vorstellte. Auf die Frage, ob die beiden verheiratet seien, erzählte Ciuffardi, dass ihre 2010 geplante kirchliche Hochzeit ausfallen musste, weil ihre Kirche durch ein Erdbeben zerstört worden war. Darauf fragte Franziskus laut Ciuffardi: "Wollt ihr heiraten? Dann machen wir das jetzt." Die nötigen Nachweise für die zivile Heirat waren vorhanden; ein mitreisender Kardinal stellte das Dokument über die kirchliche Eheschließung aus. Als Trauzeuge fungierte der päpstliche Reisemarschall Rueda Beltz. Laut Vatikansprecher Greg Burke ist es das erste Mal, dass eine Trauung unter derartigen Umständen stattfand.
Das Vertrauen der Chilenen in die katholische Kirche ist erschüttert und hat mit rund 36 Prozent einen Tiefstwert in ganz Lateinamerika erreicht. Hintergrund sind zahlreiche Missbrauchsfälle durch katholische Priester. Soziale Organisationen und Opferverbände prangerten bei Protesten das jahrelange Schweigen der katholischen Kirche an.
Papst stellt sich bislang hinter Bischof Barros
Unterdessen nahm Papst Franziskus den wegen eines Missbrauchsskandals angegriffenen chilenischen Bischof Juan Barros in Schutz. Es gebe "keinen einzigen Beweis" gegen ihn, sagte Franziskus am Donnerstag an seinem letzten Besuchstag in Chile. "Alles ist Verleumdung. Ist das klar?", so der Papst. "An dem Tag, an dem man mir einen Beweis gegen Bischof Barros vorlegt, werde ich sprechen", sagte Franziskus auf die Frage eines Lokalreporters. Barros wird beschuldigt, von sexuellen Vergehen des Priesters Fernando Karadima gewusst zu haben. Belege dafür gibt es bislang nicht.
Der heute 87-jährige Karadima, einst einer der prominentesten Geistlichen Chiles, wurde 2011 wegen Missbrauchs verurteilt. Barros zählte zu seinem geistlichen Schülerkreis. Papst Franziskus ernannte Barros Anfang 2015 vom Militärbischof zum Oberhirten des kleinen Bistums Osorno im Süden Chiles. Durch die Personalentscheidung geriet auch Franziskus selbst in die Kritik. Die Debatte über Barros und dessen Auftritte bei Veranstaltungen mit Franziskus begleitete den Aufenthalt des Papstes in Chile.
Treffen mit Mapuche
Einer der prominentesten Sprecher der Minderheit der Mapuche in Chile, Aucan Huilcaman, zeigte sich von der Rede des Papstes am Vortag in Temuco enttäuscht. "Der Vortrag war ziemlich lau, doppelsinnig und ungenau", sagte Huilcaman der argentinischen Zeitung "La Nacion" (Donnerstag).
Franziskus habe sich in Temuco nur mit Mapuche getroffen, die "Produkte der Dominanz und des Kolonialismus" seien. Vor allem habe es der Papst unterlassen, über das Recht der Mapuche auf ihr Land zu sprechen. Darin lägen aber die Ursachen des Konflikts mit Unternehmen und Siedlern. Franziskus hatte am Mittwoch in Temuco die Völker Chiles zu Einheit und Solidarität aufgerufen und jede Gewalt im Kampf um Anerkennung verurteilt.
Wenig Begeisterung der Chilenen
Nach einem Treffen mit Opfern der Militärdiktatur war für den späten Nachmittag (Ortszeit) die Weiterreise nach Peru geplant. Der Besuch in Chile war für den Papst eine schwierige Mission. Sein dreitägiger Aufenthalt wurde von zahlreichen Brandanschlägen und Protesten überschattet. Die Chilenen hätten wenig Enthusiasmus für den Papst gezeigt, heißt es in einem Bericht der Zeitung "La Tercera". Zu beiden Gottesdiensten in Temuco und Iquique kamen deutlich weniger Gläubige als gedacht.
In Peru kann Franziskus mit einem herzlicheren Empfang rechnen. Am Donnerstagabend wurde der Papst in der Hauptstadt Lima erwartet. Das offizielle Programm beginnt aber erst am Freitag. Nach einem Treffen mit Ureinwohnern aus dem Amazonasgebiet wird Franziskus am Freitagabend zu Gesprächen mit Präsident Pedro Pablo Kuczynski zusammenkommen. Am Samstag und Sonntag wird das katholische Kirchenoberhaupt zwei Messen in Trujillo und Lima zelebrieren.