Am Arm seines Übersetzers steigt Papst Franziskus die Stufen zum erzbischöflichen Palais hoch. Oben erwartet ihn am Samstagnachmittag Griechenlands orthodoxer Erzbischof Hieronymos II. Da schreit ein alter orthodoxer Geistlicher versteckt hinter aufgereihten Medienvertretern mehrfach: "Papst, du bist ein Häretiker!" Sofort führen Polizisten ihn fort, die Straße hinauf, von wo sein Gezeter kaum noch zu hören ist.
Franziskus weiß, dass seine Anwesenheit in Griechenland nicht überall Begeisterungsstürme auslöst. So beginnt er seinen Besuch mit einem Strauß an Komplimenten an Griechenlands reichhaltiges religiöse und kulturelles Erbe. "Ohne Athen und Griechenland wären Europa und die Welt nicht das, was sie sind. Sie wären weniger weise und weniger glücklich", so der Papst vor Präsidentin Katerina Sakellaropoulou und weiteren Vertretern aus Politik und Gesellschaft.
Demokratie erfordere Beteiligung und Engagement
Doch Höflichkeit allein ist nicht Aufgabe eines Papstes. So schwenkt Franziskus von der "Wiege der Demokratie" zum Jahrtausende später entstandenen "Haus demokratischer Völker". Die Europäische Union sei ein "Traum von Frieden und Geschwisterlichkeit, den sie für viele Völker darstellt". Leider gebe es jedoch einen "Rückzug aus der Demokratie".
Demokratie erfordere die Beteiligung und das Engagement aller, "harte Arbeit und Geduld" und sie sei komplex, mahnt er. Und warnt wie so oft vor Autoritarismus und einfachen populistischen Antworten auf große Herausforderungen. Von diesen benennen Papst und Präsidentin exemplarisch Klimawandel, Migration und Pandemie.
Wie schon Zyperns Staatsoberhaupt Nikos Anastasiadis zu Beginn der Reise lobt auch Griechenlands Präsidentin das Engagement des katholischen Kirchenoberhaupts. Und sie fügt den Wunsch hinzu, auch Glaube und christliche Einheit mögen gestärkt werden. Der Beitrag von Religion und Kirche sei zudem wichtig für ein friedliches Zusammenleben, betont Sakellaropoulou.
Eher höflich und reserviert, was die Ökumene angeht
Ökumene und gesellschaftliches Engagement prägen auch die Begegnung zwischen dem Papst und Erzbischof Hieronymos II. Das "administratives Oberhaupt" der griechisch-orthodoxen Kirche hat für soziale Belange viel übrig. Seit seinem Amtsantritt 2008, also mit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland, sorgte sich der Erzbischof unter anderem um Waisenhäuser, Pflegeheime und Tafeln.
2016 war er dann mit Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. auf Lesbos, und unterzeichnete dort mit beiden einen Appell für eine humanere und gerechtere Migrationspolitik in Europa. Dabei ist Hieronymos II, bürgerlich Ioannis Liapis, auch studierter Archäologe - unter anderem an den Universitäten Graz, Regensburg und München.
Was die Ökumene angeht, gilt der Erzbischof indes als höflich und reserviert. Und so tritt der Bischof von Rom beim Heiligen Synod in Athen noch etwas demütiger auf als am Freitag in Nikosia. Er bedauert Handlungen und Entscheidungen, die wenig oder gar nichts mit Jesus und dem Evangelium zu tun gehabt hätten, sondern eher von Profit- und Machtstreben geprägt gewesen seien. "Das Unkraut des Misstrauens hat unsere Distanz vergrößert, und wir haben aufgehört, Gemeinschaft zu pflegen", so der Papst wörtlich.
Dialog lebt aus persönlichen Begegnungen
Erzbischof Hieronymus bedankt sich für den Besuch. Er beklagt vor allem die dramatischen Folgen der Corona-Pandemie, ruft zum Impfen - was in der Orthodoxie nicht selbstverständlich ist - und zu gerechter Verteilung von Impfstoffen auf. Als Hieronymos ein Geschenk an Franziskus überreicht, zieht dieser den Gastgeber zu sich heran, fasst beide Hände und sagt ihm leise etwas ins Ohr. Hieronymos' Miene hellt sich sichtlich auf, er strahlt kurz. Dialog lebt aus persönlichen Begegnungen, betont Franziskus immer wieder.
Als er kurz darauf zur katholischen Kathedrale fährt, ist dort erstmals eine kleine begeisterte Menschenmenge zu sehen - und lautstark zu hören: "Viva il Papa!" Beifall brandet in der Kirche auf. Franziskus revanchiert sich mit einer mutmachenden Rede und erinnert erneut an den Apostel Paulus in Athen, dessen Mission in Griechenland auch nicht immer glatt lief. Auch zwei orthodoxe Bischöfe sind mit ihm in die katholische Kathedrale gekommen. Unwillkommen ist der katholische Papst in Griechenland nicht - auch wenn es für Franziskus kein Heimspiel ist.
Von Roland Juchem