Papst Benedikt XVI. äußert "glühenden Wunsch" nach gemeinsamer Eucharistie

Trennung zwischen den Christen ist "Skandal"

Zum Höhepunkt seiner Türkei-Reise nahm Papst Benedikt XVI. am Donnerstagmorgen an einem ökumenischen Gottesdienst mit Patriarch Bartholomaios I. teil. Die Feierlichkeiten zum orthodoxen Andreas-Fest bildeten den Höhepunkt des viertägigen Besuchs in dem muslimisch geprägten Land. In seiner Ansprache trat der Papst vehement für die Einheit der Christen ein. Im Anschluss unterzeichneten die Kirchenführer eine gemeinsame Erklärung zur Annäherung der beiden christlichen Kirchen.

 (DR)


Beim orthodoxen Festgottesdienst bezeichnete der Papst die Trennung zwischen den Christen als "Skandal für die Welt und ein Hindernis für die Verkündigung des Evangeliums". Orthodoxe und Katholiken sollten von dem "glühenden Wunsch" beseelt sein, die Eucharistie gemeinsam zu feiern, sagte Benedikt XVI. - Bislang ist dies nicht möglich. Auch bei dem orthodoxen Festgottesdienst erhielt der Papst nicht die Kommunion.

Benedikt XVI. kündigte an, die Aussöhnung mit der orthodoxen Kirche weiter voranbringen zu wollen. "Ich kann Ihnen versichern, dass die katholische Kirche willens ist, alles Mögliche zur Überwindung der Hindernisse zu tun", so der Papst. Dabei hätten die Kirchenoberhäupter ihre Aufgabe in unterschiedlicher Form wahrzunehmen, sagte er in Anspielung auf den theologischen Streit um die Vorrangstellung des römischen Papstes oder des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Nachdrücklich bekannte sich Benedikt XVI. zu dem Ziel einer Wiederherstellung "der vollen Gemeinschaft zwischen der Kirche von Rom und der Kirche von Konstantinopel"

Europa muss sich christlicher Wurzeln bewusst werden
Zugleich beklagte Benedikt XVI. eine fortschreitende Säkularisierung in Europa. Die christliche Tradition werde in Zweifel gezogen und abgelehnt. "Angesichts dieser Tatsache sind wir gemeinsam mit allen anderen christlichen Gemeinschaften gerufen, Europas Bewusstsein seiner christlichen Wurzeln, Traditionen und Werte zu erneuern und ihnen neue Vitalität zu verleihen", betonte der Papst.

Nachdrücklich forderte er die politischen Führer weltweit auf, die Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht anzuerkennen. Das vergangene Jahrhundert habe "mutige Glaubenszeugen gesehen, sowohl im Osten wie im Westen", sagte der 79-Jährige. Auch in der Gegenwart gebe es viele solcher Zeugen.

Streit um Papstamt klären
Wie schon sein Vorgänger Johannes Paul II. lud Benedikt XVI. die orthodoxe Kirche zum Dialog über eine Neubestimmung des Papstamtes ein. Die vom Bischof von Rom beanspruchte rechtliche Vorrangstellung ist einer der zentralen Streitpunkte zwischen katholischer und orthodoxer Kirche. Jesus habe den Apostelbrüdern Petrus und Andreas die gleiche Aufgabe übertragen. Diese habe aber unterschiedliche Formen angenommen.

Die Frage des universalen Dienstes von Petrus und seinen Nachfolgern habe "leider Meinungsverschiedenheiten entstehen lassen", so Benedikt XVI. Er hoffe aber, sie zu überwinden, auch dank des jüngst wieder aufgenommenen theologischen Dialogs. Im September hatte nach jahrelanger Unterbrechung erstmals wieder eine gemeinsame vatikanisch-orthodoxe Theologenkommission getagt.

Zwei Schwesterkirchen
Mehrfach unterstrich der Papst die besondere Verbundenheit der beiden Schwesterkirchen, die die Apostel-Brüder Andreas und Petrus als ihre ersten Bischöfe verehren. Dabei erinnerte er an die Aufhebung der "tragischen Exkommunikationen von 1054" durch Paul VI. und Athenagoras I. im Jahr 1965. Seitdem seien wichtige Schritte der Annäherungen erfolgt, etwa der Besuch Johannes Paul II. im Istanbuler Patriarchat 1979 und mehrere Aufenthalte von Bartholomaios I. in Rom.

Die ostkirchliche Tradition bezeichnete der Papst als einen Schatz, aus dem die Kirche noch immer Reichtümer ziehe. Der Apostel Andreas stehe für die Begegnung zwischen der frühen Kirche und dem Griechentum vor allem in Kleinasien. Christen müssten für diese "fruchtbare Begegnung zwischen der christlichen Botschaft und hellenistischer Kultur" tief dankbar sein. Ihr Erbe habe einen bleibenden Einfluss auf die Kirchen des Ostens und des Westens.

Bartholomaios I.: Traurig über nicht erreichte Einheit
Auch der orthodoxe Patriarch rief dazu auf, den Weg zur Kircheneinheit weiterzugehen. "Wir beten darum, dass der Tag kommt, an dem die sakramentale Gemeinschaft vollkommen wiederhergestellt sein wird", sagte Bartholomaios I. während des Gottesdienstes. Es stimme traurig, dass diese Gemeinschaft derzeit noch nicht erreicht sei.

Er wiederholte zugleich seine große Freude über den Papstbesuch. Die Anwesenheit von Benedikt XVI. sei Ausdruck des Segens Gottes. Zugleich werde daran deutlich, dass beide Kirchen in brüderlicher Liebe den Weg zur Kircheneinheit "gemäß dem Willen und dem Auftrag Gottes unbeirrt fortsetzen" wollten.

Besuch in der Hagia Sophia
Am Nachmittag wird Benedikt XVI. die Hagia Sophia besuchen. Das einst wichtigste Gotteshaus der Ostkirche ist heute ein Museum.
Danach besucht er als zweiter Papst der Kirchengeschichte eine Moschee. Im Anschluss stehen mehrere Treffen mit christlichen und jüdischen Religionsführern auf dem Programm. Wie in Ankara und Ephesus steht der Papstbesuch unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen. Teile der historischen Innenstadt waren für den Verkehr gesperrt.