In einem Grußwort rief Franziskus zu einem ökumenischen Dialog in gegenseitigem Respekt auf. In allen Christen sollte die Sehnsucht nach einer Einheit herrschen, die weder darauf ziele, "einander zu unterwerfen noch sich gegenseitig einzuverleiben", so der Papst. Es gehe vielmehr darum, "alle Gaben anzunehmen, die Gott jedem gegeben hat". Zum Abschluss bat Franziskus den Katholikos, das Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche, um seinen Segen für ihn selbst sowie die gesamte katholische Kirche.
"Geliebter Bruder"
Karekin II. nannte den Papst in seiner Predigt einen "geliebten Bruder". Sein Besuch habe deutlich gemacht, dass die "Heilige Kirche Christi" geeint das Evangelium in der Welt verkünde, für die Bewahrung der Schöpfung eintrete und die großen Herausforderungen der Menschheit angehe. Die sogenannte Göttliche Liturgie fand auf einem Platz am Sitz des Katholikos statt. Der Papst trug bei der Feier eine Stola mit dem Wappen seines Vorgängers Benedikt XVI. Vor der Liturgie traf Franziskus in Etschmiadzin mit den 14 armenisch-katholischen Bischöfen des Landes zusammen.
An dem Gottesdienst in Etschmiadzin nahmen auch Vertreter religiöser und ethnischer Minderheiten sowie ausländische Gäste teil. Katholikos Karekin II. erwähnte in seiner Predigt unter anderem assyrische Christen, Juden, Jesiden und Kurden, aber auch Deutsche, Russen und Polen.
Zentrales Thema Ökumene
Die Ökumene ist ein zentrales Thema der dreitägigen Armenien-Reise gewesen. Katholikos Karekin II. begleitete den Papst zu nahezu allen Terminen seines Besuchsprogramms. Während eines ökumenischen Friedensgebets in der Hauptstadt Eriwan mahnte Franziskus dazu, die Einheit der Christen nicht als "strategischen Vorteil" zu sehen, der aus gegenseitigem Interesse anzustreben sei. Sie sei das, "was Jesus von uns verlangt".
Nach der armenischen Gottesdienst steht ein ökumenisches Mittagessen und ein Treffen mit Vertretern und Spendern der armenisch-apostolischen Kirche auf dem Programm. Zum Abschluss seiner Reise lässt Franziskus im Kloster Khor Virap, in der Nähe der türkischen Grenze, gemeinsam mit dem Katholikos Friedenstauben aufsteigen.
Gemeinsame Erklärung zum Abschluss
Zum Abschluss des dreitägigen Papstbesuchs in Armenien wollen Papst Franziskus und das armenisch-apostolische Kirchenoberhaupt Katholikos Karekin II. eine ökumenische Erklärung unterzeichnen. Das teilte ein Sprecher der armenischen Kirche am Sonntag in Etschmiadzin mit. Der Inhalt der Erklärung werde erst nach der Unterzeichnung bekanntgegeben.
Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, man habe den Text am Samstagabend beschlossen. Die Unterzeichnung finde vor dem Besuch des Klosters Khor Virap statt, dem letzten Programmpunkt des Papstbesuchs. Die Erklärung gebe den Stand der ökumenischen Beziehungen der beiden Kirchen wieder, sagte Lombardi.
Ein solches Dokument war im Vorfeld angekündigt worden, der Vatikan äußerte in den Tagen vor der Armenienreise aber Zweifel, ob man sich auf einen gemeinsamen Text werde verständigen könne. Der päpstliche Ökumene-Beauftragte Kardinal Kurt Koch nimmt an dem aktuellen Besuch nicht teil. Er hält sich derzeit als Beobachter auf dem orthodoxen Konzil auf, die in Kreta endet.
Türkei-Kritk an Papstäußerung zum "Genozid"
Mit der Bezeichnung der Armenier-Massaker 1915 als "Genozid" hat Papst Franziskus unterdessen harsche Kritik seitens der Türkei ausgelöst. Vize-Ministerpräsident Nurettin Canikli nannte die Äußerung am Samstagabend laut Medienberichten "sehr unglücklich" und sprach von einer "Kreuzzugmentalität". Vatikansprecher Federico Lombardi wies dies umgehend zurück. "Der Papst versucht nicht Kriege zu organisieren, sondern Frieden zu schaffen", sagte Lombardi am Sonntag vor Journalisten in Etschmiadzin.
Dem Papst gehe es darum, "Brücken zu bauen und keine Mauern", so der Vatikansprecher weiter. Franziskus habe auch "nichts gegen das türkische Volk gesagt", sondern im Gegenteil zu Versöhnung zwischen Armeniern und Türken aufgerufen.
Der Papst hatte zu Beginn seines Armenienbesuchs am Freitagabend im Präsidentenpalast von Eriwan mit Bezug auf die Vertreibungen und Ermordungen von 1915 von einer "Tragödie" gesprochen, die eine Reihe von Gräueltaten des 20. Jahrhunderts eröffnet habe. Abweichend vom Redeskript fügte er das Wort "Genozid" ein. Armenische und türkische Medien griffen die Nachricht lebhaft auf.