Die Kirche dürfe nicht "mit dem Finger auf die anderen" zeigen, um sie zu verurteilen, sagte Franziskus am Sonntag im Eröffnungsgottesdienst in Rom. Sie sei verpflichtet, "die verletzten Paare zu suchen und mit dem Öl und der Aufnahme der Barmherzigkeit zu pflegen". Sie müsse dabei die "Grundwerte" lehren und verteidigen, ohne zu vergessen, dass die Gesetze immer nur für den Menschen da sind. Christus rufe die Gläubigen auf, jede Form des Individualismus und des Legalismus zu überwinden. Der Papst kritisierte zugleich den wachsenden Bedeutungsverlust der Familie, vor allem in westlichen Gesellschaften.
Meistbeachtete Bischofsversammlung
Von Montag an beraten rund 270 Bischöfe aus aller Welt im Vatikan in Anwesenheit des Papstes über die Haltung der katholischen Kirche zu Ehe und Familie. Es handelt sich um die meistbeachtete Bischofsversammlung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren. Die dauerhafte, treue und fruchtbare Liebe werde heute "immer mehr belächelt und angesehen als sei sie etwas Altertümliches", so Franziskus in seiner Predigt weiter. Es habe den Anschein, als ob es gerade in den entwickeltesten Gesellschaften die niedrigsten Geburtenraten und die höchste Quote an Abtreibungen und Scheidungen gebe. Demgegenüber müsse die katholische Kirche die "Einheit und die Unauflöslichkeit der Ehe" sowie die "Heiligkeit des Lebens" verteidigen, forderte der Papst. Dabei dürfe sie sich nicht von "flüchtigen Moden oder den herrschenden Meinungen" richten.
Kirche als Feldlazarett mit offenen Türen
Paradoxerweise, so Franziskus, sei auch der Mensch von heute, der Gottes Plan von der wirklichen Liebe oft lächerlich mache, von der treuen und immerwährenden Liebe angezogen und fasziniert. Der heutige Mensch laufe den Liebesbeziehungen des Augenblicks und "fleischlichen Genüssen" nach, sein Traum sei jedoch die wahre Liebe. Für Gott sei die Ehe keine Utopie der Jugend, sondern ein Traum, ohne den sein Geschöpf zu Einsamkeit bestimmt sei.
Der Papst forderte weiter, die Kirche müsse ein «Feldlazarett» mit "offenen Türen" für alle sein, die um Hilfe bitten. Sie müsse aus ihrer «eigenen Einzäunung» heraustreten und auf die anderen zugehen.