Papst findet Prozesse gegen Straftäter im Vatikan notwendig

Prinzipien von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

Papst Franziskus hat das häufige juristische Vorgehen gegen Straftäter im Vatikan verteidigt. Beim jährlichen Empfang für das Personal an den vatikanischen Zivil- und Strafgerichten rief der Papst zugleich zu Barmherzigkeit auf.

Papst bei Audienz im Vatikan / © Andrew Medichini/AP (dpa)
Papst bei Audienz im Vatikan / © Andrew Medichini/AP ( dpa )

Der Papst sagte am Samstag: "In den letzten Jahren haben die juristischen Streitfälle und Prozesse zugenommen, und auch in etlichen Fällen die Schwere der Taten, die dort verhandelt werden. Dies gilt vor allem im Bereich von Vermögen und Finanzen."

Das Problem seien aber nicht die Prozesse, sondern die Verhaltensweisen und Taten, die diese Prozesse leider unvermeidlich machten. Denn dieses Verhalten von Mitgliedern der Kirche beeinträchtige in schwerwiegender Weise die Fähigkeit der Kirche, das Licht Gottes und die Botschaft Christi zu verbreiten.

Die Behörden des Papstes

Nach mehrjähriger Arbeit hat der Vatikan die Neuordnung der römischen Kurie veröffentlicht. Die Apostolische Konstitution "Praedicate evangelium" regelt den Aufbau der Kurie, darunter die Zuschnitte der sogenannten Dikasterien (Ministerien), Justiz- und Wirtschaftsorgane sowie der Büros des Heiligen Stuhls. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) stellt die Organe kurz vor:

Blick auf den Petersdom / © STLJB (shutterstock)

Gegenüber Verurteilten barmherzig sein

Zugleich erinnert Franziskus daran, dass die Kirche gegenüber Verurteilten barmherzig sein müsse. Ein Urteil stelle für den Betroffenen eine "Prüfung" dar, die aber im Falle eines Fehlverhaltens notwendig sei, wenn es das Antlitz der Kirche verdunkle und unter den Gläubigen Anlass zum Skandal gebe.

Am Ende brauche es eine konsequente Unterscheidung und nicht eine "kalte Schreibtisch-Moral", um die Prinzipien von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Diese beiden Prinzipien müssten zusammen gehen; sie seien kein Gegensatzpaar, vielmehr sei die Barmherzigkeit, die Erfüllung der Gerechtigkeit.

Im Vatikan sind seit Monaten mehrere Wirtschafts-Strafverfahren gegen einst hochrangige Funktionäre sowie Berater im Bereich Vermögen und Finanzen anhängig. Prominentester Angeklagter ist die frühere Nummer zwei des vatikanischen Staatssekretariats, Kardinal Angelo Becciu.

Staatsanwalt spricht von neuen Herausforderungen

Große Herausforderungen an die Justiz des Vatikanstaats hat der neue vatikanische Generalstaatsanwalt Alessandro Diddi (58) angekündigt. Das zurückliegende Gerichtsjahr sei bereits ein besonderes gewesen, sagte Diddi, der seit einem halben Jahr im Amt ist. 

Das vatikanische Gerichtsjahr 2022 war geprägt durch ein großes, bisher nicht abgeschlossenes Wirtschaftsstrafverfahren gegen frühere vatikanische Funktionäre im Bereich Finanzen. Der Staatsanwalt kündigte an, auch die künftige Arbeit werde "mit Nüchternheit und Diskretion" erledigt werden und Beeinflussungen durch Vorurteile und die Medien zu vermeiden suchen.

Neue Herausforderungen

Weiter sagte Diddi: "Neue, nicht weniger delikate Herausforderungen als die bisherigen zeichnen sich am Horizont ab." Die wachsende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mache den Akteuren der vatikanischen Justiz bewusst, wie groß die ihnen anvertraute Verantwortung sei. Sie müssten ihre Aufgaben sehr gewissenhaft und unter Beachtung der Rechte der Angeklagten erfüllen.

Vor Gericht / © PaeGAG (shutterstock)

An den den bei der Zeremonie anwesenden italienischen Justizminister Carlo Nordio gewandt sagte Diddi, es gebe derzeit immer häufiger Ermittlungen in Dingen, die über die vatikanischen Staatsgrenzen hinausreichten. Deshalb habe seine Behörde jetzt häufig Kontakt mit ausländischen Justiz- und Polizeibehörden. Er sei für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit besonders dankbar, da es zwischen dem Vatikanstaat und der Italienischen Republik kein förmliches Rechtshilfeabkommen gebe. Dennoch seien die Beziehungen von gegenseitigem Vertrauen geprägt.

Fall Orlandi wieder aufgenommen

Pietro Orlandi mit einem Bild seiner verschwundenen Schwester / © Serena Cremaschi Insidefoto (dpa)
Pietro Orlandi mit einem Bild seiner verschwundenen Schwester / © Serena Cremaschi Insidefoto ( dpa )

Derzeit nähmen auch aus anderen Ländern die Anfragen an seine Behörde zu, Ermittlungsergebnisse über die Grenzen hinweg zu teilen, betonte Diddi. Dies zeige, wie wertvoll die Arbeit der Staatsanwaltschaft und der Polizei in dem kleinen Staat der Vatikanstadt sei.

Diddi hatte im Januar überraschend angekündigt, der Vatikan werde im Fall der 1983 spurlos verschwundenen Jugendlichen Emanuela Orlandi Ermittlungen aufnehmen. Dieser ungelöste Fall bewegt die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten, die italienische Justiz hatte ihn im Jahr 1997 wegen fehlender Beweise zu den Akten gelegt.

Quelle:
KNA