Die Familie ist nach Worten von Papst Franziskus eine "Fabrik der Hoffnung, des Lebens und der Auferstehung". Ohne mehr weltweite Unterstützung für die Familien und die Absicherung besonders der jungen Familien habe die Gesellschaft keine Zukunft, sagte er vor den Teilnehmern des katholischen Weltfamilientreffens in Philadelphia. Familien seien Sinnbild für eine Welt, in der sich kein Mensch alleingelassen und überflüssig fühle und jeder seinen Platz habe, vom Kind bis zu den Großeltern. Die Zukunft des Planeten hänge vom Zusammenhalt der gesamten Menschheit ab. Die Frage, welche Welt die Menschen von heute ihren Kindern hinterlassen wollen, müssten sie über alle Grenzen von Herkunft und Religion hinweg gemeinsam beantworten.
Beim abendlichen "Fest der Familien" legte der Papst nach teils bewegenden Begegnungen mit Familien, die ihre Lebensgeschichten berichteten, sein Redemanuskript beiseite und improvisierte auf Spanisch. "Die Familie hat ein göttliches Bürgerrecht", sagte er, wohl mit Blick auf die Migrationsdebatte in den USA. "Den Pass für den Zugang zum Himmel hat Gott ihr übergeben."
Nicht in Unfrieden schlafen gehen
Freilich sei das Familienleben nicht immer leicht, gestand der Papst ein. "Es fliegen auch schon mal Teller. Und Kinder machen Kopfschmerzen - von den Schwiegermüttern gar nicht erst zu sprechen." Kinder machten den Eltern Arbeit, so Franziskus; "auch wir selbst haben unseren Eltern früher Arbeit gemacht." Und er verwies auf seine Begegnung mit im Vatikan tätigen jungen Eltern, die manchmal mit tiefen Augenringen zur Arbeit erschienen, wenn ihr Neugeborenes die ganze Nacht geschrien habe.
"In der Familie gibt es Schwierigkeiten; doch die werden mit Liebe überwunden. Hass löst nie etwas", betonte Franziskus. Er riet, nach Streitigkeiten in der Familie niemals im Unfrieden schlafen zu gehen, sondern sich spätestens am Ende jedes Tages zu versöhnen.
Mindeststandards für Familien
Seinen Zuhörern legte der Papst vor allem die Sorge für die junge und die älteste Generation ans Herz. "Ein Volk, das sich nicht um seine Kinder und um seine Großeltern kümmert, hat nicht die Kraft und das Gedächtnis, um nach vorne zu gehen", so Franziskus. "Familie ist schön, aber sie kostet auch etwas."
Im vorab verbreiteten Redemanuskript des Papstes hieß es, viele Probleme auf der Welt seien leicht lösbar, wenn die Gesellschaft materielle Mindeststandards für das Leben von Familien gewährleisten würde. Dazu zählten unter anderem menschenwürdige Arbeit, ausreichender Wohnraum und angemessene Gesundheitsversorgung.
Kampf um familienfreundliche Gesellschaft
Der Wunsch nach Familie sei "Teil von Gottes Traum" für die Menschheit, der fortwährend wahr werde in den Träumen vieler Paare, die sich entschließen, ihr Leben als Familie zu gestalten. In einer derartigen Familie sei Gott in Jesus auch Mensch geworden. In der Familie lerne der Mensch "schrittweise die Bedeutung und den Wert der menschlichen Beziehungen kennen"; er lerne, "aus Liebe alles aufs Spiel zu setzen". Deshalb, so Franziskus, lohne es sich, für eine familienfreundliche Gesellschaft zu kämpfen.
"Wir dürfen nicht meinen, eine Gesellschaft, die dem Familienleben keinen konkreten Raum gibt, sei gesund", so Franziskus. "Wir dürfen nicht meinen, dass eine Gesellschaft Zukunft hat", deren Gesetzgebung nicht die Mindestanforderungen dafür verteidige und absichere, dass sich Familien entwickeln könnten - "besonders jene, die gerade am Anfang stehen", verwies der Papst auf die spezielle Situation jungverheirateter Paare. Die Weltfamilientreffen gehen auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zurück. Die erste Begegnung dieser Art fand 1994 in Rom statt. Die im Drei-Jahres-Rhythmus organisierten Welttreffen verbinden mehrere Einzelveranstaltungen: einen internationalen Kongress für Theologen und Laien, die Präsentation christlicher oder zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen sowie eine große Abschlussmesse.
Deutlich gegen Missbrauch
Überraschend traf sich der Papst am Sonntag auch mit Opfern sexuellen Missbrauchs. Dort hat er so deutlich wie nie zuvor öffentlich eingestanden, dass auch Bischöfe Minderjährige sexuell missbraucht oder derartige Fälle vertuscht haben. "Ich beklage zutiefst, dass einige Bischöfe nicht ihrer Verantwortung nachkamen, Minderjährige zu schützen", sagte er. Es sei "sehr beunruhigend zu wissen, dass in einigen Fällen auch Bischöfe selbst Missbrauchstäter" gewesen seien, so der Papst laut einer vom Vatikan veröffentlichten Mitteilung. Zugleich versprach Franziskus, dass Priester und Bischöfe für diese Taten zur Rechenschaft gezogen würden.
Bei einem Treffen mit 300 Bischöfen aus aller Welt erklärte Franziskus anschließend: "Die Verbrechen, die Sünden des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen dürfen nicht länger geheimgehalten werden." Er bleibe "überwältigt von Scham" über solche Fälle, so der Papst. "Gott weint!" Der Papst hatte im Juni im Vatikan ein eigenes Gericht für Bischöfe eingerichtet, die sexuellen Missbrauch vertuschen. Damit machte er eine Ausnahme vom geltenden Kirchenrecht. Demnach sind Bischöfe in strafrechtlichen Angelegenheiten allein dem Papst verantwortlich. Es war das zweite Mal, dass Franziskus mit Missbrauchsopfern zusammentraf. Die Begegnung im Priesterseminar von Philadelphia fand jenseits des offiziellen Besuchsprogramms statt und war nicht angekündigt. Die erste derartige Begegnung fand im Juli 2014 im Vatikan statt.
Kritik an US-Strafvollzug
Bei einem Besuch des größten Gefängnisses von Philadelphia kritisierte Franziskus den Strafvollzug in den USA und forderte Staat und Gesellschaft zu einer besseren Resozialisierung von Häftlingen auf. "Es tut weh, Strafsysteme zu sehen, die nicht versuchen, Verletzungen zu behandeln, Wunden zu heilen und neue Chancen zu schaffen", sagte er. Gelingende Resozialisierung hebe die Moral der gesamten Gemeinschaft. Mit rund 2,3 Millionen Strafgefangenen haben die USA die höchste Inhaftierungsrate der Welt. Viele Gefängnisse sind völlig überfüllt.
Die Reise nach Kuba und in die USA war die bislang längste Auslandsreise in der zweieinhalbjährigen Amtszeit von Franziskus. Der 78-Jährige hielt unterwegs mehr als zwei Dutzend Ansprachen und Predigten. Zu den Höhepunkten zählten Begegnungen mit den kubanischen Revolutionsführern Fidel und Raul Castro sowie Reden vor dem US-Kongress und vor der UNO-Vollversammlung in New York. Eigentlicher Anlass der Reise war das Weltfamilientreffen in Philadelphia. Danach weitete sich die Reiseplanung aufgrund der vom Papst selbst angestoßenen diplomatischen Annäherung zwischen Kuba und den USA weiter ausdehnte.
Am Ende seines Besuchs dankte Papst Franziskus dem Land und seinen Menschen für ihren herzlichen Empfang. "Dieses Land wurde mit enormen Gaben und Möglichkeiten gesegnet. Ich bete, dass Sie alle gute und großzügige Verwalter der menschlichen und materiellen Ressourcen sein mögen, die Ihnen anvertraut sind", sagte der 78-Jährige kurz vor seinem Rückflug nach Rom auf dem Flughafen von Philadelphia, wohin unter anderen US-Vizepräsident Joe Biden gekommen war. Er danke auch Präsident Barack Obama für den warmherzigen Empfang in den USA und bete für das amerikanische Volk, so Franziskus.