domradio.de: Wie haben Sie den Gottesdienst im Fußballstadion erlebt?
Thomas Schumann (Osteuropahilfswerk Renovabis): Die Heilige Messe stand unter dem Motto "Kirche, ein Haus des Trostes". Dieses Motto ist nur eine Bestärkung, da die Menschen hier sehr engagiert sind und sich im Dialog ganz selbstverständlich an ihre Mitmenschen wenden. In Georgien gibt es 80 Prozent Christen mit einem großen Anteil an Orthodoxen. Katholiken bilden hier eine Minderheit von etwa zweieinhalb Prozent.
domradio.de: Wie wurde der Papst in Georgien empfangen?
Schumann: Der Papst wurde gestern warm empfangen. Allerdings galt dieser herzliche Empfang dem Oberhaupt des Vatikanstaates, nicht dem Führer einer Weltkirche. Um dies mal deutlich zu machen: Es ist vergleichbar mit dem Fürsten von Lichtenstein. Der Heilige Vater kam als Staatsoberhaupt eines kleinen Landes in Georgien an und wurde deshalb mit militärischen Ehren empfangen. Das bedeutet nicht, dass der Empfang nicht freundlich gewesen wäre, aber Papst Franziskus wurde eben nicht als Kirchenführer empfangen. Der Staatspräsident und auch Patriarch Ilia II. brachten auch sehr deutlich zum Ausdruck, dass die Orthodoxen im Angesicht ihrer Personenzahl in Georgien die kirchliche Macht besitzen.
domradio.de: Hat diese Übermacht der Orthodoxen Einfluss auf das Verhalten der Katholiken in Georgien?
Schumann: Die Katholiken ziehen sich diesen Schuh nicht an. Sie zeigen sich trotzdem sehr selbstbewusst und engagieren sich gesellschaftlich stark. Die Katholiken lassen sich nicht kleinkriegen und suchen den Dialog mit den Orthodoxen.
domradio.de: Haben der Patriarch und Franziskus sich bei dem gestrigen Treffen denn gut verstanden?
Schumann: Persönlich haben sie sich sicher gut verstanden. Beide gehen höflich miteinander um. Patriarch Ilia II., der aber eben auch Oberhaupt einer Staatskirche ist, sieht den Papst als einen Bruder auf Augenhöhe. Das passt sehr gut zu einem anderen Motto, welches hier angeschrieben steht; "Ihr aber seid Brüder". Dieser Satz aus dem Matthäus Evangelium ist sehr wichtig; er bedeutet "Ihr seid alle Christen, ihr könnte nur gemeinsam etwas bewirken".
Auf der Rasenfläche im Micheil-Meschi-Stadion, in dem heute Morgen der Gottesdienst gefeiert wurde, stand "Ut unum sint" also "alle sollen eins sein". Diese Botschaften hat der Papst bei seiner Predigt heute unterstrichen.
domradio.de: Wie sind die Mottos zu betrachten?
Schumann: Die Botschaften sind im Kontext des Jahres der Barmherzigkeit zu betrachten. Die Kirche, die als Haus des Trostes, zusammen mit der Caritas, der Bildungsarbeit und der Sorge für dir Armen und Alten, verkörpert wird, ist meiner Meinung nach die gelebte Barmherzigkeit.
Das Interview führte Milena Furmann.