Papst Franziskus hat erneut die Gender-Theorie kritisiert. Die moderne und zeitgenössische Kultur habe neue Räume, Freiheiten und Tiefen eröffnet, die Unterschiede zwischen Mann und Frau besser zu verstehen, sagte der Papst am Mittwoch bei seiner Generalaudienz. Doch sie habe auch viele Zweifel und Skepsis geschaffen. Er frage sich zum Beispiel, "ob die sogenannte Gender-Theorie nicht auch Ausdruck von Frustration und einer Resignation ist, die auf die Auslöschung der sexuellen Differenz zielt, weil sie nicht mehr versteht, sich mit ihr zu konfrontieren. Wir riskieren hier, einen Rückschritt zu machen. Die Verdrängung der Unterschiede ist das Problem, nicht die Lösung.“
Der Unterschied der Geschlechter gehöre zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen, so Franziskus weiter. Ohne die Erfahrung der Gegenseitigkeit von Mann und Frau, könne der Mensch nicht harmonisch heranwachsen und nicht wirklich verstehen, was Mann- und Frausein bedeute, erklärte der Papst vor mehreren zehntausend Menschen.
Gott schuf Mann und Frau
Franziskus hob zugleich hervor, dass Ehe und Familie auch für Nichtglaubende wichtig seien. Er appellierte an die Vertreter der Gender-Theorie, dieses Thema nicht zu vernachlässigen. Auf dem Weg zu einer freieren und gerechteren Gesellschaft seien Ehe und Familie keineswegs zweitrangig geworden, so Franziskus. Die Kirche und alle Gläubigen seien verantwortlich dafür, dass die "Schönheit des Schöpfungsplans, der das Antlitz Gottes auch in die Verbindung zwischen Mann und Frau einprägt" wiederentdeckt werde. Gott habe die Erde dem Bund von Mann und Frau anvertraut. Das Scheitern dieses Bundes habe daher schwerwiegende Folgen.
Zugleich forderte Franziskus mehr Rechte und Förderung für Frauen in Gesellschaft und Kirche. Auf diesem Feld müsse noch viel getan werden. Es reiche nicht aus, nur stärker auf die Stimme von Frauen zu hören. Sie müssten vielmehr auch "wirkliches Gewicht" und "anerkanntes Durchsetzungsvermögen" haben. Der Unterschied zwischen Mann und Frau dürfe keine Unterordnung bedeuten, sondern Gemeinschaft, so der Papst.
Weiter stellte Franziskus einen Zusammenhang zwischen einer gegenwärtigen Glaubenskrise und einer Krise in den Beziehungen zwischen Mann und Frau her. Er verwies hierbei auf die biblische Schöpfungsgeschichte von Adam und Eva. Sie lehre, dass es Streit zwischen Mann und Frau gebe, sobald das Vertrauen in Gott schwinde.
Gegen Aufzwingen von Gender-Theorie
Bereits im Januar hatte sich Papst Franziskus gegen ein Aufzwingen der Gender-Theorie durch westliche Geldgeber in Entwicklungsländern gewandt. Wenn finanzielle Hilfe an Bedingungen geknüpft werde, etwa die Lehre der Gender-Theorie in den Schulen, verlören diese Völker ihre Identität, sagte er bei einer Pressekonferenz während seines Rückflugs von den Philippinen nach Rom.
Während seines Besuchs auf den Philippinen hatte Franziskus eine "ideologische Kolonisation" vor allem mit Blick auf Angriffe gegen das traditionelle Familienbild und eine Relativierung der Ehe kritisiert. Die Philippiner rief er auf, ihren katholischen Traditionen treu zu bleiben.
Benedikt XVI.: "Zutiefst unwahr"
Auch Amtsvorgänger Benedikt XVI. hatte sich gegen die Gender-Theorie gewandt. Deren "tiefe Unwahrheit" sei "offenkundig", sagte Benedikt 2012 in seiner Weihnachtsansprache vor der römischen Kurie. Sie betrachte das Geschlecht nicht als Vorgabe der Natur, sondern als soziale Rolle.
Die Gender-Theorie führe zu einem Verschwinden der "Grundfiguren menschlicher Existenz", betonte der damalige Papst in seinem Jahresrückblick. Wenn die festen Rollen Vater, Mutter, Kind fehlten, werde der Mensch als Ebenbild Gottes entwürdigt. "Wo die Freiheit des Machens zur Freiheit des 'Sich-selbst-Machens'" werde, führe dies "notwendigerweise zu einer Leugnung des Schöpfers selbst".
Zugleich äußerte sich das Kirchenoberhaupt besorgt über eine Bedrohung der Familie durch eine wachsende Bindungsunfähigkeit. Zwar sei die Familie trotz aller gegenteiligen Eindrücke auch heute "stark und lebendig". Vor allem in der westlichen Welt sei ihre Krise jedoch unbestreitbar. Ursachen seien ein falsches Selbstverständnis von Freiheit und Selbstverwirklichung sowie eine "Vision des Menschseins", die Geschlechtlichkeit nicht mehr als Vorgabe der Natur, sondern als soziale Rolle definiere.
Bischof Voderholzer: "Verhängnisvoller Irrtum"
In Deutschland war es der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der scharfe Kritik an einer "Gender-Ideologie" übte. Es sei ein "verhängnisvoller Irrtum", das Geschlecht eines Menschen als "beliebiges und frei wählbares Kulturgut zu betrachten", sagte Voderholzer 2014 bei einem Internationalen Kongress über "Liebe, Leib und Leidenschaft" in der Katholischen Universität in Eichstätt. Schon der Alternativbegriff "Gender" sei an sich ein "vergiftetes Wort", das außerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht salonfähig gemacht werden solle.
In ihren radikalen Ausprägungen handele es sich bei der "Gender-Ideologie" um eine dualistische Irrlehre, wie sie der Manichäismus in der Spätantike gewesen sei, sagte der Regensburger Bischof. Die Möglichkeit zum Vater-Sein und Mutter-Sein sei eine "schöpfungsmäßige Bestimmung des Menschseins" als Mann und Frau. Diese prinzipielle Differenz zwischen den Geschlechtern zu leugnen, komme einer Realitätsverweigerung gleich. Dabei sei nicht entscheidend, ob dieses Potenzial in jedem Fall realisiert werde oder nicht. Der bewusste Verzicht auf Ehe oder Elternschaft sei aber etwas anderes als eine Verleugnung oder Verdrängung dieser Möglichkeit.
Mit Blick auf den menschlichen Geschlechtsakt wies Voderholzer auf einen "ernstzunehmenden Unterschied zwischen Machen und Zeugen" hin. Es sei "ein schrecklicher Gedanke, ihn in die Nähe von Laboren und Tiefkühlkammern zu rücken". Die zentrale Intention von Papst Paul VI. bei der Abfassung der Enzyklika "Humanae Vitae" sei es gewesen, den Zeugungsakt als Quelle des Lebens von jeder Manipulation freizuhalten. Die Festlegung des katholischen Lehramtes auf natürliche Methoden der Empfängnisregelung befördere Werte wie Rücksicht, gegenseitige Achtung und Treue. Es sei die Frage, ob auch durch die Pille die Liebe in ehelichen Beziehungen gewachsen sei.
Meisner: "Gottgemäß, nicht politisch korrekt"
Der damalige Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner betonte 2013, die biologische Prägung des Menschen sei gottgewollt. Die Gnade des Taufsakramentes helfe dabei, "unser Wesen als Mann und Frau ohne ideologische Einengung zu entfalten", so Meisner. Die Frau würde nicht nur zur Frau erzogen, wie einst von der französischen Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir erklärt.
Zwar seien mit dem Geschlecht in unterschiedlichen Kulturen bestimmte Rollen verbunden, doch fundamentale Prägungen seien vorgegeben, erklärte der Kölner in einem Pontifikalamt zum Neujahrsempfang des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln weiter. "Die Frau, die im Berufsleben ihren Mann steht, bleibt Frau, Und der Mann, der daheim die Kinder versorgt, bleibt Mann." Der Mensch könne sein Geschlecht nur im Sinne Gottes gestalten.
"Wenn das Genderdenken danach trachtet, das Schöpferdenken aufzuheben, hat das Kind auch seine eigene Würde verloren." Der Mensch solle sich bemühen, "im geschöpflichen Rahmen Gott gleich zu sein". Die gottgemäße Einheit des Menschen in der Familie entspringe der Natur des dreifaltigen Gottes. "Wo das nicht mehr gilt, zerfällt auch die menschliche Kultur, die geprägt ist von der Verschiedenheit der Menschen." Christen sei es aufgetragen, für diese Menschenform einzustehen. "Und dabei dürfen wir nicht auf politisch korrektes Reden, sondern gottgemäßes Handeln achten."