Papst Franziskus spricht im Interview über Priestermangel und einen Deutschlandbesuch

Verheiratete Männer als Priester?

In seinem ersten Interview mit einer deutschen Zeitung spricht Papst Franziskus über seine Glaubenszweifel, die Gefahr des Populismus, einen möglichen freiwilligen Zölibat und das Lutherjahr 2017. Es ist in der Wochenzeitung "Die Zeit" erschienen.

Papst Franziskus / © Evandro Inetti (dpa)
Papst Franziskus / © Evandro Inetti ( dpa )

Papst Franziskus hat sich in dem Interview kritisch mit dem Glauben auseinandergesetzt. Auf die Frage, ob er auch Momente erlebe, in denen er an der Existenz Gottes zweifle, sagt er: "Ich kenne auch die leeren Momente." Die Krise sei aber auch eine Chance, um zu wachsen: "Ein Glauben, der nicht in die Krise gerät, (...) bleibt infantil."

Sich selbst ‎erlebt Papst Franziskus dabei als ganz normalen Gläubigen. "Ich sehe mich nicht als etwas Besonderes", sagt das Oberhaupt von über einer Milliarde Katholiken weltweit: "Ich bin Sünder und bin fehlbar." Jeder Art von Papstkult erteilt Franziskus darum eine Absage. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Idealisierung eines Menschen stets auch eine unterschwellige Art der Aggression ist. Wenn ich idealisiert werde, fühle ich mich angegriffen. Ich bin ein ganz normaler Mensch, der tut, was er kann", sagt er im Gespräch mit der ZEIT, das Ende Februar im Vatikan stattfand. Es ist das erste Interview, das Franziskus während seiner vierjährigen Amtszeit einem deutschen Journalisten gegeben hat.

Franziskus berichtet, er bete täglich um inneren Frieden und viel Sinn für Humor. Auf die Frage, ob er sich von Angriffen aus dem Vatikan getroffen fühle, sagte der Papst, er habe seinen Frieden seit der Papstwahl nicht verloren. "Ich kann verstehen, wenn meine Art, die Dinge anzugehen, manchen nicht gefällt", erläutert er. "Das ist legitim und menschlich und bereichernd."

Sorge über Populismus

Der Papst äußert sich zudem besorgt über den Aufstieg des Populismus in den westlichen Demokratien: "Populismus ist böse und endet schlecht, wie das vergangene Jahrhundert gezeigt hat", sagt Franziskus. "Populismus bedeutet, das Volk zu benutzen", er brauche immer einen Messias und auch die Rechtfertigung, die Identität des Volkes bewahren zu müssen.

Als problematisch bezeichnet der Papst den zunehmenden Priestermangel in vielen Ländern, zum Beispiel in Deutschland. Die Kirche sei herausgefordert und solle sich diesem und anderen Problemen auch furchtlos stellen. Die Aufgabe der Theologie sei es, zu forschen. "Wahrheit ist, keine Angst zu haben", sagt Franziskus, "Ängste schließen Türen. Die Freiheit öffnet sie. Und wenn die Freiheit klein ist, öffnet sie immerhin ein Fensterchen." 

Freiwilliger Zölibat keine Lösung für Priestermangel

Ursache für den Priestermangel sei in seinen Augen ein Mangel an Berufungen. "Die Berufung von Priestern stellt ein Problem dar, ein enormes Problem", sagt Franziskus. Über einen freiwilligen Zölibat werde in diesem Zusammenhang immer wieder gesprochen, vor allem dort, wo es an Klerus mangelt, fügt der Papst hinzu. "Doch der freiwillige Zölibat ist keine Lösung."

Das Problem, dass Berufungen fehlten, müsse die Kirche lösen, erläutert der Pontifex. "Der Herr hat uns gesagt: Betet! Das ist es, was fehlt: das Gebet. Und es fehlt die Arbeit mit jungen Leuten, die Orientierung suchen. Es fehlt der Dienst an den anderen." Die Arbeit mit jungen Menschen sei schwierig, "doch sie ist notwendig, denn die Jungen verlangen danach".

Durch das Abwerben Andersgläubiger bekomme man keine Berufungen, sagt Franziskus: "Dann kommen viele junge Leute, die sich nicht berufen fühlen und die die Kirche ruinieren werden. Entscheidend ist die Auswahl." Angesprochen auf seine eigene Berufung räumt Franziskus ein, dass er mit 17 Jahren eine Verlobte hatte. Allerdings habe er nicht kurz vor der Heirat gestanden.

Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für Priester?

Eine mögliche Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für katholische Priester deutet Franziskus nur an. Zur Frage, ob verheiratete, erprobte Männer, sogenannte viri probati, unter bestimmten Bedingungen Priester werden sollten, sagt er, es gehe "der Kirche stets darum, den richtigen Augenblick zu erkennen, wann der Heilige Geist nach etwas verlangt". Weiter sagt der Papst: "Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie über nehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden."

Die Forderung nach einer Ausnahmeregelung für "viri probati" wird in der katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) immer wieder erhoben. Die katholische Kirche lässt verheiratete Kleriker bislang nur in drei Ausnahmen zu: als Priester einer katholischen Kirche des byzantinischen Ritus; als Priester, die mit ihrer Ehefrau aus einer evangelischen oder anglikanischen Kirche übergetreten sind; oder als verheiratete Diakone, die aber keine Priester werden können.

Am Mittwoch hatte der Freiburger katholische Theologe Helmut Hoping angesichts des Priestermangels gegenüber domradio.de vorgeschlagen, auch verheiratete Diakone zu Priestern zu weihen. Die Idee, in der Ehe bewährte Männer ("viri probati") direkt zu Priestern zu weihen, lehnte Hoping allerdings ab.

Rückendeckung für Kardinal Burke

Mit Blick auf die Auseinandersetzungen im Malteserorden nimmt das Kirchenoberhaupt den amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke in Schutz. "Ich empfinde Kardinal Burke nicht als Widersacher", sagt er. Der Kardinal sei immer noch Patron des Malteserordens. Das Problem sei eher gewesen, dass "Kardinal Burke mit der Sache nicht umgehen konnte, weil er nicht mehr allein agierte". Es gehe darum, "beim Orden ein wenig aufzuräumen, und deshalb habe ich einen Delegaten dorthin geschickt, der über ein anderes Charisma verfügt als Burke".

Franziskus betont, Burke sei ein exzellenter Jurist. Er habe ihn wegen eines schrecklichen Missbrauchsfalls auf die Insel Guam geschickt. Dieser Auftrag sei fast schon erledigt. "Dafür bin ich ihm sehr dankbar." Der Papst wendet sich damit gegen Gerüchte, er habe den Kardinal quasi in die Verbannung geschickt. Der von Papst Franziskus wiedereingesetzte Großkanzler des Malteser-Ritterordens, Albrecht von Boeselager, hatte kürzlich einen ordensinternen Machtkampf für seine zwischenzeitliche Entlassung verantwortlich gemacht. Im Hintergrund stünden auch Kräfte in Opposition zu Franziskus, die eine Aufweichung der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie befürchteten und seine Aussagen zur Wirtschaftsordnung und Verteilung des Reichtums ablehnten, sagte von Boeselager. Er machte Burke für die Eskalation mit verantwortlich.

Wohl kein Besuch zum Reformationsjubiläum

Hoffnungen auf einen Besuch in Deutschland zum 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr macht Franziskus keine. Es werde schwierig, es seien viele Reisen geplant: "Der Terminkalender ist dieses Jahr sehr voll." Franziskus sagte, "um dem Problem vorzugreifen", sei er am 31. Oktober vergangenen Jahres zur Eröffnung des Reformationsgedenkens zum Lutherischen Weltbund ins schwedische Lund gereist. Auch für 2018 sei noch keine Reise nach Deutschland geplant.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck hatten bereits 2015 eine Einladung an den aus Argentinien stammenden Papst ausgesprochen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatten den Pontifex Anfang Februar bei einer Audienz im Vatikan gemeinsam in das Ursprungsland der Reformation eingeladen. Im persönlichen Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, sei Deutsch gesprochen worden.

Papst über Bedford-Strohm: Feuer im Herzen

Wenn man langsam spreche, verstehe er die Sprache gut, so Franziskus. Der aus Argentinien stammende Franziskus war in den 80er Jahren zu einem Studienaufenthalt an der philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main einige Zeit in Deutschland. Der bayerische evangelische Landesbischof Bedford-Strohm sei "ein guter Mann", fügt der Papst hinzu. "Er hat Feuer im Herzen."

Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.


Quelle:
epd , KNA , DR