Die Kardinäle sind somit nicht an die bisherige Vorschrift gebunden, nach der die Papstwahl zwischen dem 15. und 20. Tag nach Beginn der Sedisvakanz eröffnet werden muss. Benedikt XVI. trug damit der Tatsache Rechnung, dass der Apostolische Stuhl erstmals seit Jahrhunderten nicht durch Tod, sondern durch Amtsverzicht eines Papstes frei wird - und dass somit die zeitaufwendigen Vorbereitungen für eine Beisetzung entfallen. Zudem machte er seinen Rücktritt 17 Tage vorab bekannt. So erhielten alle Kardinäle rund um den Erdball Gelegenheit, rechtzeitig nach Rom zu reisen.
Amsteinführung noch vor Palmsonntag?
Seit Tagen ist die Frage nach einer möglichen Vorverlegung des Konklaves Thema. Derzeit scheint allerdings fraglich, ob es dazu überhaupt kommen wird. Viele Kardinäle kennen sich zwar bereits untereinander - von Konsistorien, Bischofssynoden oder Kontakten in Rom oder der Weltkirche. Sie bräuchten womöglich keine lange Zeit zum Kennenlernen. Zudem wäre es für die Diözesanbischöfe unter ihnen wichtig, rechtzeitig zu den Kar- und Ostertagen wieder zu Hause zu sein. Das würde für eine Papstwahl - und möglichst auch für eine Amtseinführung - vor dem 24. März (Palmsonntag) sprechen. Doch die Diskussionen und Spekulationen der vergangenen Tage um angebliche Missstände und Geheimdossiers haben die Prioritäten offenbar wieder verschoben. Spätestens die harsche Medienkritik des vatikanischen Staatssekretariats am Wochenende hat deutlich gemacht, dass es genügend Gesprächsbedarf über den Zustand der Kirche gibt. Schließlich müssen sie einen geeigneten Nachfolger für Benedikt XVI. wählen, dem sie die Zukunft der 1,2 Milliarden Mitglieder zählenden Kirche anvertrauen.
Nachdem anfangs vor allem Kurienkardinäle, die von Amts wegen bereits einen guten Überblick über die Mechanismen an der Kirchenspitze haben, auf einen frühen Konklavetermin drängten, melden sich nun die Kardinäle aus der Weltkirche zu Wort. Sie wollen sich in den Generalkongregationen einen direkten Eindruck von kirchlichen Fragestellungen und mögliche Kandidaten bilden. Einschätzungen, wie sie in Kurienkreisen zirkulieren, reichen allein offenbar nicht aus.
Verzicht aus freien Stücken
Das Motu proprio lässt die Regel unverändert, dass "keiner der wahlberechtigten Kardinäle von der aktiven oder passiven Wahl aus irgendeinem Grund oder Vorwand ausgeschlossen werden" könne. Anlass für öffentliche Diskussionen gab der Fall von US-Kardinal Roger Mahoney (76), dem frühere Nachlässigkeiten im Umgang mit Missbrauchsfällen vorgehalten wurden.
Bald tauchten die Namen weiterer Würdenträger auf, denen Beobachter und Lobbygruppen ebenfalls einen Wahlverzicht nahelegten. Ein Kardinal geriet sogar in die Schlagzeilen, weil seinem Bruder Vergehen vorgeworfen wurden. Ein Verzicht aus freien Stücken ist möglich, wie der schottische Kardinal Keith Michael Patrick O'Brian (74) am Montag vorexerzierte.
Eine Entscheidung über den Konklavebeginn kann frühestens in den ersten Märztagen fallen, in einer der ersten Generalkongregationen, stellte Vatikansprecher Federico Lombardi klar. Unklar ist freilich noch, ab wann und wohin Kardinaldekan Angelo Sodano die Kardinalssitzungen einberuft. Und offen ist weiter, wie viele Kardinäle letztlich ins Konklave einziehen werden. Nach der krankheitsbedingten Abmeldung des Indonesiers Julius Riyadi Darmaatmadja (78) und dem Verzicht O'Brians rechnet man in Rom mit noch zwei weiteren gesundheitsbedingten Absagen. Genannt werden der frühere Kurienkardinal Ivan Dias (76) und der emeritierte koptisch-katholische Patriarch Antonios Naguib (77). Je nachdem, ob 115, 114, 113 oder noch weniger Kardinäle ins Konklave einziehen, ändert sich auch das Quorum. Denn gewählt ist, wer die Zweidrittelmehrheit - im Zweifelsfall plus eins - auf sich vereint.