Papst Franziskus hat seinen Gruß zur Expo-Eröffnung für eine deutliche Mahnung genutzt. Die Schau sei in gewisser Hinsicht selbst Teil eines "Paradox des Überflusses", wenn sie der "Kultur des Überflusses, des Wegwerfens" gehorche und nicht zu nachhaltiger Entwicklung beitrage, sagte das Kirchenoberhaupt in einer live nach Mailand übertragenen Videobotschaft am Freitag. Die Weltausstellung steht unter dem Thema "Den Planeten ernähren, Energie für das Leben".
Die Expo solle "zu einer Gelegenheit für einen Mentalitätswandel werden", mahnte der Papst. Die Menschen in wohlhabenden Ländern müssten sich von der Vorstellung verabschieden, ihr alltägliches Handeln habe keinen Einfluss auf das Leben der Notleidenden weltweit.
"Gesichter der Hungernden"
Ins Zentrum der Weltausstellung gehörten die "Gesichter der Hungernden" und jene Männer und Frauen, die erkrankten und stürben, weil sie ungesunde oder gar keine Nahrung hätten, so Franziskus. Er wünsche sich, dass jeder, der durch die "wunderbaren Pavillons" der Expo gehe, auch "die Anwesenheit dieser Gesichter" wahrnehme. Er selbst wolle sich zum "Sprecher der Armen" machen.
Der Papst appellierte an Unternehmer, Geschäftsleute und Wissenschaftler, an einem "großen Projekt der Solidarität" mitzuwirken, um alle Menschen auf der Welt zu ernähren. Dabei gehe es um Achtung der Menschenwürde und einen schonenden Umgang mit der Umwelt. Es sei die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts, "endlich den Missbrauch des Gartens zu unterlassen, den Gott uns anvertraut hat, so dass alle die Früchte dieses Gartens genießen können".
In seiner Botschaft kritisierte der Papst auch unwürdige Arbeitsverhältnisse auf der Expo. Er wolle an die namenlosen Arbeiter erinnern, die sich für die Weltausstellung abgemüht hätten. Keiner von ihnen dürfe seiner Würde beraubt werden und kein Brot dürfe "Frucht unwürdiger Arbeit" sein, so Franziskus.
In den Gesichtern mancher Organisatoren waren in diesem Moment die Überraschung und Pikiertheit nicht zu übersehen. Dass die päpstliche Kritik sich derart deutlich gegen das Expo-Projekt selbst richten würde, hatten offenbar nur wenige erwartet.
Schon seit der ersten Weltausstellung vor 164 Jahren beteiligt sich auch der Vatikan (respektive Kirchenstaat) an der globalen Schau. Damals herrschten die Päpste noch über weite Teile Mittelitaliens; heute verfügt der Heilige Stuhl vor allem über moralisches Gewicht, noch dazu wenn es um kirchliche Kernkompetenz wie den Kampf gegen den weltweiten Hunger geht.
Reise über fünf Kontinente
Die Bibelzitate "Nicht nur vom Brot allein" und "Unser tägliches Brot gib uns heute" schmücken den katholischen Pavillon in 13 Sprachen. Im Inneren ermöglicht eine Multimedia-Installation die Reise über fünf Kontinente und reißt unterschiedlichste Aspekte des Themas an. Ein großer "interaktiver Tisch" symbolisiert die Ernährung der Welt, in Anlehnung an das Letzte Abendmahl Jesu.
Im Vorfeld gab es in italienischen Medien Spekulationen über das futuristisch-blockförmige Bauwerk in Dunkelgrau: Papst Franziskus habe sich über die Kosten von drei Millionen Euro geärgert, berichtete am Wochenende die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" unter Berufung auf "enge Mitarbeiter" des Kirchenoberhaupts, der die Bescheidenheit zur Staatsräson erhoben hat. Namen nennt das Blatt freilich nicht.
Der Präsident des päpstlichen Kulturrates und Verantwortliche für den Expo-Auftritt, Kardinal Gianfranco Ravasi, dementierte im Interview der Tageszeitung "Il Messaggero" (Mittwoch) den Bericht über das päpstliche Stirnrunzeln keineswegs. Die Medienkritik an den Kosten enthalte aber eine gute Portion Populismus. Alles sei transparent, offen und abgestimmt geplant worden.
Deutscher Pavillion deutlich teurer
Der Pavillon ist ein Gemeinschaftsprojekt von Vatikan, Italienischer Bischofskonferenz und dem Erzbistum Mailand, die jeweils eine Million Euro beisteuerten. Das sei mehr, als die italienische Kirche 2014 für die Opfer von Ebola, verfolgte Christen im Irak oder die Betroffenen der Überschwemmungen in Ligurien lockergemacht habe, bemerkte "Il Fatto Quotidiano".
Der umtriebige Kardinal, der schon häufiger mit öffentlichkeitswirksamen Initiativen in Erscheinung trat, nennt den 360-Quadratmeter-Bau vielmehr "minimalistisch". Zum Vergleich: Deutschland widmet seinem Pavillon 4.900 Quadratmeter und investierte dafür fast 50 Millionen Euro.
Kirche als "Stachel im Fleisch der Märkte"
Als "Stachel im Fleisch der Märkte" versteht Ravasi die Präsenz der Kirche bei der Expo; als Appell für mehr Nahrungsgerechtigkeit, aber auch als Forum für das interreligiöse Gespräch. Eine Gelegenheit gibt es schon: Die türkische Regierung hat Papst Franziskus zum Besuch ihres Pavillons eingeladen. Ein versöhnliches Signal nach den heftigen Protesten gegen dessen Bezeichnung der Armeniermassaker als Völkermord. Franziskus wird allerdings nicht nach Mailand kommen. Dafür will Ravasi der türkischen Einladung mit einer Delegation folgen - und lud die Türken ebenfalls ein.
Ein persönlicher Papstbesuch bei der Expo hätte ihre vielen Kritiker wohl erst recht in Rage gebracht. Schon die vielen Skandale um Korruption bei der Bauvergabe und die schleppende Fertigstellung sorgten für Empörung. Die Expo-Gegner werfen dem 2,5 Milliarden Euro teuren Event, zu dem bis zu 20 Millionen Besucher kommen sollen, Heuchelei vor. Nahrungsmittelkonzerne, die für den Hunger auf der Welt mitverantwortlich seien, zählten schließlich zu den Hauptsponsoren, heißt es. Ravasi seinerseits ist überzeugt, dass der Vatikan-Pavillon der einzige ungesponserte ist - "und der einzige, wo nichts verkauft wird".
Korruptionsskandale im Vorfeld
Fast 150 Staaten, mehr als je zuvor, sind auf der Schau vertreten. Kaum eine andere war und ist so umstritten wie diese. Nicht nur wegen der Kosten von 2,5 Milliarden Euro und der vielen Korruptionsskandale im Vorfeld. Wo es ums Essen geht, ist auch die Frage nach dem globalen Hunger nicht weit. Sie aber wird nach Ansicht der Kritiker auf dieser Expo kaum gestellt.
Die Zahlen sind bekannt: 805 Millionen Menschen auf der Welt werden niemals satt. Hunderte Millionen essen zu viel oder leiden an massivem Übergewicht, viele bekommen Herzkrankheiten oder Krebs. Für die Produktion von einem Kilo Fleisch werden durchschnittlich 20.000 Liter Wasser verbraucht, während ein Kilo Getreide nur 1.000 Liter benötigt. In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten produzierte die Menschheit ein Viertel der Nahrungsmenge seit Christi Geburt; ein Großteil wanderte umgehend in den Müll.
Um Nachhaltigkeit bemüht
Von all diesen Gegensätzen ist auf der Expo auf den ersten Blick in der Tat wenig zu erkennen. Gewaltig, eindrucksvoll ist sie zweifellos. Wer die 1,7 Kilometer lange, fast durchgehend überdachte Achse hinunterläuft, fühlt sich anfangs wie in der Holzabteilung eines gigantischen Baumarkts. Ein Großteil der 54 Pavillons - ärmere Länder haben sich zu Clustern zusammengeschlossen - sind aus dem Naturstoff gebaut. Das soll Nachhaltigkeit signalisieren.
Wie jede Expo ist auch diese ein Architekturfest. Nie gesehene Formen futuristischer Baukunst locken den Besucher. Zwischen dem Geruch von frischem Holz wabern Küchendämpfe appetitlich durch diese Science-Fiction-Welt. Vor dem polnischen Pavillon bieten hübsche Hostessen Bioäpfel an. Ein paar Länder weiter fließt bei den Deutschen Münchner Hofbräu. Gleich nebenan swingt im Schweizer Pavillon eine Jazz-Combo. Nahezu jedes Land bietet Spezialitäten. Wer will, kann sich auf knapp zwei Kilometern einmal um den Planeten schlemmen. Präsentation und der Wunsch nach gelungener Eigendarstellung stehen im Vordergrund. Bei den meisten geht das Konzept auf.
Ein Erlebnis ist diese Expo allemal, wenn auch die Präsenz von Entwicklungsorganisationen wie "Save the Children" inmitten der Auftritte von Coca Cola, Ferrero oder Lindt das Bizarre dieser Weltausstellung nicht vergessen lässt. Dort erfährt der Interessierte, dass allein 200 Millionen Kinder auf diesem Planeten unterernährt sind.