Jesus wünsche sich eine Kirche im Aufbruch, sagte er bei einer Messe am Samstag in der Johannes-Paul-II.-Gedächtniskirche in Krakau. Im Leben von Priestern und Ordensleuten könne es "keine verschlossenen Räume und privaten Besitztümer" geben. Auch Jesus sei nicht als Machtmensch in die Welt gesandt worden, sondern um zu dienen.
"Öffnet die Türen!"
An dem Gottesdienst nahmen rund 2.000 Priester, Ordensleute und Seminaristen teil, dazu weitere Tausende Gläubige auf dem Vorplatz.
In seinem einzigen Verweis auf seinen polnischen Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) in der Predigt zitierte Franziskus dessen Appell: "Öffnet die Türen!" Gottgeweihte Personen dürften nicht aus Furcht oder Bequemlichkeit in ihre eigenen Kreise eingeschlossen bleiben, sagte er. Ebenso wenig suchten echte Nachfolger Jesu die "schwankenden Podeste weltlicher Mächte" oder eine "sichere und gut bezahlte Zukunft".
Franziskus: Heucheleien vor Leitungspersonen unerwünscht
Franziskus lud die Geistlichen zu täglicher und aufrichtiger Selbstkritik ein. Jesus liebe keine "halb gegangenen Wege" und "zweigleisigen Leben". Sein Herz werde aber von denen gewonnen, "die ihre eigenen Schwächen einzugestehen und zu beweinen wissen".
Zugleich ermutigte der Papst die Priester und Ordensleute, vor Leitungspersonen in der Kirche nicht zu heucheln.
Aufgabe der Geistlichen sei es, "Barmherzigkeit zu verbreiten", sagte Franziskus. Dies bedeute, "dass wir uns konkret um die Wunden Jesu in unseren bedürftigen Brüdern und Schwestern kümmern, um die nahen wie die fernen, um den Kranken wie den Migranten, denn wenn man dem Leidenden dient, ehrt man den Leib Christi", sagte der Papst.
Messe am Erinnerungsort für Johannes Paul II.
Die Kirche Sankt Johannes Paul II. im Süden Krakaus gehört zu einem größeren Komplex, der dem Gedächtnis des einstigen Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyla und späteren Papstes gewidmet ist. An der Stelle befand sich früher eine Soda-Fabrik, für die Wojtyla unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiter tätig war.
Die zweigeschossige Kirche bewahrt in ihrem unteren Teil mehrere Reliquien Johannes Pauls II. auf: eine Ampulle mit Blut, das Brustkreuz des Papstes und das Gewand, das er bei dem Schusswaffenattentat am 13. Mai 1981 trug. Die Blutreliquie war während des Gottesdienstes neben dem Altar ausgestellt. Franziskus verehrte sie am Ende der Messe.
Vorbild für Barmherzigkeit
Zu Beginn des vierten Tages seiner Polen-Reise hat Papst Franziskus am Grab der Mystikerin und Heiligen Faustyna Kowalska (1905-1938) in Lagiewniki in Krakau gebetet. Im "Heiligtum der göttlichen Barmherzigkeit" verharrte er am Samstag in der Kapelle der Heiligen für einige Momente mit gefalteten Händen in Stille. Begrüßt wurde Franziskus von Schwestern der Mutter Gottes der Barmherzigkeit.
Kowalska gilt als theologische Vordenkerin der Barmherzigkeit, die ein zentrales Anliegen von Papst Franziskus ist. Die in Polen sehr populäre Ordensfrau inspirierte Johannes Paul II. im Jahr 1993 zur Einführung eines "Sonntags der Barmherzigkeit", den die katholische Kirche seither am ersten Sonntag nach Ostern begeht. Im Jahr 2000 wurde sie von Johannes Paul II. heilig gesprochen.
Gebetsvigil mit Papst Franziskus
Am Vormittag nahm Papst Franziskus auch mehreren Jugendlichen die Beichte ab. Zudem traf Franziskus ein Mädchen ohne Beine, dessen Prothesen er gezahlt hatte. Am Abend feiert er eine Gebetsvigil mit Tausenden junger Menschen.
Während sich Hunderttausende Jugendliche auf den Weg nach Krakau gemacht hatten, feierten auch Hunderte junge Leute in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo mit dem Papst. Von dort schickten etwa 1200 katholische Jugendliche einen Foto- und Videogruß an Franziskus, auf dem zu sehen ist, wie sie trotz Bürgerkrieg ihren eigenen Weltjugendtag feiern.
Franziskus ist seit Mittwoch in Polen, wo er den Weltjugendtag in Krakau besucht, an dem mehr als eine halbe Million Pilger aus fast 190 Staaten teilnehmen. Am Sonntag geht das Glaubensfest mit einer großen Messe unter freiem Himmel zu Ende. Dazu werden bis zu 1,5 Millionen Menschen erwartet.Anschließend reist Franziskus nach Rom zurück.