Am 13. September, so bestätigte der Vatikan am Montag, wird der Papst nach Kasachstan reisen und an einem interreligiösen Kongress in der Hauptstadt Nur-Sultan teilnehmen. Am Dienstag folgte das Reiseprogramm. Die eigentliche Nachricht versteckte der Vatikan subtil: Franziskus wird - sehr wahrscheinlich - den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. treffen. Denn der hatte seine Teilnahme am VII. Kongress der Religionen in Nur-Sultan bereits vor Monaten zugesagt.
Mögliche Begegnung
Indirekt enthalten ist die mögliche Begegnung im Programm für Mittwochnachmittag: "Private Begegnungen mit einigen religiösen Führern", so heißt es offiziell. Das ist protokollarisch niederschwellig. Kyrill würde für Franziskus ein Gesprächspartner unter mehreren sein. Bilder wird es nur wenige geben.
Das Treffen ist dennoch hoch umstritten. "Wir Diplomaten tun alles, um das Treffen zu verhindern", hatte Kiews Vatikan-Botschafter Andrij Jurasch noch Mitte Juli angekündigt. Es werde weder dem ökumenischen Dialog nützen noch dem Amt des Papstes, so Jurasch; denn es sei "ein Treffen mit dem Anwalt des Teufels".
Mächtiger Außenseiter im ökumenischen Dialog
Dass der Patriarch von Moskau den russischen Überfall auf die Ukraine mehrfach verteidigt hat, macht ihn zum mächtigen Außenseiter im ökumenischen Dialog. Das Thema wird auch bei der Vollversammlung des Weltkirchenrates (ÖRK) Anfang September in Karlsruhe für Debatten sorgen. Es gab Bestrebungen, die russisch-orthodoxe Delegation auszuladen.
Entsprechend skeptisch sind die Einschätzungen von Diplomaten und Theologen, was ein Treffen des Papstes mit Kyrill angeht. Manche sagen, Franziskus überschätze seinen diplomatischen Einfluss. Auch im Vatikan halten führende Köpfe eine Begegnung für verfrüht. Franziskus jedoch scheint seinem Grundsatz treu bleiben zu wollen: Wenn es dem Frieden dient, muss man mit allen reden.
Planungen für Treffen abgebrochen
Planungen für ein Treffen der beiden Kirchenoberhäupter im Juli in Jerusalem waren abgebrochen worden. Zuvor hatte Franziskus in einem Zeitungsinterview unverblümt über sein Videogespräch mit Kyrill im März gesprochen und gesagt, Kyrill dürfe kein "Staatskleriker" sein und müsse aufpassen, nicht zu "Putins Messdiener" zu werden. Der Patriarch war "not amused".
Der Boden, auf dem Papst und Patriarch sich treffen würden, ist ein Kongresszentrum mit dem schönen Namen "Pyramide des Friedens und der Eintracht". Nicht nur für ukrainische Ohren könnte das wie Hohn klingen. Der römisch-katholische Erzbischof von Lwiw, Mieczyslaw Mokrzycki, warnte im Juli: "Es wäre ein Desaster, wenn der Heilige Vater zunächst Russland besuchen würde und dann erst die Ukraine."
Reise in die Ukraine?
Und so spekulieren derzeit manche, ob Franziskus vor Kasachstan noch in die Ukraine reist. Der vatikanische Außenbeauftragte, Erzbischof Paul Gallagher, hat das nicht ausgeschlossen. Abwarten müsse man, wie der Papst die Kanada-Reise gesundheitlich überstehe. Zwar kündigte Franziskus auf dem Rückflug von Kanada an, in Sachen Reisen kürzertreten zu wollen. Doch was ein Treffen mit Kyrill und einen Besuch in Kiew angeht, gilt nun wohl: Wer A sagt, muss auch B sagen - oder umgekehrt.
Zum Ukraine-Krieg nimmt Kasachstan eine eher neutrale Haltung ein. Die Beziehungen zum großen Nachbarn Russland sind eng - ohne sich vereinnahmen oder bevormunden zu lassen. Über zwei Drittel der 19 Millionen Bewohner Kasachstans sind Muslime. Von den 26 Prozent Christen sind die meisten Russisch-Orthodoxe; viele Familien leben seit der Sowjetära dort. Das Gebiet gehört zum "kanonischen Territorium" des Moskauer Patriarchats. Die katholische Kirche dort, unter Stalin aus polnischen und deutschen Zwangsumgesiedelten entstanden, ist seit 1991 geschrumpft; ihr gehören noch 180.000 Mitglieder an.
Interreligiöses Treffen
Wichtigster offizieller Punkt der Papstreise ist das interreligiöse Treffen, das dort alle drei Jahre von Kasachstans Regierung ausgerichtet wird. Neben Franziskus und Kyrill wird auch einer der ranghöchsten sunnitischen Geistlichen erwartet, Großscheich Ahmed al-Tayyib von der Al-Azhar-Moschee in Kairo.
Angekündigt sind weitere Geistliche von Islam, Christentum, Judentum, Shintoismus, Buddhismus, Zoroastrismus, Hinduismus und anderen Religionen. Organisator ist Bulat Sarsenbajew, Chef des staatlichen Nasarbajew-Zentrums zur Entwicklung des Dialogs zwischen Religionen und Zivilisationen. Er sprach zuletzt von 130 Delegationen aus 60 Ländern. Man darf gespannt sein, was diese zum Thema Religion und Krieg sagen - speziell zu dem in der Ukraine.