Bei einer Begegnung mit Präsident Andrzej Duda, Regierungsvertretern und Diplomaten im Krakauer Wawel-Schloss am Mittwoch rief er dazu auf, im Umgang mit dem Thema Migration "Ängste zu überwinden" und "ethisches Engagement" unter Beweis zu stellen. "Identitätsbewusstsein ohne jede Überheblichkeit ist unerlässlich, um eine nationale Gemeinschaft aufzubauen", mahnte der Papst vor dem Hintergrund der Weigerung Polens, einen größeren Anteil der nach Europa gelangten Flüchtlinge aufzunehmen. Die polnische Regierung genießt dabei die Unterstützung durch katholische Bischöfe, die sich dafür aussprechen, allein syrische Christen ins Land zu lassen.
Nötig seien "eine zusätzliche Portion an Weisheit und Barmherzigkeit", um Ängste zu überwinden und das Beste zu erreichen, sagte er am Mittwoch in Krakau vor Staatspräsident Andrzej Duda sowie Regierungsvertretern und Diplomaten. Mit Blick auf die internationalen Beziehungen wie auf interne gesellschaftliche Debatten verlangte er ein "Identitätsbewusstsein ohne Überheblichkeit", das unterschiedliche Positionen zulasse. Die Rede in der historischen Königsresidenz Krakaus, dem Wawel, war der erste Programmpunkt des fünftägigen Besuchs von Franziskus.
Papst fordert mehr politische Zusammenarbeit
Franziskus verlangte "Bereitschaft zur Aufnahme derer, die vor Kriegen und Hunger fliehen", und "Solidarität gegenüber denen, die ihrer Grundrechte beraubt sind, darunter des Rechtes, in Freiheit und Sicherheit den eigenen Glauben zu bekennen". Nötig sei auch eine stärkere internationale Zusammenarbeit zur Lösung jener Konflikte, die Menschen in die Flucht trieben. Zugleich müsse man "die Ursachen für die Auswanderung aus Polen herausfinden und denen, die wollen, die Rückkehr erleichtern".
Unter Verweis auf seinen polnischen Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) sprach Franziskus vom "Traum eines neuen europäischen Humanismus" aus christlichen Wurzeln. Dabei erinnerte er an das Wort Johannes Pauls II. von einem "Europa, das mit seinen beiden Lungenflügeln atmet". Polen bestärkte er in der Treue zur Tradition, rief aber zugleich zu "Offenheit für die Erneuerung und die Zukunft" auf. Der Einigkeit als Nation stehe eine "Verschiedenheit der Meinungen" nicht entgegen, betonte er.
Freundschaft zwischen Deutschland und Polen
Nachdrücklich lobte er die Aussöhnung zwischen polnischen und deutschen Bischöfen nach dem Zweiten Weltkrieg als konstruktiven Umgang mit der Geschichte. Diese Initiative habe "einen nicht umkehrbaren gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Prozess ausgelöst, der die Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Völkern verändert hat", so Franziskus.
Als negativ bewertete er hingegen ein Gedenken, das "den Blick des Geistes und des Herzens zwanghaft auf das Schlechte fixiert, vor allem auf das, welches die anderen begangen haben".
Kein Religionskrieg
Zuvor hatte der Papst sich beim französischen Präsidenten François Hollande bedankt für dessen Anteilnahme nach der Ermordung des katholischen Priesters. Den Anschlag im Namen der Terrormiliz IS auf eine Kirche in Nordfrankreich stufte Franziskus als Kriegsereignis ein. "Es gibt einen Krieg, aber es ist kein Religionskrieg", sagte er auf dem Flug nach Krakau zum katholischen Weltjugendtag."Religionen befinden sich nie im Krieg, sie wollen immer den Frieden", so der Papst.
Es handle sich vielmehr um einen "Krieg der Interessen, um Geld, um natürliche Ressourcen und um die Herrschaft über die Völker". Weiter sagte der Papst: "Haben wir keine Angst, die Wahrheit zu sagen: Die Welt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat."
Gewohnt bescheiden
Nach seiner Ankunft am Flughafen von Krakau nutzte Franziskus wie bei seinen anderen Auslandsreisen einen Kleinwagen, um vom Flughafen in die Stadt zu fahren. Diesmal handelte es sich um einen schwarzen VW Golf mit Vatikan-Kennzeichen. Vor seiner Abreise war er im Vatikan mit 15 jugendlichen Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern zusammengetroffen, die vom päpstlichen Almosenamt unterstützt werden, mangels gültiger Papiere jedoch nicht zum Weltjugendtag nach Krakau reisen durften.
Im Rahmen seiner Polen-Visite will der Papst das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz und den Marienwallfahrtsort Tschenstochau besuchen. Am Sonntag steht eine große Messe zum Abschluss des Weltjugendtags in Krakau auf dem Programm. Dazu werden rund eine halbe Million Jugendliche erwartet