Am Tag nach dem blutigen Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem hat Papst Franziskus die Gewalt im Heiligen Land verurteilt und zum Frieden gemahnt. Die Lage sei geprägt von nicht hinnehmbaren Gewalttaten, die nicht einmal vor religiösen Kultstätten haltmachten, sagte Franziskus am Mittwoch bei seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz. Allen Opfern dieser Anschläge und deren Folgen sicherte er sein Gebet zu.
"Aus tiefem Herzen appelliere ich an die Konfliktparteien, der Spirale des Hasses und der Gewalt ein Ende zu setzen und mutige Entscheidungen für Versöhnung und Frieden zu treffen", so der Papst. Es sei schwer, den Frieden zu bauen; "aber ohne Frieden zu leben, ist eine Qual".
Deutsche Bischöfe entsetzt über Gewalt in Jerusalem
Mit "Entsetzen und tiefer Trauer" reagierten auch die deutschen Bischöfe auf den Anschlag. "Unser Mitgefühl ist bei den Opfern", sagte der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Bischofskonferenz, Bischof Heinrich Mussinghoff. "Wir trauern mit den Angehörigen der Toten und wünschen den Verletzten rasche und vollständige Genesung."
"Wir dürfen nicht zulassen, dass Gotteshäuser - seien es Kirchen, Moscheen oder Synagogen - zu Stätten brutaler Gewalt werden", sagte Mussinghoff weiter. Gotteshäuser seien Orte des Gebetes und Schutzraum für Menschen. Wer sie schände und betende Menschen angreife, "versündigt sich auch gegen Gott", so Mussinghoff. Dafür könne es keine Rechtfertigung geben.
Nach dem Synagogen-Anschlag in Jerusalem wächst die Sorge vor einer Zuspitzung des Nahost-Konflikts. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht sein Land in einem "Kampf um Jerusalem". Er kündigte eine rasche Zerstörung der Häuser der beiden Angreifer vom Dienstag sowie früherer Attentäter an.
Zwei Palästinenser aus dem arabischen Osten Jerusalems hatten zuvor das Gotteshaus in dem vornehmlich von ultraorthodoxen Juden bewohnten Stadtteil Har Nof gestürmt. Bewaffnet mit einer Axt, Messern und einer Pistole griffen sie die dort Betenden an. Vier Rabbiner wurden getötet, ein Polizist starb einem Medienbericht zufolge Stunden später in einem Krankenhaus. Mehrere Menschen wurden verletzt. Die beiden Palästinenser wurden wenige Minuten nach ihrer Tat von Polizisten bei einem Feuergefecht erschossen. Es war der erste tödliche Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem.
"Wir befinden uns in einem Kampf um Jerusalem, unserer ewigen Hauptstadt", schrieb Netanjahu beim Kurznachrichtendienst Twitter. "In diesem Kampf müssen wir zusammenhalten; dies ist das Gebot des Tages." Die beiden Attentäter hatte er zuvor als "Tiere in Menschengestalt" bezeichnet und schärfere Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt angekündigt. Polizeiminister Izchak Aharonovich will es mehr Israelis erlauben, zur Selbstverteidigung Waffen zu tragen. Die Palästinenser beanspruchen den von Israel annektierten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt ihres künftigen Staates.
Benediktiner: Extremisten benutzen Religion für politische Zwecke
Die Benediktiner der Jerusalemer Dormitio-Abtei reagierten mit Trauer auf das Attentat. Extremisten benützten die Religion für politische Zwecke, sagte Abteisprecher Nikodemus Schnabel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Nahostkonflikt gehe es um rein weltliche Dinge wie Wasserverteilung und Grenzziehungen. "Das hat mit Gott nichts zu tun", fügte der Geistliche hinzu. Religionsführer sollten deutlicher darauf verweisen, dass Religionen nicht dazu da seien, "Identitätsprobleme von Globalisierungsverlierern zu lösen". Die Benediktiner riefen zum Friedensgebet auf: "Beten wir um offene Herzen und Hände, damit es auch wieder Licht werden kann für Juden, Christen und Muslime im Heiligen Land, für Einheimische und für Pilger."
Nach Angaben der radikalen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gehörten die beiden Attentäter der Gruppe an. Während Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Anschlag verurteilte, sprach die radikal-islamische Hamas von einer "heroischen Tat". Augenzeugen sprachen von einem "Massaker". Drei der Opfer stammten aus den USA und eines aus Großbritannien, wie Polizeisprecher Micky Rosenfeld bestätigte. Tausende Menschen nahmen an den Begräbnissen teil.
Einem Bericht der Zeitung "Haaretz" zufolge kam es in der Nacht auf Mittwoch zunächst zu keinen größeren Zwischenfällen in Jerusalem. Im Westjordanland gerieten demnach aber rund 200 Palästinenser mit 50 jüdischen Siedlern aneinander. Sie mussten von Soldaten getrennt werden.
Streit um die Nutzung des Tempelbergs
Seit dem Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern im April ist die Lage in Nahost immer weiter eskaliert. Zuletzt sorgte der Tod eines arabischen Busfahrers, der am Sonntag erhängt aufgefunden worden war, bei den Palästinensern für neuen Zorn. Eine israelische Autopsie ergab, der Mann habe Suizid begangen. Palästinenser gehen dagegen von einem Lynchmord durch jüdische Siedler aus. Der Fall heizte die Stimmung an, die ohnehin nach einem Streit um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem (Haram al-Scharif), der Muslimen und Juden heilig ist, sehr angespannt war. In den vergangenen Wochen hatte es eine Reihe von Anschlägen auf Israelis gegeben.
US-Außenminister John Kerry verurteilte den Terrorakt und sprach von sinnloser Brutalität. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer neuen Spirale der Gewalt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an beide Lager, die angespannte Lage in Jerusalem zu beruhigen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief beide Seiten zur Zurückhaltung und zu einer Rückkehr zu Friedensgesprächen auf.
Am Dienstagabend hat sich das spanische Parlament laut nationalen Medien einhellig für eine Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat ausgesprochen. Voraussetzung dafür sei jedoch ein erfolgreiches Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern, das Frieden und Sicherheit für beide Seiten garantiere sowie die Achtung der Bürgerrechte und Stabilität in der gesamten Region zusichere, heißt es in dem fraktionsübergreifenden Kompromissantrag, der auf einem Vorschlag der oppositionellen sozialdemokratischen PSOE fußt.
Die regierende Volkspartei (PP) hatte ursprünglich eine Anerkennung Palästinas unabhängig von erfolgreichen Friedensverhandlungen vorgeschlagen, um so notfalls Druck auf Israel auszuüben. In dem jetzt angenommenen Vorschlag betonen die Abgeordneten, die "einzig mögliche Lösung" des Konflikts liege in einer Koexistenz Israels und Palästinas.