Die jüngsten Äußerungen des Papstes zu homosexuellen Lebensgemeinschaften sorgen auch in Deutschland weiter für eine Debatte um mögliche Konsequenzen. Die deutschen Bischöfe hielten sich bislang mehrheitlich zurück, wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) berichtete. Viele hätten angegeben, den Zusammenhang der in einem Dokumentarfilm veröffentlichten Zitate nicht genau zu kennen.
Der am Mittwoch veröffentlichte Film zeigt Aussagen von Papst Franziskus, in denen er eingetragene, zivile Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare befürwortet: "Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu leben", sagt das Kirchenoberhaupt. Auch sie seien Kinder Gottes: "Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht."
"Im Licht der Lehre der Kirche"
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sagte der "FAS", die Äußerungen seien zu deuten "im Licht der Lehre der Kirche, wie sie im Katechismus zusammengefasst ist und die der Papst offenbar selbst nicht infrage stellt, sondern bekräftigt". Ein Film sei kein Medium für lehramtliche Verkündigung.
Laut Katechismus der katholische Kirche, dem Lehrbuch der grundlegenden Glaubensinhalte für Familie, Schule und Kirche, sind homosexuelle Handlungen "in sich nicht in Ordnung". Die römische Glaubenskongregation hielt 2003 fest, dass "die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen" könne.
ZdK für Neubewertung homosexueller Partnerschaften
Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, sagte der "FAS", er toleriere, dass es in einer pluralistischen und säkularen Gesellschaft die Lebensform einer vom Staat garantierten eingetragenen Partnerschaft geben könne und dass diese Schutz und Rechte gewähren müsse.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erinnerte daran, dass das ZdK sich 2015 für eine Neubewertung homosexueller Partnerschaften und deren Segnung eingesetzt habe. Damals habe das noch als eine unerhörte Wortmeldung gegolten. Die Äußerung von Franziskus zeige, wie schnell sich das ändere.
"Die Kirche hinkt hinterher"
Der katholische Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz hingegen sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag), die Aussagen von Franziskus könnten sich "vielleicht als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Änderung der Lehre herausstellen". Diese sei überfällig. "Die Kirche hinkt der kulturellen Entwicklung und den moralischen Standards um Jahrzehnte hinterher."
Aus Sicht des Brixener Moraltheologen Martin M. Lintner kann die katholische Kirche eine Segnung homosexueller Partnerschaften nun nur noch schwerlich verweigern. "Ich erwarte mir eine intensive, wenn auch kontroverse innerkirchliche Auseinandersetzung über diese Frage", sagte der Ordenspriester dem Internetportal katholisch.de. "Die ausnahmslose Verurteilung einer homosexuellen Beziehung als sündhaft ist offensichtlich nicht das letzte Wort der Kirche in dieser Frage."
"Es geht um Respekt vor den Lebensentwürfen von Menschen"
Das Forum Deutscher Katholiken betonte dagegen, Franziskus habe Homosexualität nicht gerechtfertigt. Vielmehr habe sich der Papst "auf die Behandlung Homosexueller als Menschen und Glieder der Zivilgesellschaft" bezogen, erklärte der Vorsitzende Hubert Gindert.
Die evangelische Theologin Margot Käßmann schrieb in der "Bild am Sonntag", es gehe nicht um "Anpassung an den Zeitgeist, sondern um Respekt vor den Lebensentwürfen von Menschen". Es seien ja gläubige Gemeindemitglieder, die sich kirchlichen Segen für ihre Lebenspartnerschaft wünschten. Die Frage sei, "ob Schwulen und Lesben Liebe entgegengebracht wird, sie sich mit offenen Armen herzlich aufgenommen wissen". Darum könne und solle sich der Papst kümmern, so die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.