Als das Erzbistum Freiburg vor gut zwei Jahren neue Seelsorge-Leitlinien zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedenen vorlegte, war die innerkirchliche Aufregung groß: Die einen feierten das Papier als Wendepunkt - endlich war in Einzelfällen der Weg zu den Sakramenten möglich. Andere - allen voran der Chef der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Müller - lehnten den Vorstoß ab, weil er das in der katholischen Theologie zentrale Prinzip der von Gott gesegneten, unauflöslichen Ehe infrage stelle.
Kommunionempfang in Einzelfällen möglich?
Jetzt hat der Papst mit einem am Freitag in Rom veröffentlichten Grundsatzdokument über Ehe und Familie mehr Barmherzigkeit in der kirchlichen Morallehre gefordert. Grundsätzlich hält er an den Normen fest, Priester und Bischöfe dürften aber keine "Felsblöcke" in das Leben der Menschen werfen, fordert Franziskus. Auch wenn er sich zur umstrittenen Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion nicht direkt äußert, deutet er an, dass ein Kommunionempfang in Einzelfällen möglich ist.
Genau dies ist der Ansatz der Freiburger Handreichung. Vielleicht könnte sie nun zum Vorbild werden. Auch wenn Erzbischof Stephan Burger am Freitag den Papsttext zunächst nur allgemein als gute "Grundlage für eine Weiterentwicklung" der eigenen Seelsorgepraxis bezeichnete.
Ähnlich wie der Papst in seinem knapp 200-seitigen Schreiben stellte sich auch die unter Burgers Vorgänger Erzbischof Robert Zollitsch veröffentlichte "Handreichung für die Seelsorge zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung" zunächst der gesellschaftlichen Realität. Zwar hofft die Mehrheit der Paare auf ein lebenslanges Ehebündnis. Gleichzeitig werden aber in Deutschland ein Drittel aller Ehen geschieden. "Kirchliche Seelsorge verschließt sich dem Scheitern einer Ehe nicht. Sie bietet Orte an, die für die Betroffenen offen sind, wo man ihnen zuhört und wo sie begleitet werden", formulieren die Freiburger Leitlinien.
Gespräch mit Geschiedenen suchen
Die Priester und alle in der Kirche engagierten Seelsorger werden aufgerufen, das Gespräch mit Geschiedenen zu suchen. Dabei soll es, so sehen es die Leitlinien vor, auch die Frage nach Schuld und Verantwortung für das Scheitern der Ehe gestellt werden.
Knifflig wird es bei dem Punkt, dass auch Geschiedene nach einer zweiten standesamtlichen Trauung zur Kommunion und allen anderen Sakramenten zugelassen werden können. Dies ist nach geltender katholischer Lehre nicht möglich, da eine Zweitehe als stetiger Bruch der ersten Ehe angesehen wird. Die Leitlinien lösten diesen Konflikt:
Auch Paare, die sich aufgrund einer wohlüberlegten Entscheidung für eine verlässliche Lebensgemeinschaft und damit für eine zweite standesamtliche Trauung entschieden haben, verdienen moralische Anerkennung. Und durch eine intensive seelsorgliche Begleitung könnten solche Paare zu einer "verantworteten, wirklichen Gewissensentscheidung" kommen, wieder die Kommunion zu empfangen.
Große Parallelen zum Papstschreiben
Die Parallelen zu der jetzt vom Papst geforderten Stärkung des Gewissens und Einzelfallentscheidung scheinen groß zu sein. Denn auch Franziskus ermutigt zu einer "verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle". So gebe es etwa Situationen, in denen Menschen von ihrem Partner verlassen wurden, obwohl sie sich um den Erhalt der Ehe bemühten.
Die Wiederverheirateten ruft Franziskus zu ehrlicher Selbstkritik auf. Sie sollten hinterfragen, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten, ob es Versöhnungsversuche gab, wie die Lage des verlassenen Partners ist und welche Folgen die neue Beziehung für ihr Umfeld hat. Dann könne das Gespräch mit dem Priester helfen, Wege zu einer "volleren Teilnahme am Leben der Kirche" zu finden.