"Uns ist ein Wunder passiert", sagt Osama. Der Syrer kann immer noch kaum glauben, dass seine Flucht nun ein Ende haben soll. Er, seine Frau Wafaa und ihre beiden Kinder Masaa und Omar sind jetzt in Sicherheit. Ihr zerbombtes Haus bei Damaskus ist weit weg. Die Familie sitzt nun in Rom, mitten im Ausgehviertel Trastevere, in einem Saal der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio. Die Kinder lachen und spielen. Die Eltern lernen. Die vier sind eine von jenen drei muslimischen Familien, die Papst Franziskus in seinem gecharterten Flugzeug am Wochenende von der griechischen Insel Lesbos mit nach Rom genommen hatte.
Eltern drücken die Schulbank
Eine Woche ist das jetzt her: "Ja, ihr seid dabei, ihr könnt mit Papst Franziskus nach Italien fliegen", hieß es am Freitag für Osama und seine Familie im Flüchtlingslager auf Lesbos. Er hätte wohl nicht im Traum daran gedacht, dass er jetzt mit seiner Frau Wafaa und etwa 30 anderen Flüchtlingen in einem Klassenraum sitzt und die ersten Worte Italienisch lernt. "Io sono siriano" (Ich bin Syrer). In der Klasse herrschen eine Konzentration und Ruhe, wie sie sich Lehrer in normalen Schulklassen nur wünschen können.
"In Syrien gab es keine Sicherheit mehr, kein Heim, kein gar nichts. Wir sind geflohen, weil wir überleben wollten und eine bessere und sichere Zukunft für unsere Kinder wollten; erst in die Türkei, dann mit einem Schlauchboot nach Griechenland", übersetzt Mustafa, einer der Helfer von Sant'Egidio, die Worte von Osama und Wafaa aus dem Arabischen. Denn so schnell geht es mit dem Italienischlernen dann doch nicht. Sant'Egidio nehme den päpstlichen Auftrag sehr ernst, sich um die syrischen Familien zu kümmern: "Wir scherzen hier nicht - es ging sofort los mit der Schule."
Besonders schutzbedürftig
Mustafa war schon dabei, als die Familie aus einer engeren Auswahl von etwa 150 syrischen Flüchtlingsfamilien auf Lesbos ausgewählt wurden - in Absprache mit den griechischen und italienischen Behörden. Es ging um besonders Schutzbedürftige, also Familien mit Kindern.
Insgesamt flogen mit Franziskus zwölf muslimische Syrer nach Rom. Eigentlich hätten auch Christen dabei sein sollen. Das war aber aufgrund fehlender Papiere nicht möglich. Doch schließlich hatte schon Papst Franziskus während des Rückflugs betont, dass alle Menschen "Kinder Gottes" seien. In humanitären Notlagen geht es nicht um Religionszugehörigkeiten.
"Danke für diese Chance"
"Danke, danke, danke" - das würde die 30-jährige Nour aus Syrien dem Papst gern sagen. "Danke für die Hilfe und diese Chance", sagt die Mutter des zweijährigen Riad, der bereits auf Italienisch - "bravo" brabbelt und überhaupt nicht schüchtern auf all die vielen neuen Menschen zugeht. Die Mikrobiologin Nour und ihr Mann Hassan
(31) kamen ebenfalls mit dem Papstflieger. Sie wollen möglichst schnell die italienische Sprache lernen, sich integrieren - und hoffen dann auf einen Job in Italien. Ursprünglich wollten sie nach Frankreich, aber das sei jetzt egal.
"Als Mutter bin ich unendlich glücklich, dass mein Kind gerettet wurde", gesteht die Syrerin und drückt den kleinen Riad an sich. Natürlich denke sie an all die Menschen, die nicht mitkonnten; und sie berichtet von vielen Freunden und auch Kranken, die in Griechenland bleiben mussten. Sie glaubt, Franziskus habe mit seiner Auswahl der muslimischen Familien ein Zeichen setzen wollen: "Der Papst zeigt, es sind auch Kinder unter den Flüchtlingen.
Ganz normale Familien, normale Menschen und keine Terroristen". Nour hofft, dass diese Geste des Papstes generell etwas am Umgang mit den Flüchtlingen in Europa verändern kann. Sie selbst blickt nach vorn: "Rom wird jetzt meine zweite Heimat sein. Ich hatte zwar noch keine Gelegenheit, die Stadt wirklich zu sehen, aber es ist etwas ganz Besonderes für mich, hier sein zu können."