Paris im Ausnahmezustand - Polizei kämpft mit ersten Unruhen und bereitet sich auf weitere vor

Jahrestag für "Jahrhundertproblem"

Mit einem massiven Polizeieinsatz bereitet sich die Polizei auf den ersten Jahrestag der Pariser Vorstadtunruhen vor. Im Großraum der französischen Hauptstadt wurden mehr als 500 zusätzliche Polizisten in Bereitschaft versetzt. In der Nacht war es zu neuerlichen Auseinandersetzungen gekommen, als Jugendliche ein Auto anzündeten.

 (DR)

Mit einem massiven Polizeieinsatz bereitet sich die Polizei auf den ersten Jahrestag der Pariser Vorstadtunruhen vor. Im Großraum der französischen Hauptstadt wurden mehr als 500 zusätzliche Polizisten in Bereitschaft versetzt. In der Nacht war es zu neuerlichen Auseinandersetzungen gekommen, als Jugendliche ein Auto anzündeten. Bereits am Vorabend war zu Ausschreitungen gekommen. - Vor einem Jahr hatten Jugendliche wochenlang randaliert und tausende Autos angezündet sowie Gebäude verwüstet. (Hören Sie einen domradio-Beitrag) - Klaus Huwe, Korrespondent des Rheinischen Merkurs in Paris, spricht im domradio-Interview von einem "Jahrhundertproblem".

Jahrestag der Unruhen
Am Freitag jährt sich zum ersten Mal der Beginn der dreiwöchigen Vorstadtunruhen in Frankreich. Ende Oktober vergangenen Jahres hatten wochenlange Krawalle begonnen, bei denen in 300 Städten über 10.000 Fahrzeuge sowie 300 Schulen, Bibliotheken und andere öffentliche Gebäude in Flammen aufgegangen waren. Auslöser war am 27. Oktober 2005 in Clichy-sous-Bois der Tod zweier Jugendlicher auf der Flucht vor der Polizei.

Wiederholung befürchtet
Die Spannungen haben in den vergangenen Wochen erneut zugenommen, so dass eine Wiederholung der gewaltsamen Proteste gegen die staatliche Ordnung für möglich gehalten wird. Es gebe noch die gleichen Bedingungen wie vor einem Jahr, zitierte die Zeitung "Le Figaro" am Montag aus dem Bericht des Polizei-Geheimdienstes RG. Die jüngsten Vorfälle seien jedoch nicht mehr spontan, "sondern strukturiert und zielten auf Angriffe auf einen der letzten Vertreter der Institutionen, die noch in gewissen Orten präsent sind, die Polizei". In "sensiblen Bereichen" der Vorstädte Essonne, Grigny, Evry und Corbeil-Essonnes wurden Bereitschaftspolizisten stationiert.

Sarkozy mahnt zu Zurückhaltung
Innenminister Nicolas Sarkozy, der 2005 die Stimmung noch mit der forschen Parole aufgeheizt hatte, er werde die Vorstädte mit dem Hochdruckreiniger von dem Gesindel säubern, mahnte nun zur Zurückhaltung. Die Medien sollten "keine künstlichen Probleme schaffen", indem sie den Jugendlichen eine Bühne gäben, sagte Sarkozy. "Diese ganze Aufregung um einen Pseudo-Jahrestag hat keinen Sinn." Einen erneuten "Krawallwettbewerb" rivalisierender Banden vor laufender Kamera will er möglichst vermeiden.

"Klagemarsch" in Paris
Mehrere hundert Jugendliche haben sich am Mittwoch an einem "Klagemarsch" in Paris beteiligt, um gegen Diskriminierung und Wohnungsnot in den französischen Vorstädten zu protestieren. 20.000 "Klagen aus den Quartieren" sollten an die Abgeordneten und Staatspräsident Jacques Chirac übergeben werden. Die Organisation AC LE FEU sammelte die Zeugnisse und Vorschläge in den vergangenen Monaten.

Dass die Unruhen in den Einwanderervierteln jederzeit wieder entflammen können, ist allseits unbestritten. Denn eigentlich sind die Feuer nie erloschen. Seit Jahresbeginn werden im Schnitt täglich 15 Attacken auf Polizisten und 115 angezündete Autos gezählt.