DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche sieht sich weder aus der Praxis Jesu noch aus der kirchlichen Tradition heraus ermächtigt, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Papst Johannes Paul II. hat das Thema endgültig abgeschlossen. Ist es damit ein unantastbares Tabu?
Peter Otten (Pastoralreferent in St. Agnes, Köln): Ich finde nicht, dass das ein Tabu ist. Als die Kirche zuletzt über das Thema diskutiert hat, kam als ein Argument, dass nur Männer Christus repräsentieren können. Mir ist meine Mutter eingefallen. Sie ist aus der Kriegsgeneration und hatte vier Brüder, die dann im Krieg gefallen sind. Meine Mutter musste mit 13, 14 Jahren "den Laden schmeißen" und hat sich um die religiöse Erziehung gekümmert. Sie hat sich darum gekümmert, dass aus den drei Söhnen was geworden ist. Wenn einer gestorben ist, hat sie Geld gesammelt oder dass ein Kranz gekauft werden konnte. Wenn es in der Nachbarschaft Streit gab, ist sie hingegangen, hat den Streit geschlichtet.
Ich habe mich gefragt, was geht eigentlich mehr, als in dieser Weise Christus zu repräsentieren. Und als ich dann den Text für das neue Buch von Philippa Rath geschrieben habe, habe ich gedacht, das ist für mich völlig unplausibel dieses Argument. Es gibt so viele Menschen, die Christus repräsentieren durch das, was sie tun und darstellen. Und diese Geschlechtergrenzen sind oft - vermutlich nicht nur für mich - nicht mehr einsichtig.
DOMRADIO.DE: Können Priesterinnen und vielleicht auch Diakoninnen in Ihren Augen die Krise der katholischen Kirche abfedern?
Otten: Ich glaube, es geht jetzt erst mal nicht darum, eine Krise zu beenden. Die Frauen haben sicherlich die Kirche nicht dahin geführt, wo sie jetzt ist. Und ich finde es auch irgendwie blöd zu sagen, weil wir da nicht mehr allein klarkommen, nehme wir jetzt die Frauen, sozusagen als Ersatzrad.
Nein, es geht darum, die Geschichten, die die Frauen mitbringen, die sie repräsentieren, die sie darstellen, ihre Lebenserfahrung, ihre Spiritualität, ihre tiefe Kompetenz in geistlichen und weltlichen Fragen, die endlich mal zum Klingen zu bringen. Und auch in der Leitung und in der sakramentalen Repräsentanz der Kirche zum Klingen zu bringen und darzustellen. Dass man immer noch sagen muss, dass das ein großer Reichtum ist, nervt eigentlich schon. Ich finde, dass ist von sich aus völlig einsichtig, dass das so ist. Und deswegen würde ich sagen, muss das jetzt mal auch kommen.
DOMRADIO.DE: In der evangelischen Kirche gibt es ja Frauen als Pfarrerinnen. Ist das ein Vorbild für die katholische Kirche?
Otten: In der evangelischen Kirche kenne ich viele Frauen, die das machen. Die aufgrund ihres biografischen Erlebens und ihres Mensch- und Frauseins eine wichtige Bereicherung für die Repräsentanz des Evangeliums darstellen. Die machen das einfach. Und da, wo ich das erlebe, empfinde ich das als großen Reichtum.
DOMRADIO.DE: In der Frauen-Priester-Frage können sich ja die Geister so sehr scheiden, dass es zu einer Spaltung der römisch-katholischen Kirche kommen könnte. Wäre es das in ihren Augen wert?
Otten: Ich sage mal so, das Evangelium ist es nicht wert. Ich finde, wir müssen doch alle dazu beitragen, dass das Evangelium die Welt verwandelt. Es geht um Verwandlung. Und jeder, der dazu beiträgt, durch sein Menschsein, durch sein Frausein, durch sein Mannsein, durch sein Kindsein, der muss doch mitgenommen werden. Der muss doch gehört werden, der muss doch einen Raum haben.
Es geht doch nicht um Männer und Frauen, sondern es geht darum, die Welt zu verwandeln. Und wir haben wahrhaftig Grund genug, damit endlich mal anzufangen.
DOMRADIO.DE: Was für ein wichtiger Impuls könnte das neue Buch sein, das unter anderem Ordensschwester Philippa Rath herausgegeben hat?
Otten: Mich berührt sehr, dass da oft biografische Ansätze gewählt werden. Das sind jetzt nicht nur Texte, die theoretisch daherkommen, sondern wo Männer Geschichten erzählen, so wie ich das versucht habe, um dadurch sozusagen die Plausibilität darzustellen. Deswegen finde ich das Buch gelungen, wichtig und lesenswert.
Das Interview führte Julia Reck.