Dass der Papst sich bei den Zeremonien zum Jahreswechsel von dem 86-jährigen Kardinaldekan Giovanni Battista Re und dem gerade von einer Prostata-Operation genesenen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vertreten ließ, wirft ein beunruhigendes Licht auf die physische Robustheit der Kirchenspitze. Der Vorfall weckt auch die Frage, wie fit Franziskus, der im Dezember 84 Jahre alt wurde, für sein Amt ist. Mit der Privatsphäre des Papstes pflegt der Vatikan einen zwiespältigen Umgang.
Fest steht: Das neue Jahr verspricht für Franziskus nicht leichter zu werden als das alte. Solange die Pandemielage andauert, sieht er sich als Hirte und Mahner gefordert. Die Kurienreform will zu Ende gebracht werden. Im März steht nach anderthalb Jahren wieder eine Auslandsreise an - unter heiklen Corona- und Sicherheitsbedingungen in den Irak, mit möglicherweise sieben inländischen Transfers an zwei Tagen. Sein Alltagsprogramm bleibt unvermindert straff, von der Messe um sieben Uhr morgens bis zu Besprechungen am späten Nachmittag.
Schon länger Probleme mit dem Ischiasnerv
Bislang schien Franziskus das Pensum gut wegzustecken. In seiner Jugend ein begeisterter Kicker und Basketballer, schonte er sich auch im späteren Leben nicht. Allerdings zeigt er seit langem Beschwerden des Gehapparats. Auch die Ischias-Attacke an Silvester war nicht die erste. Auf einer Dienstreise in Rom 2007, damals noch als Erzbischof von Buenos Aires, zwangen ihn die Schmerzen, den Rückflug nach Argentinien um einige Tage zu verschieben. Im Juli 2013 bekannte er vor Journalisten, das Schlimmste, was ihm in den Monaten seit der Papstwahl widerfahren sei, sei ein heftiges Problem mit dem Ischiasnerv.
Mit dem Coronavirus trat eine neue Lage ein. Als 20-Jähriger erlitt Franziskus eine lebensbedrohliche Lungeninfektion, in deren Verlauf ein Teil des rechten Lungenflügels entfernt werden musste. Das macht Atemwegserkrankungen für ihn besonders riskant. Dennoch empfängt er weiterhin Besuch. Der Vatikan beteuert strikte Hygienevorschriften, auch ist der Gästebetrieb in Santa Marta, wo der Papst wohnt, stark eingeschränkt. Mitte Oktober verzichtete Franziskus auf direkte Begegnungen mit Teilnehmern der Generalaudienz, kurz darauf auch auf die Pilgertreffen als solche. Für Kritik sorgten aber Bilder, wie Ende November ein Dutzend neuernannter Kardinäle gemeinsam mit Franziskus den 93-jährigen Benedikt XVI. besuchten und fröhlich sangen - ohne Mundschutz.
Vatikan: Gesundheitszustand des Papstes Privatangelegenheit
All das weckt Sorgen, wie gefährdet der Papst ist - doch über seinen Gesundheitszustand wie auch über persönliche Schutzmaßnahmen hält sich der Vatikan in der Regel bedeckt. Es war eine Ausnahme, dass Franziskus bei einem Angelus-Gebet Anfang März mitteilte, er sei erkältet und fahre deswegen nicht zu den geplanten Fastenexerzitien in Ariccia. Wenn es in den vergangenen Monaten Nachrichten gab, er habe sich nach Corona-Infektionen in seinem Umfeld testen lassen, so kamen sie jeweils von Medien, nicht von offiziellen Stellen. Der Vatikan erklärt regelmäßig, dies seien Privatangelegenheiten.
Abgesehen davon, dass es durchaus ein berechtigtes öffentliches Interesse daran geben kann, wie gut ein geistliches Oberhaupt von 1,3 Milliarden Menschen seine Aufgabe auszuüben imstande ist, legt die vatikanische Öffentlichkeitsabteilung den Schutz des Privaten recht dehnbar aus. Diese Woche sendete das italienische Fernsehen die Doku "Solo insieme", ein Rührstück über unangekündigte Besuche des Papstes bei einfachen Familien, Kranken, Häftlingen, ehemaligen Prostituierten. Bisher ließ der Vatikan glauben, solche Visiten fänden in der Intimität einer seelsorglichen Begegnung statt. Jetzt stellt sich heraus: Es war ein Kamerateam von Vatican Media dabei.
Corona-Impfung für den Papst?
Mitte Januar soll im Vatikan das Corona-Impfprogramm für Angestellte und deren Angehörige sowie Pensionäre beginnen. Ob und wann Franziskus teilnimmt, ging aus der Mitteilung nicht hervor; im Presseamt nachzufragen, ist müßig. Dabei mahnten die Päpstliche Akademie für das Leben und eine Corona-Kommission unter Leitung von Kardinal Peter Turkson in einem Leitlinienpapier ausdrücklich, eine Impfung sei moralisch geboten - zum Schutz für andere und zur Schonung der Gesundheitssysteme. Wenn Franziskus sich immunisieren ließe, ginge er mit gutem Beispiel voran. Italienischen Medienberichten zufolge gibt es selbst unter Kurienchefs nicht wenige Impfgegner.
Kaum von seiner Ischiasneuralgie genesen, sagte der Papst beim Mittagsgebet am Sonntag, Gott habe Fleisch angenommen, um den Menschen in ihrer Schwachheit nahe zu sein. "Mit ihm dürfen wir alles teilen", sagte Franziskus. Die Schmerzen des Silvestertags mit seinen Gläubigen zu teilen, war ihm keine Silbe wert.