pax-christi-Vizepräsident Schnettler zum Dialogauftakt

"Den Worten müssen nun Taten folgen"

Für das Bistum Aachen war Johannes Schnettler beim Dialogauftakt der katholischen Kirche in Mannheim dabei. In einem Gastbeitrag für domradio.de beschreibt der pax-christi-Vizepräsident seine Eindrücke.

 (DR)

In Mannheim versammelten sich auf Einladung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) dreihundert katholische Christinnen und Christen zum Gespräch über die Frage "Wo stehen wir"? Um die Dringlichkeit dieser Frage zu verstehen muss sie ergänzt werden um den Zusatz: Wo stehen wir  - heute, in der katholischen Kirche der Bundesrepublik Deutschland, nach dem gravierenden Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche im Zuge des Missbrauchsskandals, der Anfang 2010 die Institution der katholischen Kirche nachhaltig erschütterte.



Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mannheimer Tage spiegelten, wie der Vorsitzende der DBK, Erzbischof Zollitsch es nannte, die bunte Vielfalt der katholischen Kirche und des gelebten Glaubens in unserem Land wider. So konnte er zum Auftakt begrüßen: die Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen aus den siebenundzwanzig Diözesen und aus dem Bereich der Militärseelsorge; die Vertreterinnen und Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und der katholischen Verbände; die Ordensleute und die Mitglieder der geistlichen Gemeinschaften und kirchlichen Bewegungen; die Vertreter des Deutschen Caritasverbandes und die Professoren und Professorinnen der katholischen Theologie. Seitens der DBK waren die Ortsordinarien bzw. Weihbischöfe oder in Einzelfällen beauftragte Personen vertreten.



Wenn es so etwas wie eine inhaltliche Klammer für diese zwei Tage in Mannheim gibt, dann könnten es Äußerungen zu Beginn und zum Abschluss der Veranstaltung sein, die vom Bischof Franz-Josef Overbeck, Essen, für die Veranstalter und von Teilnehmenden zu hören waren. Sie markieren die Spannung zwischen hoffnungsvollem Aufbruch und der Furcht vor enttäuschten Erwartungen. "Wir müssen theologisch verantwortbar und in geistlicher Redlichkeit all das zur Sprache bringen, was uns im Innersten bewegt, auch wenn uns im Blick auf verbindliche Beschlüsse Grenzen gesetzt sind", sagte Bischof Overbeck zu Beginn.



In einer ersten Runde über Hoffnungen und Erwartungen unter den Teilnehmenden wurde demgegenüber die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass wir uns am Ende des Gesprächsprozesses nicht in einer "Kultur der Folgenlosigkeit" wiederfinden dürfen. Diese Sorge um die Folgenlosigkeit zeigte sich auch in verschiedenen Abschlussstatements  der Teilnehmenden: Folgen den vielen guten Worten auch Taten? Wie bekommen wir Nachhaltigkeit in die Bearbeitung der kontroversen Themen?  Ist der vorgezeichnete Gesprächsprozess von seiner Anlage geeignet, die Komplexität und Dringlichkeit der Themen angemessen zu bearbeiten?



An gutem Willen und redlichem Bemühen der in Mannheim anwesenden Bischöfe mangelt es sicherlich nicht. Das ist eine der hoffnungsvollen Eindrücke dieser Tage. Erzbischof Zolltisch ("Die Fragen sind wichtig. Sie werden weiter verfolgt."), Kardinal Reinhard Marx, München-Freising ("Wir nehmen alle Themen auf."), Bischof Franz-Josef Bode, Osnabrück ("Wir wissen um die Gefahr der Folgenlosigkeit.") brachten diesen Willen wiederholt für die DBK zum Ausdruck. Und die Bischöfe konnten in Mannheim auch über ihren eigenen Schatten springen und selbstkritisch auf ihre eigenen Ängste blicken. "Die Angst um die Einheit hindert uns daran, das Neue zu wagen", so Bischof Heinz Josef Algermissen, Fulda.



Diese wiederholt erfahrbare Offenheit der Bischöfe hat die Tage in Mannheim zu einem wirklichen Austausch von Erwartungen und Hoffnungen, Befürchtungen und Ängsten werden lassen. Das Gespräch zwischen den deutschen Bischöfen und den Katholikinnen und Katholiken ist möglich und hat in Mannheim einen guten Anfang genommen.



Die offene Gesprächsatmosphäre ermöglichte es, die Dinge beim Namen zu nennen:

• Ehrlichkeit in der Kommunikation auf allen kirchlichen Ebenen,

• glaubwürdige Strukturen schaffen, dienende und dialogischen Kirche werden,

• Partizipation aus dem Geist des Allgemeinen Priestertums und der Vielfalt der Charismen, neue Leitungsformen,

• Pastoral der Barmherzigkeit (Wiederverheiratete Geschiedene, Homosexuelle,…)

• Geschlechtergerechtigkeit, Gleichberechtigung der Frauen

• konstruktiver Umgang mit einer aktuellen Sexualmoral

• gesellschaftliche Präsenz der Kirche



Wird dieser Themenrahmen einer konstruktiven Bearbeitung zugeführt, werden auch die "Reizthemen" dieses Gesprächsprozesses zur Sprache kommen können wie: Aufhebung des Zwangszölibats, Zulassung von Frauen zum kirchlichen Amt, Stärkung der Theologie und Pastoral des II: Vatikanischen Konzils und der Synode. Die Teilnehmenden in Mannheim haben deutlich gemacht, dass sie um die Eingebundenheit der Bischöfe in die weltkirchlichen Strukturen wissen. Sie wollen keine Überforderung der Bischöfe. Aber sie verlangen, dass die deutschen Bischöfe zum Anwalt der Stimme der Katholiken und Katholikinnen in Deutschland werden und die Stimme aus der dt. Kirche in Rom nachhaltig zu Gehör bringen. Gleichzeitig haben die in Mannheim versammelten Frauen und Männer deutlich gemacht, dass sie alle in ihrem Engagement von eine tiefen Religiosität geprägt und einer Solidarität mit der Kirche durchdrungen sind, so dass der Vorsitzende der DBK zum Abschluss der Tagung sagen konnte: "Wir haben die Liebe zur Kirche verspürt, die uns alle verbindet. Das Allgemeine Priestertum eint uns."



Vielleicht ist dies der entscheidende Fortschritt, der in Mannheim erreicht werden konnte. Die Gläubigen sind nicht das Gegenüber zu den Bischöfen. Allen liegt das Zeugnis des Glaubens und die Glaubwürdigkeit der Kirche am Herzen. Diese Erfahrung schafft Vertrauen, und das gewachsene Vertrauen gibt Anlass zu Hoffnung, dass der in Mannheim begonnene Gesprächsprozess bis zum jetzt vorgesehenen Ende im Jahre 2015 nicht in einer "Kultur der Folgenlosigkeit" versickert. Wiederholt wurde seitens der Bischöfe versichert, dass alle Themen weiterverfolgt werden, und in der Organisation des weiteren Gesprächsprozesses für Kontinuität und Flexibilität Sorge getragen wird. Wie sagte es ein Teilnehmer zum Abschluss: Den Worten müssen nun Taten folgen.