Pax Christi zu Ausschreitungen zwischen Israel und Palästina

"Der Friedensprozess ist gescheitert"

Messerattacken und Straßenschlachten: Die Gewalt in Israel und im Westjordanland eskaliert. Die katholische Friedensbewegung Pax Christi fordert im domradio.de-Interview ein Ende der israelischen Besatzung.

Kontrollen vor Jerusalemer Altstadt / © Jim Hollander (dpa)
Kontrollen vor Jerusalemer Altstadt / © Jim Hollander ( dpa )

domradio.de: Warum ist besonders in den letzten Tagen die Gewalt zwischen Israel und Palästina wieder angestiegen?

Wiltrud Rösch-Metzler: Da gibt es sicher viele Gründe. Zum Beispiel der Anstieg der offenen Gewalttätigkeit von einigen Siedlern. Aber insgesamt würde ich sagen, es gibt wieder Gewalt, weil dieser Friedensprozess, der in den 90er Jahren mit so großer Hoffnung begonnen wurde zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert ist und wir jetzt vor Trümmern stehen. Es ist so, dass nach wie vor die Israelis über fehlende Sicherheit klagen und diese eben militärisch zu erreichen versuchen. In der jetzigen Situation werden Gesetze verschärft.

domradio.de: In Jerusalem werden Besucher an den Toren der Altstadt jetzt wie am Flughafen auf Waffen untersucht, für Knesset Abgeordnete und  arabisch palästinensische Abgeordnete hat Netanjahu den Zutritt zum Tempelberg gesperrt - ist das weiterer Sprengstoff?   

Rösch-Metzler: Ja, wenn man die verschärften Gesetze betrachtet. Zum Beispiel werden jetzt die Eltern, Brüder und Schwestern eines mutmaßlichen palästinensischen Gewalttäters bestraft. Ihr Haus wird zerstört und da ist zum Beispiel auch eines in Ostjerusalem zerstört worden, da sind gleich noch zwei, drei weitere Wohnungen beschädigt worden, also noch mehr Menschen obdachlos. Und zum allgemeinen Eindruck: Dieser Friedensprozess hat die Palästinenser in einer hoffnungslosen Lage zurückgelassen. Sie leben unter Besatzung und wollen Freiheit. Sie haben zwar einen Präsidenten und eine Fahne, die ja sogar vor der UNO weht, aber eben keine Entwicklungsmöglichkeit. Der Anteil am Land von Ostjerusalem und am Westjordanland wird von Tag zu Tag kleiner, weil Israel völkerrechtswidrig  dort Siedlungen baut. In Bethlehem gab es vor zwei Tagen den Todesfall eines 13-jährigen Jungen bei einer Demonstration. Das hat den Ort erschüttert, da war dann auch eine Beerdigung, auf der es auch wieder Ausschreitungen gab. Im Prinzip ist es aber so, dass es in der Stadt selber ruhig ist. Das sagen die Menschen in Bethlehem. Aber es gibt die Angst davor, was kommen wird. Ich hab mit jemandem in Ramallah telefoniert und mir wurde von viel Polizei und Militär in den Straßen, aber von wenigen Menschen auf den Straßen berichtet. Einen normalen Alltag gibt es nicht.  

domradio.de: Sie sind die Bundesvorsitzende von Pax Christi, einer internationalen Friedensbewegung. Was kann getan werden, damit sich die Menschen in Richtung einer friedlichen Lösung bewegen?

Rösch-Metzler: Zunächst müssen wir hier gucken, was wir tun können. Ein Punkt ist, dass wir uns informieren, z.B. können wir auf Veranstaltungen gehen von palästinensischen Menschenrechtsaktivisten, die gegen Mauer und Vertreibungen sich einsetzen. Aber natürlich muss man auch zu Veranstaltungen der israelischen Friedensbewegung gehen. Da gibt es ja auch Leute, z.B. "Breaking the Silence". Und wir brauchen Druck auf unsere Politiker, dass sie sich für ein Ende der israelischen Besatzung einsetzen, wie es die UNO fordert. Es gibt ein bisschen Hoffnung bei der Europäischen Union, weil diese seit kurzem eine mehr völkerrechtskonforme Politik betreibt. Sie unterstützt jetzt die völkerrechtswidrigen Siedlungen nicht mehr finanziell. Davor konnten diese Fördergelder beantragen. Und sie will auch Produkte mit solcher Herkunft kennzeichnen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR