domradio.de: Sie sagen, Deutschland macht sich durch seine Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga im Nordirak zu einer Kriegspartei. Warum finden Sie das schlimm?
Hoffmann: Weil deutsche Außenpolitik Friedenspolitik sein soll. Terror und Gewalt dürfen nicht weiter eskalieren. Aber in Deutschland ist die Diskussion sehr einseitig. Es wird suggeriert, dass es im Moment nur eine Möglichkeit gäbe - nämlich Waffen in den Nordirak zu liefern. Und dagegen sprechen wir uns aus. Waffen sind die falscheste aller falschen Möglichkeiten zu einer Deeskalation vor Ort beizutragen.
domradio.de: Selbst der Pazifist Rudolf Neudeck hat sich hier im Domradio dafür ausgesprochen, in diesem Extremfall - man hat es mit Kriminellen des "Islamischen Staates" zu tun - Waffenlieferungen zuzulassen. Warum sind Sie nach wie vor dagegen?
Hoffmann: Ich halte die Aussagen von Kardinal Maradiaga, dem Präsident von Caritas International, dagegen. Der hat sich deutlich dafür ausgesprochen, dass alle in der Region involvierten Regierungen keinerlei Waffen mehr liefern sollen. Das Problem ist ja auch: Viele Regierungen, die zu den größten Waffenlieferanten zählen, drücken sich auf der anderen Seite vor ihrer Verpflichtung zur humanitären Hilfe. Daneben gibt es auch Stimmen wie "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel", die sich klar gegen die Waffenlieferung in den Nordirak positioniert haben.
Die Situation der Menschen vor Ort ist kompliziert. Es gibt Regionen in Syrien, in denen aufgrund eines Embargos überhaupt keine humanitäre Hilfe ankommt. Da müsste als Erstes das Embargo aufgehoben werden. In Deutschland haben wir oft keine bessere Lösung zur Hand, als Waffen zu liefern. Nach dem Motto: Wenn wir keine Waffen liefern, machen wir gar nichts.
Doch Deutschland könnte stattdessen seine humanitäre Hilfe aufstocken und mehr Flüchtlinge aufnehmen. Wie wäre es, wenn Deutschland 100.000 Flüchtlinge aufnimmt? Warum kann ein so reiches Land das nicht leisten? Warum ist es so viel leichter, Waffen zu schicken? Waffen werden in dieser Region am wenigsten gebraucht. In den Nahen Osten wurden in den vergangenen Jahren bereits so viele Waffen geliefert, aus Deutschland oder den USA. Aber wir müssen anders helfen.
domradio.de: Worum geht es Ihnen genau bei der Friedensarbeit? Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass Deutschland mehr humanitäre Hilfe leisten soll. Das schließt aber nicht aus, dass Waffen in die Region geliefert werden. Oder wie wollen Sie einer Terror-Organisation wie dem "Islamischen Staat" sonst beikommen?
Hoffmann: Ich kann Ihnen nur beikommen, indem ich ein Frühwarnsystem einrichte und auf die Entwicklung des Konfliktes reagiere. In Bezug auf Syrien wurden die demokratischen Kräfte nicht unterstützt; stattdessen wurde mit Waffenlieferungen reagiert.
Pax Christi hat sich seit mehreren Jahren auch gegenüber Russland für einen Stopp der Waffenlieferungen in das syrische Gebiet eingesetzt. Nicht selber gewalttätig zu werden, ist auch ein hoher Wert an sich - auch wenn einem vorgeworfen wird, man würde nichts unternehmen.
Dabei ist es notwendig, dass wir die zivile Konfliktbearbeitung, Frühwarnsysteme und Prävention einrichten. Wir reden über die Schutzverantwortung. Das bedeutet, dass wir frühzeitig vorbeugen müssen und nicht später Waffen liefern.
Zivile Konfliktbearbeitung muss mit mehr Geldern ausgestattet werden, zum Beispiel für Forschung. Wenn wir dort nicht investieren, werden wir uns zukünftig immer wieder in der jetzigen Situation befinden. Für Deutschland ist die Entscheidung Waffen zu liefern - und das auch noch ohne Zustimmung des Parlaments - ganz falsch.
Das Gespräch führte Christian Schlegel.