Peking greift erneut in Hongkong durch

Papst setzt Zeichen dagegen

Chinas Regierung ließ in Hongkong zuletzt erneut ihre Eiserne Faust spüren. Verhaftungen weiterer Demokratie-Aktivisten sind nur ein Beispiel von vielen. Parallel dazu ernannte der Papst Hongkongs Bischof zum Kardinal.

Autor/in:
Michael Lenz
Symbolbild Skyline von Hongkong / © estherpoon (shutterstock)
Symbolbild Skyline von Hongkong / © estherpoon ( shutterstock )

Es ist der Höhepunkt einer jüngsten Machtdemonstration Chinas: der internationale Haftbefehl gegen acht führende Mitglieder der Demokratiebewegung, die im Exil in Australien, den USA und Großbritannien leben.

Für Ted Hui, einen der acht Dissidenten, sind die Haftbefehle und das ausgelobte Kopfgeld von umgerechnet je 114.000 Euro Ausdruck einer Unsicherheit Pekings.

"Weil wir einen hohen Bekanntheitsgrad haben, können wir die Hongkonger noch immer für Freiheit und Demokratie und die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung für Hongkongs Freiheit mobilisieren", sagt der im australischen Adelaide lebende ehemalige Abgeordnete Hui der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das könne die Macht des kommunistischen Regimes langfristig gefährden.

Aufgelöste Partei Demosisto

Die Familie des im Londoner Exil lebenden Mitbegründers der inzwischen aufgelösten Partei Demosisto, Nathan Law, ebenfalls einer der acht, wurde nach Erlass des Haftbefehls von Hongkongs Polizei zu stundenlangen Verhören auf die Wache gebracht. Die Familie von Hui ist in Sicherheit, bei ihm in Adelaide. Zu den Verwandten in Hongkong habe er aber aus Sicherheitsgründen kaum Kontakt. "Wie die Familie von Nathan Law können sie abgeführt, befragt oder möglicherweise verhaftet werden", sagt Hui.

Proteste in Hongkong / © Vincent Yu/AP (dpa)
Proteste in Hongkong / © Vincent Yu/AP ( dpa )

Rechtsanwalt Kevin Yam, auch er einer der acht, schrieb in der Zeitung "The Australian", das "Regime in Hongkong" beschuldige ihn der Absprache mit ausländischen Mächten. Der Grund: seine Videoaussage vor dem US-Kongress, Treffen mit australischen Parlamentariern sowie Außenministern zum Thema Rechtsstaatlichkeit in Hongkong auf Basis des drakonischen nationalen Sicherheitsgesetzes.

"Das alles fand statt, nachdem ich, ein australischer Staatsbürger, nach mehr als 20 Jahren als Student, Rechtsanwalt und Aktivist in Hongkong 2022 nach Australien zurückkehrte."

Ein anderes Ereignis mit langfristigen Auswirkungen für die Stadt ist die jüngste Kardinalernennung von Hongkongs Bischof Stephen Chow durch Papst Franziskus. Die Meinungen dazu und über die Bedeutung vor allem für die schwierigen Beziehungen zwischen Vatikan und China gehen auseinander.

Das Schweigen des Papstes

Papst Franziskus hat sich nie zu den prodemokratischen Demonstrationen und zur Einführung eines nationalen Sicherheitsgesetzes am 1. Juli 2020 geäußert. Dabei sind viele der inzwischen verhafteten Demokratieaktivisten praktizierende Katholiken. Der emeritierte, inzwischen 91-jährige Kardinal Joseph Zen Ze-kiun war wegen seiner Unterstützung eines Rechtshilfefonds für Demokratieaktivisten zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zudem sieht er einem Prozess wegen Vergehen im Sinne des Sicherheitsgesetzes entgegen.

Kardinal Joseph Zen Ze-kiun / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
Kardinal Joseph Zen Ze-kiun / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )

"Das Schweigen des Papstes hat viele Katholiken betrübt", schrieb China-Kenner Gianni Scriveller unter der Überschrift "Kardinal Chow: Hoffnung für Hongkong, Brücke zu China" am 10. Juli im vatikanischen Pressedienst Asianews.it. Doch die Ernennung zeige, "dass Papst Franziskus und der Heilige Stuhl dem Bischof, der Diözese und den Menschen in Hongkong nahe und zugewandt sind". Pointiert wies Scriveller darauf hin, dass die staatliche "Chinese Catholic Patriotic Association" Chows Ernennung zum Kardinal mit Schweigen übergangen habe.

Benedict Rogers kommentiert die Kardinalswürde für den Hongkonger Jesuiten kritischer. "Einerseits zeigt die Tatsache, dass Papst Franziskus Hongkongs Bischof Chow zum Kardinal ernannt hat und nicht Pekings Erzbischof Li, Vorsitzender der Catholic Patriotic Association, dass er noch immer eine gewisse Einzigartigkeit der Diözese Hongkong würdigt", sagte der in London lebende katholische Vorsitzende der chinakritischen Organisation Hong Kong Watch der KNA.

"Aber Kardinal Chow ist nicht wie Kardinal Zen, der sowohl für Hongkong als auch für verfolgte Christen in China eine unermüdliche und mutige Stimme des Gewissens bleibt", betont Rogers. Chow nehme als Bischof eine "besorgniserregend sanfte und versöhnliche Kompromisshaltung" zu Peking ein. "Dass er das rote Birett erhalten hat, kann als Bestätigung oder Belohnung dieser sanften Haltung gesehen werden, die mit der derzeitigen Haltung des Vatikans in Einklang steht."

Brücke zwischen Hongkong und China bilden

Gleichwohl würdigt Rogers Chows erklärte Absicht, eine Brücke zwischen Hongkong und China zu bilden. "Ich bin nicht gegen Engagement oder Dialog - tatsächlich müssen wir mit China kommunizieren. Für mich stellt sich aber immer die Frage, welche Art von Engagement, zu wessen Konditionen und mit welchen Zielen."

Die St. Teresa-Kirche in Kowloon Tong, Hongkong / © Jack Hong (shutterstock)
Die St. Teresa-Kirche in Kowloon Tong, Hongkong / © Jack Hong ( shutterstock )

Dem Vatikan wirft Rogers vor, mit der Akzeptanz der einseitigen Ernennung von Joseph Shen Bin zum Erzbischof von Shanghai durch China einen weiteren Kotau begangen zu haben. "Meiner Meinung nach ist der einzige Ort, an dem Katholiken niederknien sollten, der Altar Gottes und nicht die Tore von Zhongnanhai - aber der Vatikan scheint das nicht zu glauben." Zhongnanhai ist der Sitz der Kommunistischen Partei und auch der Regierung in Peking.

Für Hui und die anderen sieben Aktivisten ist die Welt seit dem Haftbefehl ein Stück kleiner geworden. "Ich kann weiter problemlos in freie und demokratische Länder reisen", sagt Hui. Doch in den meisten asiatischen und nahöstlichen Ländern mit engen Bindungen zu China bestehe ein "sehr offensichtliches Risiko, gefasst zu werden; wenn nicht von den Behörden zur Auslieferung, dann von Kriminellen aus der Unterwelt, die angeheuert oder durch das Kopfgeld motiviert werden, mich zurück nach China oder Hongkong zu bringen."

Zahlen zur katholischen Kirche in China

Das kommunistisch regierte Riesenland China ist multireligiös. Laut dem China-Zentrum in Sankt Augustin bei Bonn sind seine fünf offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften der Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Von den 1,4 Milliarden Chinesen sind rund 185 Millionen Buddhisten, etwa 23 Millionen zählen sich zum Islam, zum Protestantismus ca. 38 bis 60 Millionen; ca. 10 Millionen sind Katholiken. Die Zahl der Anhänger des Daoismus ist nicht feststellbar.

Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie (KNA)
Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie ( KNA )
Quelle:
KNA