Vor 25 Jahren schrieb erstmals ein Papst seine Memoiren

Persönliche Schilderung wurde zum Bestseller 

Es war die erste Autobiografie eines Papstes der Neuzeit. Während seine Vorgänger nur Enzykliken, Lehrschreiben, Ansprachen und Predigten veröffentlichten, schrieb Johannes Paul II. auch über seinen Werdegang.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 bei seinem Deutschlandbesuch (KNA)
Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 bei seinem Deutschlandbesuch / ( KNA )

"Geschenk und Geheimnis" vom 15. November 1996 war nicht das erste private Opus des Medienpapstes aus Polen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er in einem Interview-Buch aktuelle Fragen über Kirche, Zeitgeist und neue Herausforderungen beantwortet. Zu seinem Goldenen Priesterjubiläum schrieb Karol Wojtyla, angeregt durch manche Bitten, schließlich vor 25 Jahren über sich selbst: vor allem über seinen wechselvollen Weg zum geistlichen Dienst.

Wojtylas Weg war von Weltkrieg, deutscher Besatzung, von sowjetischer Befreiung und kommunistischem Kirchenkampf geprägt. Manche Lebensdaten waren bereits bekannt, aber die sehr persönliche Schilderung des damals 76-Jährigen stellte sie in neues Licht - und erklärte manche Linien. Die in viele Sprachen übersetzte 120-seitige Schrift wurde zu einem Bestseller mit 20 Millionen verkauften Exemplaren.

Wojtyla im Zweiten Weltkrieg

Karol Wojtyla, geboren 1920, schildert seine Kindheit in der Kleinstadt Wadowice, 50 Kilometer westlich von Krakau. Er spricht über seine Freunde in der Schule, auch jüdische Freunde, über seine Hobbys Sport und Theater. Er berichtet, dass die Mutter früh starb, ebenso ein Bruder, und er vom frommen Vater allein aufgezogen wurde. Nach dem Abitur begann er ein Studium der polnischen Philologie in Krakau - aber ein Jahr später brach mit dem deutschen Einmarsch nach Polen am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Wenige Wochen später seien seine Professoren ins KZ Sachsenhausen abtransportiert worden. Das Studium war beendet.

Um einer drohenden Deportation zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu entgehen, arbeitete Wojtyla im Steinbruch der Solvay-Chemiefabrik, war Adjutant des Sprengmeisters. Die Arbeit war zwar hart, schreibt er. Aber die Arbeiter hätten die Studenten geschont und ihnen die ganz harten Arbeiten erspart. Der Einblick in die Arbeitswelt habe ihn sehr geprägt; bis heute unterhalte er Briefkontakt zu einigen "Arbeitskollegen". Und auch die Anhänger der Gewerkschaft Solidarnosc spürten später, dass er einer von ihnen war.

Im Krieg die Berufung gefunden

In diesen Werksjahren sei ihm seine Berufung zum Priesterberuf immer deutlicher geworden, berichtet Wojtyla. "Die Tragödie des Krieges hat mir geholfen, aus einem neuen Blickwinkel den Wert und die Bedeutung der Berufung zu sehen." Im Herbst 1942 trat er ins geheime Priesterseminar von Krakau ein und studierte Theologie.

Letztlich sei ihm persönlich vieles vom schrecklichen Ereignis des Zweiten Weltkriegs erspart geblieben, resümiert Johannes Paul II. 55 Jahre später. "Jeden Tag hätte ich von zu Hause, aus dem Steinbruch, aus der Fabrik abgeholt und in ein Konzentrationslager gebracht werden können". Viele seiner Mitschüler und Kommilitonen seien gefallen, in KZs umgekommen oder in sowjetische Lager deportiert worden.

Wojtyla lernt Europa kennen

Die beiden totalitären Systeme, den Nationalsozialismus und den Kommunismus mit ihren Regimen von Unterdrückung und Terror, habe er "gleichermaßen von innen" kennengelernt. Und weiter: "Man kann leicht verstehen, dass sich daraus meine Sensibilität für die Würde jeder menschlichen Person herleitet, für den Respekt seiner Rechte, angefangen vom Recht auf Leben."

Nach der Priesterweihe am 1. November 1946 wurde der spätere Papst sofort zur Promotion nach Rom geschickt. Dort studierte er an der Dominikaner-Universität Angelicum und nutzte die Zeit, um die Ewige Stadt zu ergründen. Bei Reisen nach Frankreich und Benelux habe er "das Europa der Nachkriegszeit, das Europa der wunderbaren gotischen Kathedralen, aber auch das vom einer fortschreitenden Säkularisierung bedrohte Europa" kennengelernt.

Memoiren enden in Polen

Nach seiner Rückkehr in Polen war Wojtyla zunächst Kaplan in einer kleinen Landgemeinde und dann Stadtpfarrer sowie Studentenseelsorger in Krakau. Aber bald erhielt er eine Freistellung zur Habilitation. Bereits mit 38 Jahren wurde er 1958 Weihbischof in Krakau, später Erzbischof und Kardinal.

Damit endet die Lebensbeschreibung. Eine Fortsetzung - über die Bischofsjahre in Polen, seine Kraftproben mit dem kommunistischen Regime und dann die Wahl nach Rom - legte Johannes Paul II. acht Jahre später vor - zu seinem 25. Pontifikatsjubiläum.


Papst Johannes Paul I. und Kardinal Karol Wojtyla 1978 (KNA)
Papst Johannes Paul I. und Kardinal Karol Wojtyla 1978 / ( KNA )

Kardinal Stefan Wyszynski (l.) und Kardinal Karol Wojtyla (r.) 1978 in Neviges / © Hans Knapp (KNA)
Kardinal Stefan Wyszynski (l.) und Kardinal Karol Wojtyla (r.) 1978 in Neviges / © Hans Knapp ( KNA )

Papst Johannes Paul I. und Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 1978 (KNA)
Papst Johannes Paul I. und Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 1978 / ( KNA )

Museum im Geburtshaus von Karol Wojtyla in Wadowice (dpa)
Museum im Geburtshaus von Karol Wojtyla in Wadowice / ( dpa )
Quelle:
KNA