Das Interesse war groß – und die Neugierde auch. Gleich am frühen Morgen – noch bevor Monsignore Markus Bosbach pünktlich zur angekündigten Öffnungszeit die Türen von St. Mariä Himmelfahrt aufschloss – hatten sich bereits dichte Menschentrauben vor dem Eingang der Kölner Innenstadtkirche in der Marzellenstraße gebildet.
Die Einladung des Testamentsvollstreckers Kardinal Meisners an alle Pastoralen Dienste, die Mitarbeiter des Generalvikariates, aber – wegen des Umfangs der Sammlung – letztlich auch an die Gläubigen in den Kirchengemeinden hatte für eine überraschend große Besucherschar gesorgt. Und so füllten sich schnell die einzelnen Bankreihen, auf denen die etwa 1.000 sehr unterschiedlich großen Gemälde, Figuren, Grafiken, Ikonen, Porzellan-, Glas- und Volkskunstobjekte ausgestellt zu betrachten waren. Schließlich hatten nach gut einer Stunde bereits Dreiviertel aller Exponate den Besitzer gewechselt.
Etwas für den Besprechungsraum?
Einen Ehrenplatz für ein Gemälde mit der Muttergottes aus Tschenstochau will Kreisdechant Guido Zimmermann in einer seiner 26 Pfarreien finden. Auch eine Darstellung des "Prager Jesulein" hat es ihm angetan. "Ich weiß, dass Kardinal Meisner das sehr verehrt hat", begründet der Seelsorger seine Wahl, die vor allem auch ein persönliches Andenken an den langjährigen Kölner Erzbischof sein soll.
Pfarrer Michael Berning aus Meerbusch hat sich für drei Bilder entschieden, die ihm einfach gefallen, wie er sagt: für ein naives Bild mit dem Titel "Leichengang", das ihn an flämische Malerei in der Tradition eines Pieter Brueghels erinnert, eine Kirchenansicht von Greifswald, die der Künstler Alexander Dettmar auf 2009 datiert, und eine Kircheninnenraumdarstellung, die etwas von einem Renaissance-Interieur hat. "Keine Ahnung, ob das etwas wert ist", sagt er zufrieden.
Aber seinen Geschmack treffen würden diese Bilder. Und auch in den einen oder anderen Besprechungsraum würden sie passen. Außerdem erinnerten sie ihn daran, dass er von Kardinal Meisner zum Priester geweiht worden sei. Das sei ihm das Wichtigste dabei.
Zufallsfund
Pfarrer Hans-Günther Korr hat eine Zeichnung seiner Neusser Pfarrkirche St. Josef entdeckt und freut sich über diesen unverhofften Zufallsfund. "Es würde mich ja nicht wundern, wenn die Kardinal Meisner bei einem seiner Besuche in Neuss geschenkt worden ist. Nun kommt sie zu uns zurück", lacht er und nimmt auch noch einen kleinen, aber feinen Holzschnitt mit einer Mariendarstellung mit, die er an seinen indischen Mitbruder, einen Marienverehrer, weitergeben will.
Dr. Vera Wahrmann nennt nun ein eher süßliches Christusbild mit Strahlenkranz ihr Eigen und hält eine ausladend große Blumenvase in der Hand, die vom Stil zu der großen Andachtsdarstellung passen würde. Die gebürtige Mexikanerin und ihr Mann kennen den Verstorbenen von einem Besuch 2014 in St. Pantaleon, wo er anlässlich des Festes der Heiligen Maria von Guadalupe einen Gottesdienst gefeiert hat. Nun will das Paar mit seinem erstandenen Schatz daheim einen kleinen Hausaltar errichten.
Für das Edith-Stein-Archiv im Kölner Karmel erwirbt Thomas Schuld ein Bild der Heiligen Schwester Benedicta a cruce. "Es ist eine passende Erinnerung. Schließlich war Kardinal Meisner oft bei uns zu Gast. Mit der Ordensheiligen verband ihn derselbe Geburtsort Breslau." Und während eine junge Mutter mit Kinderwagen ein eher kindlich anmutendes Konterfei Meisners zur Kasse trägt, das sie einem befreundeten Priester – ein Meisner-Verehrer, wie sie betont – schenken will, findet demnächst im Kürtener Pfarrhaus ein schon fast lebensgroß wirkendes Abbild des Kölner Erzbischofs seinen Platz – wenn auch etwas überdimensioniert für einen Herrgottswinkel.
Es wird nicht gehandelt
Manche wählen sorgfältig aus und benötigen mehr Bedenkzeit, bevor sie sich entscheiden. Andere nutzen die bewusst für kleines Geld geschaffene Gelegenheit und verlassen voll bepackt den Kirchenraum. Darunter auch Vertreter des Oberschlesischen Landesmuseums in Ratingen und der Sammlung Breslau in Köln, zumal weite Teile des Nachlass-Angebotes einen Heimatbezug zu Breslau, Thüringen und Schlesien aufweisen. Trotzdem geht es den vielen Interessenten nicht um eine Schnäppchen-Jagd. Immerhin findet dieser Benefiz-Flohmarkt in einem Sakralraum statt. Da wird nicht gehandelt, bestenfalls bei Bosbach ein Richtwert für eine angemessene Spende erfragt. So ist es ausgemacht.
Überhaupt ist der Nachlassverwalter Meisners an diesem Vormittag ein gefragter Mann. Denn wie kaum ein anderer kennt er die Bestandsliste dieser Aktion und auch die Qualität der einzelnen Objekte, die oft mehr ideellen Wert haben. Immerhin hat Bosbach zuvor in akribischer Fleißarbeit mit Elke Böhme-Barz, der Geschäftsführerin der Kardinal-Meisner-Stiftung, Stück für Stück in die Hand genommen, es registriert, nummeriert und katalogisiert. Denn Meisner hatte verfügt, dass sein gesamter Besitz seiner Stiftung zugute kommt.
Kein großer Gewinn angestrebt
"Nach den erfolgreichen Auktionen im Kunsthaus Lempertz geht es nun hier nicht mehr um einen großen Gewinn; vielmehr freue ich mich über jede Spende, die für das Herzensanliegen unseres verstorbenen Alt-Erzbischofs, nämlich die missionarische Seelsorge im Erzbistum Köln, aber auch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa verwendet wird", sagt Bosbach. Trotzdem achtet er darauf, dass wertvolle Reliquiare nicht zweckentfremdet werden, sondern weiterhin in Kirchen, Kapellen oder Ordensgemeinschaften eine würdige und sinnvolle Bestimmung finden.
"Viele Stücke stehen in Beziehung zu seiner Herkunft und seinen Lebensstationen, viele andere bekam er geschenkt – vor allem auch auf seinen Pastoralreisen. Oder aber er sammelte sie als Kunstliebhaber und -kenner", erläutert Bosbach das recht vielseitige Angebot.
Eines steht jedenfalls am Ende dieser einmaligen Veranstaltung fest: Sie darf als großer Erfolg gewertet werden. Zusammen mit den vorangegangenen Auktionen, bei denen es um teils sehr wertvolle Kunstgegenstände ging, die bei Lempertz unter den Hammer kamen, hat der Erlös aus dem Nachlass Joachim Kardinal Meisners zugunsten der nach ihm benannten Stiftung bisher etwa 1,2 Mio Euro erbracht.