domradio.de: Hässliche Bilder waren das am Tag des Referendums. Man sah Polizisten mit Gummiknüppeln, die gegen Wähler an Urnen vorgingen. Sie hatten sich im Vorfeld so gewünscht, dass dieser Wahlsonntag friedlich verlaufen würde. Wie haben Sie den Sonntag der Abstimmung nun erlebt?
Ottmar Breitenhuber (Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde in Barcelona): Ich habe den Sonntag der Abstimmung sehr friedlich erlebt. Wir hatten einen ökumenischen Gottesdienst in der evangelisch deutschsprachigen Gemeinde und im Anschluss an den Gottesdienst ein schönes Oktoberfest.
domradio.de: Also fernab der Wahl?
Breitenhuber: Eigentlich nicht. Denn man muss dazu wissen: Vor der evangelischen Gemeinde, vor der Kirchenmauer war ein Wahllokal. Dort waren den ganzen Tag über seit 9 Uhr bis 20 Uhr abends Hunderte von Menschen unterwegs und haben gewählt.
domradio.de: Haben Sie Polizei gesehen?
Breitenhuber: Es war auch die Polizei da. Aber es waren nur zwei, drei Polizisten. Es war an dem Ort sehr ruhig. So habe ich das auch von vielen anderen Stellen gehört. Es sind natürlich die Bilder der Verletzten und Angriffe durch die Polizei durch die Presse gegangen, aber es waren Gott sei Dank wenige dieser Situationen.
domradio.de: Wie würden Sie denn jetzt gerade die Situation in Barcelona beschreiben?
Breitenhuber: Meine Wohnung liegt relativ zentral. Und da war gestern viel los. Es ging vormittags um 11 Uhr schon los. Da hat sich eine große Demonstration versammelt. Die Medien haben berichtet, dass 3.000 Demonstranten dabei waren. Ich war auch mal kurz dazwischen, aber ich habe es trotzdem als relativ ruhig empfunden. Die Demonstranten haben lautstark ihre Meinung geäußert. Aber ich habe keine Gewalt gesehen.
domradio.de: Nach Angaben der Regionalregierung haben 90 Prozent der Wähler für eine Ablösung Kataloniens von Spanien gestimmt; die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 42,3 Prozent. Jetzt will der Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, tatsächlich die Unabhängigkeit ausrufen. Was bedeutet das? Eine weitere Eskalation?
Breitenhuber: Man sollte diese Zahlen nicht so wörtlich nehmen, denn es waren ja gerade mal knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten bei der Wahl. Das heißt: Das Ergebnis ist gar nicht repräsentativ. Und dann wurden auch noch nicht alle Urnen ausgezählt; In einigen Wahllokalen wurde auch verhindert, dass es zur Wahl kommt. Was aber schon zum Ausdruck kommt, ist, dass einen Bürgerwillen gibt, den es bei einem großen - wenn nicht sogar größten Teil der Katalanen gibt - dass sie mit den Verhältnissen und mit der Behandlung vonseiten der Zentralregierung unzufrieden sind. Das haben sie in der Öffentlichkeit mit der Wahl, die sie auf Biegen und Brechen versucht haben durchzusetzten, und mit diesen Demonstrationen gezeigt.
domradio.de: Wie wird es denn weitergehen, was denken Sie?
Breitenhuber: Da wage ich keine Prognosen. Ich hoffe, dass sie wieder ins Gespräch kommen.
domradio.de: Der spanische König Felipe VI. hat den katalanischen Behörden "unverantwortliches Verhalten" vorgeworfen. Was sagen Sie zu seiner Stellungnahme?
Breitenhuber: Ich habe den Beitrag von König Felipe nicht als besonders klug empfunden, wenn er sich da zu eindeutig auf eine Seite schlägt. Natürlich verteidigt er die Verfassung und er verteidigt das Grundgesetz von Spanien. Aber ich denke, er muss auch das Anliegen der Menschen ernst nehmen und hören.
domradio.de: Wie reagiert denn die Kirche?
Breitenhuber: Die katalanische Kirche hat sich gleich nach dem Referendum gemeldet und die Ausschreitungen verurteilt. Auch die beiden Äbte der beiden großen, bedeutenden Klöster vor Ort haben sich deutlich positioniert und die Gewalt verurteilt. Die Gewalt am Sonntag ging natürlich von der Nationalregierung aus.
domradio.de: Aus rechtlicher Perspektive ist das Ganze ja höchst kompliziert - aber angenommen, am Ende stünde tatsächlich die Unabhängigkeit - was würde das für die Katalanen bedeuten? Und was für Sie, die deutschsprachige katholische Gemeinde in Barcelona?
Breitenhuber: Ich glaube, es würde keine Konsequenzen haben, denn wir sind eine Personalgemeinde mit einem rechtlichen Status einer Pfarrgemeinde der Erzdiözese Barcelona und wir haben deswegen weder mit Spanien noch mit Katalonien als Staat oder Länder rechtliche Verbindungen.
Das Interview führte Heike Sicconi.