Pfarrer in Beirut beklagt "katastrophale Zerstörung" - Deutsche reisen aus

"Was hier geschieht, dient keinem."

Der Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Beirut, Uwe Weltzien, hat die "katastrophale Zerstörung" im Libanon beklagt. Das Land sei bereits jetzt um viele Jahre zurückgeworfen, sagte der Theologe am Dienstag in Beirut dem epd. "Das, was hier geschieht, dient keinem." Es gebe unglaubliches, individuelles Leid.

 (DR)

Der Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Beirut, Uwe Weltzien, hat die "katastrophale Zerstörung" im Libanon beklagt. Das Land sei bereits jetzt um viele Jahre zurückgeworfen, sagte der Theologe am Dienstag in Beirut dem epd. "Das, was hier geschieht, dient keinem." Es gebe unglaubliches, individuelles Leid. Elend trage in der Regel zur Radikalisierung bei. Immer mehr Ausländer verlassen wegen der anhaltenden israelischen Angriffe den Libanon. Viele Regierungen helfen, indem sie die Flucht mit Autos, Flugzeugen oder Schiffen organisieren. Ein italienisches Kriegsschiff brachte mehr als 300 Menschen nach Zypern.

Deutsche Staatsbürger werden evakuiert
Auch mehrere hundert Deutsche sind auf ihrer Flucht vor der Gewalt im Nahen Osten nach Deutschland ausgeflogen worden. Ein Airbus der Fluggesellschaft LTU mit 323 Deutschen und Deutsch-Libanesen landete am Dienstagmorgen gegen 8.45 Uhr aus der syrischen Hauptstadt Damaskus kommend auf dem Düsseldorfer Flughafen. Die Menschen waren am Montag in einem Bus-Konvoi vom Libanon nach Syrien gebracht worden. Gabor Vago berichtet aus Düsseldorf.

Immer noch viele deutsche Touristen im Libanon
Trotz der Ausreisewelle sind immer noch viele Deutsche im Land. Gemeinsam mit der Deutschen Botschaft sammele die evangelische Gemeinde Daten von Personen, die ausreisen wollen. Weltzien: «Seit Freitag gehen die Telefone bei uns ununterbrochen von morgens halbsechs bis nachts um drei.» Es seien unzählige deutschsprachige Touristen im Libanon, von denen niemand etwas wusste. "Die melden sich jetzt alle." Von deutscher Seite seien nahezu tausend Leute rausgebracht worden, bilanzierte Weltzien. Weitere rund 800 seien noch vor Ort. Viele davon sollen an diesem Mittwoch in einem großen Konvoi mit Bussen nach Damaskus gebracht werden. Die Ausreise aus dem Krisengebiet erfolge dann mit Flugzeugen. Weltzien würdigte ausdrücklich die Arbeit der Deutschen Botschaft. Jeder arbeite bis zur Belastungsgrenze. Die Hotels in Beirut zögen keinen Gewinn aus dem Konflikt, sondern vermieteten zu Preisen wie auch sonst zu Friedenszeiten.

Angriffe stärken Rückhalt der Hisbollah
Als Hauptaufgabe für die Zukunft sieht Weltzien die Betreuung der libanesischen Flüchtlinge. Den neuesten Zahlen zufolge seien bereits 58.000 Menschen aus den beschossenen und zerstörten Regionen geflohen. "Das ist ein Riesenleid, das wird dann auf unsere Sozialarbeit zukommen". Die Stimmung unter der Bevölkerung sei zugleich von Zorn als auch von Resignation geprägt. «Das Land ist gespalten.» Je länger das Bombardement von der israelischen Armee andauere, desto enger werder jedoch der psychologische Schulterschluss mit der Hisbollah.

Interreligiöser Dialog in Gefahr
Weltzien befürchtet, der Konflikt könnte auch den interreligiösen Dialog im Land beeinträchtigen. Die Evangelische Gemeinde zu Beirut hat offiziell 120 Mitglieder, aber es werden dem Pfarrer zufolge sehr viel mehr Menschen angesprochen. Die Gemeinde ist durch ihre ökumenisch und interreligiös offene Arbeit in der Region bekannt. Filialgemeinden gibt es in Damaskus und Aleppo. Weltzien betreut die Gemeinde gemeinsam mit seiner Frau Friederike, die das Land am Montag mit ihrem Sohn verlassen hatte.

Rolf Stehle, Leiter des Goethe-Instituts in Beirut, berichtet über die Ausreisebemühungen deutscher Staatsbürger im Libanon.