DOMRADIO.DE: Wie genau funktioniert die Aktion?
Markus Herzberg (Citykirchenpfarrer der evangelischen Antoniterkirche in Köln): Die Aktion #pfarrpersonengegenrechts hat eine Kollegin in Berlin gestartet. Sie hatte die Hoffnung, dass so drei, vier Kolleginnen und Kollegen mitmachen. Jetzt sind es mittlerweile mehrere 100.
Ich war letzte Woche krankgeschrieben und konnte nicht zur Demonstration in Köln gehen. Ich hab mich darüber geärgert und las dann von der Aktion auf Instagram und dachte, dass ich sogar vom Bett aus etwas machen kann und hab mich sehr gerne angeschlossen.
DOMRADIO.DE: Kirchenleute äußern sich meist nicht so gerne parteipolitisch. Das ist aber jetzt doch ein sehr klares politisches Statement.
Herzberg: Ich glaube, man kann sich auch ohne irgendeine Parteizugehörigkeit politisch äußern. In dieser Zeit sind alle aufgerufen, sich mit dem Thema zu befassen und sich für die Demokratie einzusetzen.
DOMRADIO.DE: Verstehen Sie diese Social Media-Kampagne auch als eine Art Bekenntnis?
Herzberg: Auf jeden Fall. Man muss jetzt zeigen, wo man steht. Man muss auch mal zeigen, dass aufrechte Demokratinnen und Demokraten in diesem Land die absolute Mehrheit haben und nicht immer schweigend hinnehmen, was da passiert und sich zu Hause darüber ärgern, aber nichts selber machen.
DOMRADIO.DE: Was genau machen Sie bei dieser Kampagne?
Herzberg: Erst mal geht es darum, dass man sichtbar wird. Ich glaube und hoffe, dass die meisten sich einig sind, dass es nicht damit getan ist, einen Hashtag mit einem Bild von sich zu posten und zu sagen: "Toll, ich bin gegen Rechts."
Vielmehr sollte man sich fragen, wie man eine Kirchengemeinde gestaltet? Wie offen sind wir und wie heißen wir Menschen willkommen? Wie sehr schreitet man selber ein?
Man darf vor Dingen Angst haben. Man darf das auch äußern. Da brauchen wir aber auch eine neue Debattenkultur in unserem Land. Man muss sich auch im Kleinen sehr klar gegen menschenverachtende Statements stellen.
DOMRADIO.DE: Haben Sie konkrete Beispiele? Machen Sie das etwa zum Thema in Ihren Predigten?
Herzberg: Zum Teil. Das kommt in Predigten vor. Man muss aber auch reagieren, wenn jemand zum Beispiel beim Kirchencafé nach einem Gottesdienst sagt, er kriege so wenig Rente während die ganzen Ausländer so viel finanzielle Unterstützung bekämen. Dann sollte man auch mal sagen, dass diese Sichtweise zu einfach ist. "Meinen Sie, dass Sie mehr Geld bekommen, wenn kein Mensch mehr mit Migrationshintergrund in diesem Land leben würde?", wäre dann eine Gegenfrage.
Man muss zeigen, dass diese Milchmädchenrechnung, die viele haben, überhaupt nicht aufgeht. Da muss man dann auch mal sagen, dass so eine Äußerung geht nicht, wenn man Christin oder Christ ist.
Die Rheinische Kirche hat in der vergangenen Woche auch nochmal betont, dass es nicht geht, in der Kirche zu sein und AfD zu wählen, weil dieses Menschenbild so menschenverachtend ist und dem konträr gegenüber steht, was christlicher Glaube meint. Die Einordnung fand ich sehr gut.
DOMRADIO.DE: Welche Reaktionen bekommen Sie?
Herzberg: Im Moment nur gute, was außergewöhnlich ist, weil eigentlich immer Leute über irgendwas meckern. Aber in dem Fall kriege ich ganz viele positive Statements. Die Resonanz ist groß. Die Leute finden es gut, dass man damit sichtbar wird.
Ich musste ein bisschen an Bonhoeffer denken, der mal gesagt hat: "Man muss dem Rad in die Speichen fallen." Das ist jetzt die Zeit, wo wir alle miteinander dem Rad in die Speichen fallen.
DOMRADIO.DE: Es gibt auch in den sozialen Medien viele Initiativen, wie Christinnen und Christen gegen Rechts. Haben Sie manchmal Sorge, dass das inflationär werden könnte?
Herzberg: Wenn wir uns für Demokratie einsetzen, kann das gar nicht inflationär sein. Es sollten alle miteinander sagen, dass man voraus auf die Straße geht. 70.000 Demonstrierende in Köln sind ein unglaublich tolles Zeichen.
Ich hoffe, dass das nur ein Anfang war und kein einmaliges Ereignis. Es sollte eine "Jetzt erst recht"-Mentalität breit machen. Bitte, seid inflationär mit Liebe, Gerechtigkeit und Demokratie.
DOMRADIO.DE: Könnten Sie sich vorstellen, das Ganze auch "ökumenisch auszuweiten", also auch katholische Geistliche ins Boot zu holen?
Herzberg: Ich kann meine katholischen Kollegen nur ermuntern. Man kann sich bei der Aktion eine Schablone herunterladen, da sein Foto reinsetzen und so mitmachen. "Pfarrpersonen gegen Rechts" ist nicht nur für evangelische Häupter gedacht, da können alle mitmachen.
Der Hashtag ist durch "ChristInnen gegen Rechts" erweitert worden, sodass sich auch Gemeinden, ganze Gruppen, ehrenamtliche Teams und Einzelpersonen, anschließen können. Alle können mitmachen.
Das Interview führte Verena Tröster.